Peer Steinbrück am 17.01.12 in der "Münchner Runde":

Seine Kritik an Angela Merkel: "Ich mache ihr zum Vorwurf, dass seit Ausbruch dieser letzten Phase der Krise immer zu wenig, zu spät und zu ungefähr gemacht worden ist. Und ich mache ihr auch zum Vorwurf, dass sie lange Zeit den Menschen nicht erklärt hat, dass dieses Europa nicht nur eine Währungsunion hat und ein Binnenmarkt ist, sondern dass es sich um ein europäisches Projekt handelt." Denn: "Wenn der Euro zerfällt, zerfällt Europa politisch."

Über die Rolle der Ratingagenturen sagt er: "Das ist es ja, was die gesamte politische Szene verwundert: Dass diese Ratingagenturen sich Zensuren anmaßen über Länder, die erhebliche Anstrengungen machen und damit behilflich sind, die Spiralbewegung immer weiter nach unten zu drehen." Er fordert: "Im Zweifelsfall müsse man den Ratingagenturen auch untersagen, dass sie Länderbewertungen abgeben für diejenigen, die in Schwierigkeiten sind, weil sonst der Problemdruck immer größer wird." Dass diese Herabstufung Teil eines Währungs- und Wirtschaftskriegs von Amerika sei, um von eigenen Problemen abzulenken, glaubt Steinbrück nicht: "Das ist mir zu viel Verschwörung, ein Verdachtsmoment. Richtig ist, dass es auffällt, dass die amerikanische Wirtschafts- und Finanzsituation im Vergleich zur Europäischen Union schlechter ist und dies sich in den Bewertungen von manchen Ratingagenturen nicht erkennbar widerspiegelt."

Er stellt fest: "Viele Menschen haben angesichts dieser Krise den Eindruck, dass das Gemeinwohl und die Gemeinwohlorientierung unter die Räder eines Finanzkapitalismus gekommen ist." Dennoch warnt er: "Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der öffentlichen Verschuldung ist ein Problem: Wir müssen konsolidieren!"

Er fordert: "Wir dürfen Europa nicht zerfallen lassen in einzelne Nationalstaaten, die möglicherweise sich dann gegenseitig auch noch Konkurrenz machen. Wir müssen dieses Europa mit seiner Sozialstaatlichkeit, unabhängigen Gerichten, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, der Aufklärung, die es gegeben hat in diesem Europa, aufrecht erhalten. Und wir müssen sehen, dass andere Teile der Welt sehr stark aufholen und wir in der Champions League weiter spielen können – nicht in einer Alleinstellung als Deutschland, sondern nur Deutschland in und mit Europa."

Brauchen wir dazu eine Wiederauflage der Großen Koalition? "Man muss sehen, dass meine Partei, die SPD, in der Großen Koalition keine große Rendite eingefahren hat, sondern wir haben mit 23 Prozent ziemlich eins aufs Haupt bekommen." Und: "Es gilt: Erst das Land, dann die Partei. Aber dann müssten wir eine Situation haben, wo wirklich eine große Koalition von der Problemlage her die richtige Antwort ist, und die haben wir in meinen Augen im Augenblick nicht."