Vorbeugung durch Sport So vermeiden Sie gefährliche Stürze im Alter
Überall Stolperfallen! Ein Sturz im Alter kann ernsthafte Folgen haben. Doch mit dem richtigen Training für Muskeln und Gleichgewicht können Sie wirkungsvoll vorbeugen.
Nach einem Sturz kann das Leben zu Hause stark eingeschränkt sein. Die Zahlen sind erschreckend: 40 Prozent der Über-80-Jährigen stürzen einmal pro Jahr – bei den Über-90-Jährigen ist es mindestens jeder zweite.
Risiko für Knochenbrüche und schwere Verletzungen steigt
Eine von ihnen ist Inge Reitzig. Sie ist 83 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann Waldemar im niederbayerischen Deggendorf. Bis zu ihrer Haustür nehmen sie mehrmals am Tag ganze 52 Treppenstufen – ein gutes Fitnesstraining. Doch vor kurzem ist Inge Reitzig gestürzt. Der Vorfall blieb glücklicherweise ohne dramatische Folgen, doch der Schock sitzt tief.
Klar ist: Das Risiko für Knochenbrüche und andere Verletzungen steigt mit dem Alter. Die meisten Stürze ereignen sich in den eigenen vier Wänden.
Wissenschaftliche Studie im eigenen Zuhause
Weil die Eheleute Reitzig noch lange zu Hause wohnen wollen, haben sie an einer Studie der Technischen Hochschule Deggendorf teilgenommen. Professor Horst Kunhardt suchte damals Freiwillige, in deren Häuser sein Team für neun Monate digitale Assistenz-Systeme verbauen durfte. Mit seinem Team erhebt Professor Kunhardt regelmäßig Daten und testet verschiedenste Sensoren, die etwa mit Radartechnik Bewegungen erfassen.
Dabei messen diese Sensoren auch Gebäudedaten wie CO², Temperatur und Luftfeuchtigkeit. So gelingt es, das Alltagsleben digital gut abzubilden. Interessante Details für die Studie: Wann steht ein Bewohner auf? Wann setzt sich die Frau oder der Mann hin? Wann hat einer von beiden kürzere Schrittfolgen und stolpert? Solche Bewegungsmuster lassen sich am Ende gut aus den Daten herauslesen, welche die Sensoren monatelang sammeln.
Der "Future Carpet" erkennt, ob jemand sturzgefährdet ist
Für Inge Reitzig war die Erhebung der Studie in ihren eigenen vier Wänden eine spannende Zeit: "Es war sehr interessant, dann am Tablet abzurufen, wie oft sind wir am Tag da wirklich vorbeigelaufen sind. Das sind unglaubliche Zahlen, die da herausgekommen sind."
Eines der eingesetzten Geräte ist der "Future Carpet". Dieser geheimnisvolle Teppich soll erkennen, ob Menschen sturzgefährdet sind, um diese Sturzgefahren dann auch frühzeitig zu dokumentieren. Wie funktioniert das genau?
"Das Geheimnis ist unter dem Teppich. Hier sind solche Module, die mit der Sensortechnik den Druck, die Geschwindigkeit, die Schrittlänge über diese Länge feststellen können und dann auch wieder auf ein Terminal melden können, mit dem man es dann visualisieren kann."
Prof. Dr. Horst Kunhardt, Fakultät für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Technische Hochschule Deggendorf
Analyse von Gang, Tempo und Trittmuster
Kurz gesagt: Ein Laptop überträgt in Echtzeit, wie sturzgefährdete Menschen wie Inge Reitzig gehen und welches Trittmuster sie genau hinterlassen. Bei der 83-Jährigen sieht alles recht stabil aus. Professor Kunhardt beobachtet unter anderem den Wechsel zwischen ihrem rechten und dem linken Bein und die Geschwindigkeit von 0,69 Metern pro Sekunde.
"Aus dem Unterschied zwischen rechter und linker Schrittlänge kann man langfristig Veränderungen feststellen, zum Beispiel nach einer OP oder einer Rehabilitation, nach längerem Muskeltraining oder nach einem Balance-Training. So kann man Veränderungen des Gangbilds feststellen, hoffentlich zum Gesunden, dass man Stürze vermeiden kann."
Prof. Dr. Horst Kunhardt, Fakultät für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Technische Hochschule Deggendorf
Durch Training von Muskeln und Gleichgewicht vorbeugen
Bei Inges Mann Waldemar ist die Frequenz ist ein bisschen höher – mit einer Tendenz zu einer Seite. Hier erkennt Prof. Kunhardt ein wenig mehr Instabilität, also mehr Risiko für Stürze. Um diese zu vermeiden, sollten regelmäßig die Muskeln und das Gleichgewicht trainiert werden.
Ein Experte dafür ist Gerd Miehling. Er ist Sportlehrer, Psychogerontologe und seit Jahren im Seniorensport tätig – mit Schwerpunkt Sturzprophylaxe.
Als beste Vorbeugung für Stürze nennt Miehling sportliche Aktivität mit Balance- und Krafttrainingsübungen, etwa durch den Einsatz von Gewichtsmannschetten. Gerade im Alter sei es von großer Bedeutung, die Muskeln zu erhalten. Wer sie nicht mehr nutze, verliere sie dauerhaft und erhöhe damit das Sturzrisiko – ein gefährlicher Teufelskreis:
"Wer gestürzt ist, entwickelt ganz häufig eine sogenannte Sturzangst. Das heißt, man hat Angst, wieder hinzufallen. Das führt dann dazu, dass man sich weniger bewegt. Weniger Bewegung heißt, weniger Anspruch an die Muskelkraft, weniger Gleichgewichtsanforderungen. Und dann ist es häufig nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Sturz kommt."
Gerd Miehling, Sportlehrer und Psychogerontologe, Nürnberg
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