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Studie gibt Hoffnung Kann man rheumatoide Arthritis verhindern?

In Deutschland leiden rund zwei Prozent der Menschen an rheumatoider Arthritis – vor allem Frauen sind betroffen. Meist beginnen die Schmerzen in den Finger- oder Handgelenken.

Von: Julia Richter

Stand: 18.11.2024

Rheuma | Bild: picture-alliance/dpa

Steife und schmerzende Finger- oder Handgelenke können auf eine beginnende rheumatoider Arthritis hindeuten. Im schlimmsten Fall werden Gelenke zerstört, daher sind die schnelle Diagnose und Behandlung wichtig. Ein Forscherteam am Uniklinikum Erlangen konnte in einer Studie zeigen, dass der Ausbruch zum Teil gehemmt werden kann – mithilfe eines Biologikums.

Symptome: Rheumatoide Arthritis und Beschwerden im Alltag

Auch Stefanie Schatt spürte es zuerst in den Fingern. Ihre Gelenke waren steif und schmerzten. Immer häufiger fühlte sie sich müde und erschöpft.

"Beim Aufwachen ging es los, dass die Finger ein bisschen steif waren. Wenn man aus dem Bett steigt, spürt man es in den Fingern, dass es so leicht reißt. Das ist einfach ein unangenehmes Gefühl. Als würde man gegen Widerstände greifen. Und dann im Alltag merkt man es beim Zähneputzen, beim Wasserflaschen aufmachen, Schnürsenkel binden: Einem fehlt die Kraft zum Zupacken."

Stefanie Schatt, Patientin

Auch die 28-Jährige Sophie Hummel leidet an rheumatoider Arthritis.

"Also, als junger Mensch Rheuma zu bekommen, ist mit vielen Herausforderungen verbunden, weil man diese Krankheit nicht sieht. Alle denken eigentlich: Sophie ist gesund, Sophie geht es immer super, Sophie ist fit. Aber eigentlich bin ich gar nicht so fit. Ich bin oft müde und erschöpft und man kann schon sagen, dass man einen anderen Lebensstil führt als gesunde Menschen. Außerdem weiß man nie, wann der nächste Schub auftritt. Man muss immer damit rechnen."

Sophie Hummel, Patientin

Ursache: Immunsystem attackiert den eigenen Körper

Bei einer rheumatoiden Arthritis attackiert das Immunsystem den eigenen Körper. Fehlgeleitete Immunzellen lagern sich an den Gelenken an und produzieren entzündungsfördernde Botenstoffe. Die Gelenkinnenhaut und der Knorpel entzünden sich. Das kann bis zur Zerstörung des Knochens führen.

"Die rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung. Primär betroffen sind Menschen vom 50. bis zum 70. Lebensjahr. Hauptsächlich sind es Frauen – etwa zwei Drittel. Kennzeichen ist eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität – vor allem durch die Schmerzen."

Dr. med. Jürgen Rech, Rheumatologe, Uniklinikum Erlangen

Studie am Uniklinikum Erlangen will Ausbruch verhindern

Das Forscherteam um Dr. Rech wollte in einer internationalen Studie zeigen, dass der Ausbruch der Erkrankung gehemmt werden kann, wenn eine spezielle Behandlung durchgeführt wird. Die Idee: Es wird zeitweise ein Biologikum eingesetzt, das die fehlgeleiteten Immunzellen in Schach hält.

"Die Patienten, die hier mitmachen durften, sollten Hochrisikopatienten sein: Unserer Meinung nach sollten sie Folgendes erfüllen: Wir mussten bei ihnen Auto-Antikörper nachweisen können. Sie mussten unspezifische Gelenkschmerzen seit mehr als sechs Wochen haben. Sie mussten letztlich im MRT positiv sein, was Entzündungen angeht. Und sie durften bisher noch keine Gelenkschwellung gehabt haben."

Dr. med. Jürgen Rech, Rheumatologe, Uniklinikum Erlangen

Im Blut wurde nach speziellen Bio-Markern geschaut. Denen sind die Forscher schon länger auf der Spur: Diese Antikörper – ACPA genannt – befinden sich bereits im Blut, bevor Patienten Symptome haben. Je höher der Wert, desto wahrscheinlicher der Ausbruch der Erkrankung. Bildgebend wurde im MRT das Entzündungsgeschehen dokumentiert, um vorher und nachher vergleichen zu können.

Hälfte der Patienten testet ein Biologikum

In der Studie bekam die eine Hälfte der Patienten ein Placebo, die andere das Biologikum Abatacept. Insgesamt nahmen 98 Probanden an der Studie teil. Die Patienten spritzten sechs Monate lang wöchentlich. Dann wurde die Behandlung wieder gestoppt. Anschließend wurden die Patienten noch einmal über weitere zwölf Monate beobachtet.

"Ohne es zu wissen, war mir relativ schnell klar, dass es wahrscheinlich das Medikament sein muss, weil die Verbesserung sehr zügig ging. In der Rückschau würde ich sagen, dass ich spätestens nach vier, fünf Wochen gemerkt habe, dass früh beim Aufstehen die Steifigkeit nachlässt. Dass das Reißen in den Sehnen nachlässt. Und nach zwei Monaten waren die Beschwerden an sich weg."

Stefanie Schatt, Patientin

Nicht nur das subjektive Schmerzempfinden bessert sich: Auch im MRT sind die Veränderungen sichtbar. Es zeigte sich, dass die Intervention mit Abatacept die Entzündungen verringern und die Entstehung der rheumatoiden Arthritis verhindern konnte. Durch das Biologikum erkrankten deutlich weniger Patienten: Mit Abatacept blieben rund 60 Prozent gesund, mit Placebo nur etwa 30 Prozent. Der Vorteil scheint sich über die Zeit fortzusetzen.

"Das heißt: Eine kurze Zeit mit einer Therapie, mit einem Biologikum wie Abatacept, verhindert den Durchbruch zu einer Erkrankung. Das Ganze hält über mindestens zwölf Monate an. Mittlerweile haben wir die Patienten weiter nachbeobachtet. Auch hier scheint sich das fortzusetzen, dass eine kurze Intervention den Patienten hilft."

Dr. med. Jürgen Rech, Rheumatologe, Uniklinikum Erlangen

Bei Stefanie Schatt kamen die Beschwerden zwar nach fünf Jahren zurück, trotzdem war die Studie für sie ein Erfolg.

"Jeder Tag und jedes Jahr, das man ohne Medikamente und Schmerzen verbringen kann, ist ein geschenktes, ein gewonnenes Jahr."

Stefanie Schatt, Patientin

Zur Behandlung nimmt sie inzwischen Methotrexat – kurz MTX. Dabei handelt es sich um ein Mittel, das die Gelenkentzündung hemmt.

Ist das die Behandlung der Zukunft?

Für Immunologen hat die Untersuchung großes Potenzial für die Zukunft.

"Diese Studie zeigt sehr schön, was technisch überhaupt möglich ist. Wenn Sie sehr früh diese Erkrankung erkennen, dann brauchen Sie keine lebenslange Therapie. Sie können mit der richtigen Therapie, wenn Sie zeitgerecht reingehen, langfristig die Patienten krankheitsfrei und sogar medikamentenfrei halten. Damit eröffnen sich ganz neue Perspektiven für Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis."

Prof. Dr. med. Georg Schett, Rheumatologie, Uniklinikum Erlangen

Allerdings ist das Biologikum Abatacept bisher nicht für die präventive Behandlung zugelassen. Dazu braucht es laut Dr. Rech weitere Studien. Allerdings könnte es den Weg dafür eben, künftig verstärkt die Risikopatienten im Blick zu haben und sich gezielt um diese zu kümmern.


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