Globalisierung am Ende? Der unbemerkte Rückgang des Welthandels
Globalisierung am Ende? – Der unbemerkte Rückgang des Offene Grenzen und globaler Handel galten als Schlüssel zu mehr Wohlstand für alle. Besonders Exportweltmeister Deutschland gehört zu den Gewinnern der Globalisierung. Doch inzwischen werden immer mehr kritische Stimmen laut.
Tausende ziehen gegen Freihandelsabkommen auf die Straße. Dabei hat sich die Entwicklung unbemerkt längst umgekehrt: Der internationale Handel nimmt ab. Und während in Europa über Freihandelsabkommen verhandelt wird, führen immer mehr Staaten Strafzölle oder Handelsbeschränkungen ein.
TTIP und Ceta seien ein trojanisches Pferd, fürchten viele Menschen, eine Gefahr für Demokratie, Umweltstandards und Verbraucher. Profitieren würden nur die Konzerne.
Wohlstand durch weltweiten Handel
In Deutschland lehnen viele Ceta und TTIP ab. Ein Widerspruch? Gerade wir Deutschen profitieren bisher mit am meisten vom weltweiten Handel.
Jedem von uns hat er seit 1990 ein Mittelklasse-Auto beschert – statistisch gesehen, denn auf 27.000 Euro pro Kopf kommt man, wenn man zusammenzählt, welchen Wohlstandszuwachs die Globalisierung pro Einwohner gebracht hat.
Wachstum gestoppt
Jahrelang kannte der Welthandel nur eine Richtung: Er nahm zu. Die Welt rückte wirtschaftlich näher zusammen. Doch diese Entwicklung kehrt sich derzeit um. Das spürt man auch zum Beispiel im Hamburger Hafen. 2014 verluden die Arbeiter hier noch 9,7 Millionen Container, 2015 nur noch 8,8 Millionen. Ein Minus von fast 10 Prozent.
Der Globalisierungsindex bröckelt
Wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit sich entwickelt, zeigt der so genannte Globalisierungsindex, den die Wissenschaftler regelmäßig errechnen. Er ging für Deutschland erst jahrelang nach oben. Seit 2003 aber bröckelt es. Ähnliches gilt zum Beispiel für Italien und das Vereinigte Königreich. In den USA und China stagniert der Index. Das wird Folgen haben.
Suche nach Gründen
Gründe findet man überall: In China etwa verlangsamt sich das Wachstum. In Russland herrscht Rezession, auch durch die Wirtschaftssanktionen, und nicht nur in der Türkei gibt es politische Unsicherheiten.
Neue Abschottung
Am Münchner Ifo-Institut warnt man noch vor einer anderen Entwicklung. Immer mehr Länder schotten sich ab, erschweren ausländischen Unternehmen ganz bewusst den Handel.
"Handelshemmnisse gibt es in ganz vielen Varianten und Farben und Schattierungen. Das können Regelungen in Gesetzen sein, in denen sozusagen dann stark im Kleingedruckten heimische Anbieter bevorteilt werden. Das kann die Praxis, zum Beispiel bei öffentlichen Beschaffungsvorgängen sein, dass man versucht, in den existierenden Regeln den ausländischen Wettbewerber möglichst stark hintenanzuhalten."
Prof. Gabriel Felbermayr, Münchner Ifo-Institut
In den USA beispielsweise darf bei Infrastrukturprojekten nur noch Stahl und Eisen aus US-Produktion eingesetzt werden, eine Benachteiligung ausländischer Firmen. In Indien liegt der Einfuhrzoll auf Autos bei 60 Prozent, auch für ausländische Computer gibt es Sonderabgaben.
Protektionismus contra Wirtschaftswachstum
Strafzölle, Preisvorgaben, Mengenbeschränkungen: Immer mehr Länder, auch Industrienationen, greifen zu solchen Maßnahmen. Wie sehr dieser Protektionismus um sich greift, zeigt eine Karte der Universität St. Gallen. Die roten Punkte veranschaulichen, wo überall die heimische Wirtschaft bevorzugt und ausländische Unternehmen behindert werden.
So haben die USA seit 2008 1251 und Deutschland immerhin 353 protektionistische Maßnahmen ergriffen. Und das, während gleichzeitig über Freihandelsabkommen verhandelt wird. Eigentlich absurd.
Ob Freihandelsabkommen wie TTIP und Ceta allerdings die dunklen Wolken vertreiben würden, ist unter Experten umstritten. Denn diese bilateralen Abkommen würden Staaten aus Afrika und Asien benachteiligen. Und selbst Globalisierungsbefürworter räumen ein: Unser weltweiter Handel hat nicht nur Gewinner.
Auch viele Demonstranten gegen TTIP und Ceta lehnen internationalen Handel nicht grundsätzlich ab. Aber sie fordern eine neue, gerechtere Globalisierung. Doch die wird mit grenzenlosem Freihandel genauso wenig zu erreichen sein wie mit staatlicher Abschottung.