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Polyzystisches Ovarialsyndrom PCO-Syndrom – ein hoch komplexes Krankheitsbild

Das Polyzystische Ovarialsyndrom, kurz PCOS, gilt als die am häufigsten diagnostizierte gynäkologisch-hormonelle Störungen bei Frau im gebärfähigen Alter. Die Prävalenz liegt bei zehn bis 13 Prozent.

Von: Antje Maly-Samiralow

Stand: 11.12.2023

Polyzystisches Ovarialsyndrom: PCO-Syndrom - Ein hochkomplexes Krankheitsbild

Das Erscheinungsbild ist hochgradig heterogen. Die Symptome reichen von vermehrter Behaarung, unreiner Haut mit Pickeln, Zyklusstörungen, Polyzystischen Eierstöcken, Insulinresistenz bis zu Übergewicht und Adipositas sowie unerfülltem Kinderwunsch.

Unerfüllter Kinderwunsch lässt oft aufhorchen

Letzteres ist häufig ausschlaggebend dafür, dass der Problematik nachgegangen und schließlich ein PCOS diagnostiziert wird. Aufgrund der komplexen Symptomatik wird das PCOS jedoch häufig erst sehr spät festgestellt.

"Die Symptomatik kann natürlich unterschiedlich sein. Manchmal steht eine Zyklusstörung im Vordergrund. Dann nimmt die Patientin die Pille, und es fällt nicht auf. Oder es ist eine verstärkte Körperbehaarung, die sie vielleicht ignoriert und dem Arzt nicht mitteilt. Manchmal liegt ein unerfüllter Kinderwunsch dahinter, und da denkt man natürlich auch nicht primär an das PCO-Syndrom."

Prof. Dr. med. Günter K. Stalla, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, München

"Bei vielen Frauen verläuft das PCO-Syndrom untypisch. Sie haben zum Beispiel keine unreine Haut, keine Pickel, keine vermehrte Behaarung, vielleicht nur eine Zyklusstörung, vielleicht nur Zysten in den Eierstöcken, die man so nicht sieht. Und deswegen fällt es oftmals erst dann auf, wenn der Kinderwunsch kommt. Viele Jahre bleibt es unbemerkt."

Prof. Dr. med. Christian Seifarth, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Regensburg

Diagnose des PCOS

Laut aktueller Leitlinie liegt ein PCO-Syndrom dann vor, wenn zwei der sogenannten Rotterdam-Kriterien erfüllt sind.

Die sogenannten Rotterdam-Kriterien:

  • Chronische Anovulation (Ausbleiben des Eisprungs) mit Ausbleiben der Regelblutung bzw. zu seltenen Blutungen
  • Polyzystische Ovarien (mehrere unreife Follikel, die sich in den Eierstöcken wie eine Perlenschnur aneinanderreihen)
  • Klinischer als auch im Labor bestätigter Hyperandrogenismus (vermehrte männliche Hormone, die zu unreiner Haut und/oder vermehrter Behaarung führen können)

Anstelle der im Ultraschallbild sichtbaren Zystenbildung in den Eierstöcken wird mittlerweile die Messung des Antimüllerhormons (AMH) herangezogen, dessen Wert Aufschluss auf die Anzahl der heranreifenden Eier gibt.

"Das AMH ist ein Hormon, das die Zahl der Follikel widerspiegelt, die sich in den Eierstöcken, den Ovarien, entwickeln. Beim PCO-Syndrom ist es so, dass mehrere Eier gleichzeitig versuchen, sich zu entwickeln, aber keines von diesen Eiern wirklich zum Eisprung kommt. Doch jedes Ei produziert Antimüllerhormon. Das führt dazu, dass das Antimüllerhormon insgesamt erhöht ist."

Prof. Dr. med. Christian Seifarth, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Regensburg

Therapie des PCO-Syndroms

Das POS-Syndrom wird therapeutisch medikamentös behandelt. Bei Frauen ohne Kinderwunsch kommt in der Regel die Antibabypille zum Einsatz, wodurch vor allem der Zyklus reguliert wird.

Insbesondere bei Frauen mit erhöhtem Gewicht und/oder einer Insulinresistenz wird zusätzlich oder singulär das Diabetesmedikament Metformin verordnet. Die Wirkmechanismen von Metformin auf das Krankheitsbild des PCO-Syndroms sind multikausal und beziehen sich sowohl auf die Insulinresistenz als eine der primären Ursachen des PCO-Syndroms, aber auch auf die infolge der Insulinresistenz verursachten hormonellen Dysbalancen.

"Das PCO-Syndrom kann man behandeln mit der Pille. Man kann es aber auch behandeln mit Metformin. Metformin ist eigentlich ein Diabetikermedikament, was aber auch beim PCO-Syndrom wirkt, zum einen auf die Insulinresistenz, die die PCO-Patientinnen sehr häufig haben, zum anderen aber auch direkt auf die Eierstöcke. Dort reduziert Metformin die Menge der männlichen Hormone, die in den Eierstöcken gebildet wird. Dadurch kommt es zu einer Verbesserung der Haut, aber auch der vermehrten Behaarung und es bewirkt eine Gewichtabnahme. Denn Übergewicht ist häufig auch ein Problem der Patientinnen mit PCO-Syndrom."

Prof. Dr. med. Christian Seifarth, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Regensburg

Experten raten zu Umstellung der Ernährung

Die überwiegende Mehrheit der vom PCO-Syndrom betroffenen Frauen ist übergewichtig oder adipös.

Die Zunahme der Erkrankungen am PCO-Syndrom korreliert unter anderem mit der deutlichen Zunahme an Übergewicht und Adipositas in der Gesamtbevölkerung, aber auch in der Gruppe der Frauen im gebärfähigen Alter einher. Nachdem die vom PCO-Syndrom betroffenen Frauen ein deutlich erhöhtes Risiko für den gesamten Rahmen der kardiometabolischen Erkrankungen haben, die auch mit einer Verringerung der Lebenszeit einhergeht, sind Lebensstil-Interventionen zu empfehlen.

Dazu gehört die Umstellung der Ernährung. Insulinresistenz und Prädiabetes können durch entsprechende diätetische Umstellungen korrigiert werden. Dazu gehören unter anderem der Verzicht auf beziehungsweise die deutliche Verringerung der Verzehrmenge schnellverwertbarer Kohlenhydrate. Stattdessen sind ballaststoffreiche Nahrungsmittel sowie komplexe Kohlenhydrate wie Vollkornprodukte zu empfehlen, die den Blutzuckerspielgel deutlich langsamer ansteigen lassen und zudem Heißhungerattacken verhindern und folglich einer grundsätzlich verminderten Kalorienaufnahme den Weg ebenen.

Langsames Essen, ausgeprägtes Kauen und gutes Einspeicheln der Lebensmittel

Auf PCO-Syndrom spezialisierte Praxen bieten zum Teil Ernährungsberatungen an. Dort lernen die Patientinnen nicht nur, welche Lebensmittel ratsam und von welchen eher abzusehen ist. Sie lernen auch, dass langsames Essen, ausgeprägtes Kauen und gutes Einspeicheln der Lebensmittel unabdingbar sind, um sowohl eine Gewichtsreduktion zu erwirken als auch einer Insulinresistenz vorzubeugen beziehungsweise eine schon bestehende Resistenz zu korrigieren. Bei vielen Patientinnen funktioniert der natürliche Mechanismus der durch das Gehirn initiierten Mechanismen der Sättigung nach Nahrungsaufnahme nicht mehr.

Es erfordert nicht nur Disziplin, sondern auch Geduld. Denn einmal gebildete Fettzellen verschwinden nicht, nur weil man eine kurzfristige Diät einhält. Fettzellen folgen einem evolutionsbiologischen Programm, das einst der Versorgung in Notzeiten gehorchte, jedoch in Zeiten der Überversorgung zu Übergewicht und zunehmend auch zu Adipositas führt.

Sport und Bewegung als essenzieller Baustein

Ein weiterer essenzieller Baustein der Therapie des PCO-Syndroms übergewichtiger Frauen ist körperliche Betätigung. Neben dem Energieverbrauch und der damit einhergehenden Gewichtsreduktion hat vor allem Muskeltraining einen positiven Effekt auf die Gewichtsproblematik. Zum einen erhöht sich der Grundumsatz infolge vermehrten Muskelvolumens, was einer langfristigen Strategie zur Gewichtsreduktion entspricht. Die Verstoffwechselung von Zucker in den Muskeln trägt dazu bei, den Blutzuckerspiegel zu senken und einer permanenten Überproduktion durch die Bauchspeicheldrüse vorzubeugen. Das begründet unter anderem eine dauerhafte und regelmäßige sportliche Betätigung.

Zum anderen hat Muskeltraining einen protektiven Einfluss sowohl im Hinblick auf die Entwicklung eines Prädiabetes als auch auf kardiovaskuläre Folgeerkrankungen. Sowohl Diabetes als auch arteriosklerotische Veränderungen an den Endothelien gehen mit stillen Entzündungen einher. Die bei sportlicher Betätigung und Kontraktion der Muskeln ausgeschütteten Myokinen erwirken  entzündungsmodulierende Effekt. Wenn T-Zellen (Immunzellen) altern (seneszent werden), produzieren sie proentzündliche Zytokine, die unter anderem stille Entzündungen an diversen Körpergeweben begünstigen, auch an den Endothelien, wodurch die Basis für Arteriosklerose gelegt wird. Gleiches gilt für die Entwicklung einer Insulinresistenz, die ebenfalls mit chronischen stillen Entzündungen im Fettgewebe einhergeht.

Mehrheit der betroffenen Frauen ist übergewichtig oder adipös

Nachdem beim PCO-Syndrom nicht immer klar festgestellt werden kann, ob ein Übergewicht durch das PCO-Syndrom oder ob das PCO-Syndrom durch Übergewicht verursacht wurde, sollten betroffene Patientinnen selbst aktiv werden, bevor es zu den oben genannten Folgeerkrankungen im kardiometabolischen Formenkreis kommt. Die überwiegende Mehrheit der vom PCO-Syndrom betroffenen Frauen ist übergewichtig oder adipös. An einer Gewichtsreduktion sowie langfristigen Lebensstil-Veränderung führt kein Weg vorbei.

"Je dicker die Person ist, desto ausgeprägter ist die klinische Problematik. Das korreliert ganz klar. Zwar gibt es auch schlanke Frauen mit einer Insulinresistenz. Aber die Folgeprobleme und auch Folgeerkrankungen, die wir bei übergewichtigen Frauen sehen, sind deutlich gravierender. Wir müssen uns klar vor Augen halten, dass Übergewicht nicht nur das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes Mellitus erhöht, sondern auch für Depressionen und Schlafstörungen sowie das gesamte Spektrum der kardiometabolischen Erkrankungen und auch für Krebs. Nachdem die meisten Patientinnen mit PCO-Syndrom übergewichtig sind, ist eine Lebensstil-Intervention bei der Behandlung dieses Krankheitsbildes unabdingbar. Die Patientinnen müssen ihre Ernährung umstellen, sie müssen ein stringentes Sportprogramm in ihren Alltag einbauen und sie müssen ihr Gewicht reduzieren."

Prof. Dr. med. Günter K. Stalla, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, München

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