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Gendern - ja oder nein?

RESPEKT Gendern - ja oder nein?

Stand: 28.09.2022

Auf einen Blick: Gendern – Ja oder nein?

  • Gendern bedeutet, so zu sprechen und zu schreiben, dass alle Geschlechter gleichberechtigt nebeneinander vorkommen und sichtbar werden.
  • Die Mehrheit der Deutschen ist gegen das Gendern. Die Debatte um eine gendergerechte Ausdrucksweise wird sehr emotional geführt: Während die einen denken, Gendern würde Frauen und Menschen mit einer divers geschlechtliche Identität sichtbarer machen, fürchten die anderen, dass die deutsche Sprache mutwillig verunstaltet würde.
  • Über die Nutzung des Gendersternchens gibt es auch innerhalb der Linguistik heftige Debatten.
  • Die gute Nachricht: Geschlechtersensible Sprech- und Schreibweisen kann man üben, und dabei kommt man oft auch ganz ohne * aus ...

Geschlechtersensible Sprache

Definition

Video (2:41) Was ist Gendern?

Seit einigen Jahren können in Deutschland Menschen, die sich selbst weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen, im Geburtsregister die Option "divers" eintragen lassen. Das Gendern, also die Verwendung gendergerechter Sprache, soll sprachlich eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern schaffen. Alle, die gemeint sind, sollen auch sichtbar gemacht werden. Dazu wird entweder eine neutrale Form verwendet, zum Beispiel "Lehrende" statt "Lehrer". Oder eine Sprech- oder Schreibweise, bei der in einem Wort alle Geschlechter mitgemeint sind: Zwischen männlicher und weiblicher Endung wird ein Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich eingefügt und beim Sprechen eine kurze Pause gemacht: Lehrer:in. Man kann aber auch auf die Nennung beider Geschlechter zurückgreifen: Lehrerinnen und Lehrer.

In der Sprache sichtbar sein

Für Menschen, die sich nicht in die "klassische" Einteilung Frau oder Mann einfügen, hat die geschlechtersensible Sprache eine große Bedeutung. Für Louie Läuger, Illustrator:in und Autor:in, die sich als nicht-binär positioniert, ist es eine Erleichterung, dass es heute Worte gibt, mit denen Identitäten beschrieben werden können, wie eben zum Beispiel "nicht-binär". Gendergerechte Sprache sorgt in Louies Augen dafür, dass nicht-binäre Menschen mitgesprochen und damit sichtbar werden. Damit ändert die Sprache auch die Wahrnehmung der Realität.

Louie Läuger

"Wenn jemand gendergerechte Sprache verwendet, signalisiert die Person mir ja sofort: 'Ich weiß Bescheid, ich versuche, einen sicheren Raum für dich zu gestalten.' Und natürlich macht das was mit mir."

Louie Läuger, Illustrator:in und Autor:in

Alte Debatte, schwierig zu lösen

Die Diskussion über gendergerechte Sprache ist keineswegs neu. Bereits in den 1970er-Jahren gab es fachwissenschaftliche Studien zu bestimmten Sprachformen. Die gesellschaftliche Debatte stammt mindestens aus den 60er-Jahren und kam über die USA nach Deutschland.

Gabriele Diewald, Professorin für Germanistische Linguistik, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Genderlinguistik. Im Interview erklärt sie, warum die Debatte übers Gendern so aufgeregt geführt wird, ob das Gendersternchen dazu geeignet ist, Benennungslücken zu schließen und warum das Sternchen auch innerhalb der Linguistik zu heftigen Debatten führt.

Professorin Gabriele Diewald: Sprache verändert unser Denken

"Gender-Hochdeutsch" für die "Elite"?

In jüngeren und queer-feministischen Kreisen wird häufiger gegendert. Aber längst nicht alle jungen Menschen finden das Gendern gut. BR-Journalistin Julia Ruhs hat sich im ARD-Mittagsmagazin gegen das Gendern ausgesprochen. Ihrer Meinung nach macht es die Sprache unnötig kompliziert und spaltet letztendlich die Gesellschaft. Außerdem nervt es sie, dass manche glauben, man müsse nur die Sprache ändern und schon wäre die Welt eine bessere. Eigentlich müsse man an der Realität etwas ändern. Auch wenn sie persönlich nichts vom Gendern hält, wäre es für sie etwas Anderes, wenn jemand sie direkt um eine andere Ansprache bitten würde.

Julia Ruhs

"Ich verwende ja auch keinen Spitznamen, den jemand doof findet. Also wenn mir jemand sagt, dass ich den bitte nicht mehr so nennen soll, dann mache ich das nicht."

Julia Ruhs, Journalistin

Zahlen und Fakten

Video (4:06): Welche Länder gendern wie?

Wie gendern andere Länder?

  • In Frankreich akzeptierte die Académie française, die oberste Hüterin der französischen Sprache, im Jahr 2019 neue Wortformen wie feminisierte Berufsbezeichnungen, die es vorher so nicht gab.
  • Die englische Sprache ist in vielen Fällen ohnehin geschlechtsneutral. Das Pronomen "they" wird inzwischen häufiger als Ersatz für "he" oder "she" benutzt.
  • Im Spanischen gibt es neue Pluralformen, die neben männlich und weiblich auch das Geschlecht "divers" berücksichtigen, zum Beispiel "amigues" anstelle von "amigos" (Freunde) und "amigas" (Freundinnen).

Zahlen und Fakten: Quellen (pdf)

Quellen "Welche Länder gendern wie?" Format: PDF Größe: 125,02 KB

Eine Sprache, die alle verstehen können

Genderinklusive Sprache, die also alle Geschlechtsidentitäten miteinschließt, sollte im Idealfall auch eine "inklusive Sprache", also möglichst verständlich für alle sein: Menschen mit geistigen Einschränkungen, Menschen, die gerade anfangen, Deutsch zu lernen, Menschen mit Sehbehinderung müssen sie ebenfalls verstehen und anwenden können.

Auf genderleicht.de, ein Projekt des Journalistinnenbund e.V., gibt es viele Tipps, wie man elegant, verständlich und dabei gendersensibel spricht und schreibt. Für eine Sprache, die auch Menschen verstehen, die in "leichter Sprache" kommunizieren, lautet die Empfehlung von Christine Olderdissen, Projektleiterin von genderleicht.de: so wenig Sternchen wie möglich. Ein Ärgernis für viele ist außerdem die Sprechpause, die man für das Sternchen bzw. den Doppelpunkt macht - vor allem, wenn man darin nicht geübt ist und es sehr übertrieben spricht. Auch dafür hat Christine Olderdissen einen Tipp.

Christine Olderdissen

"Sagen Sie das Wort Bäckerinnung und dann Bäcker:innen. Es ist genau die gleiche Betonung. Und wenn wir das so ein bisschen nach hinten runterfallen lassen, dann ist das so klein und so fein, dass es nicht mehr so auffällt. [...] Und trotzdem hören wir in Mini-Sekunden die Botschaft."

Christine Olderdissen, Genderexpertin

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