RESPEKT Nichtwähler:innen
- Nicht wählen ist in den sozial schwachen Milieus am weitesten verbreitet.
- Große Unzufriedenheit kann dazu führen, nicht wählen zu gehen.
- Die Interessen der Nichtwähler:innen können so nicht vertreten werden, was für noch mehr Frust sorgt.
- Politiker:innen müssen das Vertrauen der Wähler:innen zurückgewinnen.
Ein Fundament jeder Demokratie sind freie und unabhängige Wahlen. Die wahlberechtigten Bürger:innen wählen Menschen, die ihre Interessen vertreten. Umso alarmierender ist es, wenn immer mehr Menschen das Wahlrecht nicht mehr wahrnehmen. Bei der letzten Europawahl, 2019, stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zur vorherigen Wahl im Jahr 2014 an. Der Trend insgesamt geht aber seit Jahren zu einem Anstieg der Nichtwähler:innen. Welche Auswirkungen hat das auf unsere Demokratie?
Repräsentative Demokratie - die Herrschaft des Volkes
Definition
In Deutschland wird die Herrschaft von allen Bürger:innen ausgeübt. So steht es auch im Grundgesetz: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Da es ziemlich kompliziert wäre, wenn mehr als 80 Millionen Deutsche gemeinsam politische Entscheidungen treffen müssten, haben wir in Deutschland eine "repräsentative Demokratie". Das heißt, die Bürger:innen wählen Vertreter:innen, die stellvertretend politische Angelegenheiten diskutieren und entscheiden. Das erspart eine Menge Stress. Einer der Nachteile ist: Es wird nur alle paar Jahre gewählt. In der Zeit dazwischen haben die Bürger:innen wenig Einflussmöglichkeit.
Die Politikverdrossenheit der Nichtwähler:innen
Das Recht auf unabhängige Wahlen musste in Deutschland hart erkämpft werden. Frauen dürfen in Deutschland erst seit 1918 wählen. In vielen Ländern können die Menschen von freien Wahlen nur träumen. Wieso verzichten dann immer mehr Menschen freiwillig auf die Ausübung dieses Rechts?
Diese Menschen haben oft das Gefühl, dass es sowieso keine Rolle spielt, ob sie wählen oder nicht, weil Politiker:innen fernab machen, was sie wollen und viel zu weit weg sind von den Problemen der Menschen.
"Was ich auch glaube, ist, dass einfach die persönliche Distanz zur Politik und den Menschen, also den Politikern, die handeln, agieren, dass die einfach zu groß ist. Dass einfach kein Vertrauen und keine Nähe da ist, um sich damit richtig auseinanderzusetzen."
Katharina Häfele, wählt bei Kommunalwahlen nicht.
In Studien konnte auch festgestellt werden: Je zufriedener die Menschen insgesamt mit ihrem Leben sind, desto eher gehen sie wählen. Was im Umkehrschluss heißt, dass Unzufriedene an Wahlen häufig überhaupt nicht mehr teilnehmen.
Da Politiker:innen wiedergewählt werden wollen, richten sie ihre Politik in erster Linie auf die Wählerschaft aus, die sie erreichen können und die sie auch wählen wird. Das führt zu einer Art Teufelskreis. Die Interessen der Unzufriedenen, die nicht wählen gehen, werden erst recht nicht in der Politik vertreten. Dadurch fühlen sie sich immer noch weiter benachteiligt.
Zahlen und Fakten
Nicht wählen und die Auswirkungen
- Viele Nichtwähler:innen sind jung: Bei den 21- bis 24-Jährigen geht ein Drittel nicht wählen.
- Die Wahlbeteiligung der sozialen Oberschicht ist etwa doppelt so hoch wie in sozial schwachen Milieus.
- Nichtwähler:innen lassen ihre Stimme verfallen - fürs Wahlergebnis zählen nur abgegebene und gültige Stimmen.
- Die Interessen derjenigen, die nicht wählen, werden nicht in den Parlamenten vertreten.
Nichtwähler:innen mobilisieren
Wie kann man also Nichtwähler:innen dazu motivieren, sich wieder aktiv einzubringen? Wie kann Vertrauen aufgebaut werden? Eine Empfehlung des Soziologen Werner Fröhlich ist, dass Stadträtinnen und Stadträte zum Beispiel in die Stadtviertel gehen sollen, um sich mit den Menschen dort direkt auszutauschen. Und zwar nicht nur kurz vor Wahlen.
Etwas Ähnliches hat Patric Wolf (CSU), Mitglied im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, ins Leben gerufen. Der Bezirksausschuss hat in Freimann eine Bürgersprechstunde eingerichtet. So kann sich die Bevölkerung unkompliziert an die Politiker:innen wenden und Probleme oder Anliegen ansprechen. Für frustrierte Nichtwähler:innen, die sich allein gelassen fühlen, sei das zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, sagt Barbara Epple (Die Grünen) vom Bezirksausschuss Schwabing-Freimann. Um das Vertrauen der Wähler:innen zu behalten oder wiederzugewinnen empfiehlt Patric Wolf:
"Sich jeden Tag bemühen, seinen Standpunkt klarmachen, sagen, warum man so handelt, das offen hinlegen und dem Bürger dann sagen: Wenn du mit mir zufrieden bist, dann wähl mich wieder. Wenn du mit mir nicht zufrieden bist, dann wähl mich ab. Wobei, das sagt natürlich keiner."
Patric Wolf (CSU), Bezirksausschuss Schwabing-Freimann
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Autorin: Claudia Sarrazin