BR Fernsehen - Stolperstein


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Schädel-Hirn-Trauma Bin ich noch ich?

Ein falscher Schritt, ein Sturz. Nils Kopp wachte erst zwei Wochen später im Krankenhaus wieder auf. Mit schlimmen Beeinträchtigungen. Schweres Schädel-Hirn-Trauma - Nils erzählt, wie er langsam zurück in sein Leben fand.

Von: Nils Kopp

Stand: 30.10.2024

"Ich heiße Nils Kopp und bin sowas wie ein Geschichtenerzähler, zum einen für meine Kinder, aber auch beruflich als Journalist mit Fernsehbeiträgen jeder Art. Nur das Oktoberfest habe ich leider mit keiner schönen Geschichte in Erinnerung."

Nils Kopp

Eine Hirnverletzung und die Suche nach sich selbst

Es geschah vor acht Jahren, am 28. September 2008, als sich das Leben von Nils Kopp von Grund auf änderte. Auf dem Münchner Oktoberfest rutscht er auf dem glitschigen Boden der Herrentoilette aus, knallt mit dem Kopf gegen den harten Rand des Pinkelbeckens und wird bewusstlos.

Schädel-Hirn-Trauma: lebensgefährliche Blutungen im Gehirn

Der Aufprall ist so stark, dass Blutgefäße im Gehirn platzen und durch die anschließende Blutung ganze Hirnregionen absterben. Nils Kopp hat Glück im Unglück, denn der Rettungsassistent weiß, was zu tun ist: Er schickt Gäste zum Notarzt, legt den Patienten in die stabile Seitenlage. Nils Kopp kommt schnell in eine Klinik.

Schädel-Hirn-Trauma und Therapie: Der lange Weg zurück

Es folgen Tage im künstlichen Koma, eine Hirnoperation, mehrere Monate Krankenhausaufenthalt und viele, viele Therapien. Nils Kopp sitzt zunächst im Rollstuhl, hat Lähmungserscheinungen. Er muss ganz von vorne anfangen und erst wieder schlucken und essen lernen.

"Im Krankenhaus Bogenhausen wurde ich therapiert, mit (so etwas wie) Landkarten auf der Station für die Orientierung, mit einem Klavier für die Psyche, mit Fitness-Fahrrad und Gymnastikbällen, um meinem Körper wieder Kraft zu geben. Die Küche der Abteilung Neuropsychologie,  wo man die einfachsten Sachen lernt, wie zum Beispiel Orangensaft zu pressen.  Dort habe ich den Herbst 2008 verbracht."

Nils Kopp

Nach dem Schädel-Hirn-Trauma: Sprechen lernen

Auch das Sprechen muss er wieder lernen. Denn die Hirnblutung betrifft auch das Sprachzentrum. Das ist besonders fatal, denn er ist Fernseh-Journalist und Filmemacher. Die Sprache ist eines seiner wichtigsten Werkzeuge.

Alles wieder normal?

Nach und nach beginnt Nils Kopp, seine Unfallgeschichte zu erzählen und seinen Zustand zu schildern. Zunächst in Form eines Tagebuchs mit anfangs kaum verständlichen Notizen auf einem Schreibblock, später mit Audioaufnahmen und danach über mehrere Jahre hinweg mit Videoaufnahmen. Sieben Jahre später: Alle Unterlagen über seine Therapie hat er gesammelt, alle ärztlichen Befunde, jedes Detail.

Die zentrale Frage, die ihn bewegt: Ist er auch nach der Hirnverletzung noch der Mensch, der er vorher war, der Nils, den die  Familie, die Freunde und Kollegen kannten?
Nils Kopp sieht die Geschichte seines Unfalls zuerst als eine Geschichte vieler Glücksfälle: die rasche Erstversorgung, dass Familie und Kollegen hinter ihm standen, dass er in der Klinik ganz individuell behandelt wurde.

Heute arbeitet er wieder.

"Ein Jahr nach dem Unfall konnte ich meine Arbeit beim Bayerischen Rundfunk wieder aufnehmen. So wie ich mir es gewünscht hatte. Schon bald sagten die Kollegen, sprachliche Defizite merke man mir nicht mehr an. Ich bin wieder Journalist, wieder Reporter – wie früher auch.

Diese Geschichte wird bleiben, sie ist und bleibt ein Teil von mir – aber der wird immer überblickbarer. Die Geschichte hat ihren festen Platz im Regal, wo die ganzen Unterlagen liegen können, bis sie verstauben. Genauso wie das Paar Schuhe, in denen ich am 28.9.2008 ausgerutscht bin, die hängen an der Wand  – und werden da hängen bleiben. Etwas bleibt und verliert doch an Bedeutung."

 Nils Kopp


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