RESPEKT Bedingungsloses Grundeinkommen
- Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Idee, nach der jeder Mensch jeden Monat Geld vom Staat bekommt. Einfach so, ohne Gegenleistung.
- Befürworter sagen: Es nimmt den Zwang, seine Existenz entweder durch Arbeit oder durch Sozialhilfe sichern zu müssen. Es macht entspannter und kreativer.
- Gegner sagen: Es ist nicht finanzierbar und: Keiner macht dann mehr unbeliebte Jobs.
- Insgesamt gibt es etwa 30 verschiedene Grundeinkommen-Modelle. Alle funktionieren mit einer Finanzierung über Steuereinnahmen.
Das ist das bedingungslose Grundeinkommen
1.000 Euro wären doch schön. Jeden Monat, einfach so. Ohne Gegenleistung, ohne Nachweise. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Bürger. Befürworter sagen: Das ist der Weg in eine freiere, menschenwürdigere Gesellschaft. Die einzige Rettung, wenn bald Roboter die meisten Jobs übernehmen. Gegner argumentieren, dass es jede Arbeitsmoral zerstört und ungerecht ist; letztlich nur ein perfider Trick neoliberaler Kapitalisten, um sich das verhasste Sozialsystem vom Hals zu schaffen.
Das sagen die Befürworter
Michael Bohmeyer hat 2014 den Verein "Mein Grundeinkommen" gegründet. Durch Spenden von 166.600 Menschen hat er mittlerweile schon 487 Losgewinnern (Stand Dezember 2019) für ein Jahr ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ermöglicht. Zum Beispiel Robin Zimmer: Er war acht, als er das BGE gewann. Das Schönste für ihn: Er konnte sich jeden Monat ein neues Buch kaufen - und seine Eltern hatten mehr Zeit für ihn. Den Zimmers ging es vorher auch nicht schlecht; doch Mutter Olga hatte als Krankenschwester viel Stress, dazu die Kinder und pflegebedürftige Eltern. Durch den Gewinn war plötzlich weniger Druck.
"Erst mal haben wir durch das Grundeinkommen plötzlich viele Gespräche miteinander geführt. Wir haben beschlossen, dass wir die Zeit nutzen für Zoobesuche, Ausflüge, wir haben Höhlen angeschaut. Das hat Spaß gemacht. Wir haben miteinander Zeit verbracht."
Olga Zimmer, deren Sohn Robin 2014 ein bedingungsloses Grundeinkommen gewonnen hat
Wie funktioniert das Grundeinkommen?
Michael Bohmeyer vom Verein "Mein Grundeinkommen e.V." erklärt es so: "Alle kriegen das Grundeinkommen und alle bezahlen es. Es gibt nicht 'das Grundeinkommen', sondern es gibt bestimmt 30 verschiedene Modelle, die alle mit einer Form von Steuer arbeiten. Das heißt, es gibt Grundeinkommen für alle, aber es muss über Steuern finanziert werden. Es geht nicht um zusätzliches Geld. Zwar kriegen am Monatsanfang alle diese 1.000 Euro überwiesen, aber die werden zum Jahresende mit der Steuer verrechnet.
Das heißt: Jeder kriegt den gleichen Startbetrag. Wenn ich aber deutlich mehr verdiene als dieses Grundeinkommen, zahle ich mehr Steuern als heute, so dass ich netto unterm Strich nicht mehr Geld habe. Die meisten werden ungefähr so viel haben wie heute."
Wie wirkt das bedingungslose Grundeinkommen?
Das sagen die Gegner
Für Armutsforscher Christoph Butterwegge ist ein Grundeinkommen als Alternative zu Hartz IV, Arbeitslosen- oder Kindergeld unsozial: Reiche brauchen das Geld nicht und für Bedürftige wäre es zu wenig. Auch die Gewerkschaften sind Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens. Sie befürchten, dass Sozialleistungen abgebaut werden und Unternehmen weniger Lohn oder Gehalt zahlen mit der Begründung: Es hat ja jeder schon 1.000 Euro im Monat.
"Gerechtigkeit schafft man nicht, indem man alle gleich behandelt. (...) Für mich ist das Grundeinkommen der Wunsch, im Kapitalismus den Kommunismus zu verwirklichen. (...) Derjenige, der jetzt Hartz IV bezieht, und dann nur das bedingungslose Grundeinkommen hat, würde immer noch am unteren Rand der Gesellschaft stehen."
Christoph Butterwegge, Armutsforscher
Wer profitiert?
Zahlen und Fakten
Grundeinkommen im Rechenmodell
- Wenn alle Einwohner der Bundesrepublik monatlich 1.000 Euro bekämen, wäre das im Jahr fast eine Billion, die der Staat ausbezahlen müsste.
- Einsparen könnte der Staat bei Rente, Arbeitslosen- und Kindergeld: Im Jahr 2017 fielen dafür 965 Milliarden Euro an. Mit dem Grundeinkommen würden Kindergeld und Hartz IV wegfallen, es gäbe nur noch eine Basis-Sozialversicherung.
- Zur Finanzierung müssten die Steuern drastisch erhöht werden, zum Beispiel die Einkommenssteuer auf 50-70% für alle.
- Menschen, die sehr viel verdienen (zum Beispiel über 8.000 Euro im Monat), würden in diesem Rechenmodell schlechter abschneiden als heute. Die meisten Mittel- und Wenigverdiener hätten mehr Geld als ohne Grundeinkommen.
Quellen zu Zahlen und Fakten
Haushalt: Bundesministerium für Finanzen
"Sozialbudget 2017", Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin, 2018
Berechnungen: bbx.de / qmedia GmbH
Kommt es oder kommt es nicht?
Wie stehen die Chancen, dass es in Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkommen geben wird? Michael Bohmeyer sagt: "Es wird eine Form von bedingungslosem Grundeinkommen geben müssen, weil es die einzige Art ist, Gesellschaft in der digitalen Zeit zu organisieren." BGE-Gegner Christoph Butterwegge sagt: "Ich bezweifle es sehr. Wenn es das jemals geben würde, würde es das auf einem so niedrigen Niveau geben, dass man davon kaum leben könnte. Man müsste weiter erwerbstätig sein, um in der Gesellschaft mitzuhalten, anerkannt zu werden und nicht sozial ausgegrenzt zu werden."
In der Schweiz erreichte eine Initiative 2016 zwar eine landesweite Volksabstimmung darüber, ein BGE einzuführen, doch die Mehrheit der Bürger*innen 2016 stimmte dagegen.
Es gibt also keine Einigkeit oder Eindeutigkeit. Dazu mehr als 30 verschiedene Modelle. Sicher ist nur das, was Menschen erleben, die das BGE bekommen. Für die Familie Zimmer war es jedenfalls eine positive Erfahrung.
Mehr zum BGE
Erwerbstätige
Im Oktober 2019 gab es 45,4 Millionen Erwerbstätige in Deutschland. Das sind rund 76 Prozent aller Bundesbürger:innen. Etwa 1,3 Millionen (3 Prozent) waren erwerbslos. (Quelle: Destatis)
Höhe
Zwischen 400 Euro und 1.500 Euro monatliches bedingungsloses Grundeinkommen fordern die verschiedenen Befürworter pro Monat und Person. Eine Übersicht findet sich bei der Initiative Grundeinkommen.
Modelle
Es gibt drei große Modelle: Finanzierung durch negative Einkommenssteuer (Milton Friedman/Schweiz), durch eine erhöhte Konsum-(Mehrwert)steuer (Götz Werner) und durch Ausgleichszahlungen für Gewinne aus Rohstoffen (Alaska).
Kosten
Das Institut für neue soziale Antworten (INSA) hat im Jahr 2010 die Kosten für das solidarische Bürgergeld (600 Euro für jeden) berechnet: Jährliche Ausgaben wären 783 Milliarden Euro. Dazu kämen wegfallende Steuereinnahmen in Höhe von 375 Milliarden Euro. Neue Steuern und Einsparungen etwa durch Wegfall von Bürokratie und Sozialleistungen könnten laut INSA ermöglichen, dass mit dem Bürgergeld sogar ein Überschuss in Höhe von 59 Milliarden Euro entsteht. Um ein BGE-Modell mit 1.000 Euro für jeden zu finanzieren, müssten Einkommens- oder Umsatz-Steuern deutlich erhöht werden.
Deutschland
109.000 Menschen haben bis zum Ende der Aktion im 30. Mai 2016 die Initiative des "Omnibus für direkte Demokratie" zu einer Volksabstimmung über das Grundeinkommen unterzeichnet.
Weltweit
Auch weltweit sind die Fürsprecher vernetzt: Das Basic Income Earth Network (BIEN) ist ein Zusammenschluss aus etwa 20 verschiedenen Ländern.
Autorin: Monika von Aufschnaiter