Ausstellung "Dichtung ist Revolution" "Die Literaten waren nicht nur Träumer"
Die Ausstellung "Dichtung ist Revolution" verhandelt das Verhältnis von Literatur und Politik. Literaturwissenschaftlerin und Kuratorin Laura Mokrohs wirft dabei einen besonderen Blick auf die Revolution von 1918, exemplarisch am Beispiel der Schriftsteller und Politiker Kurt Eisner, Gustav Landauer, Erich Mühsam und Ernst Toller.
Was fasziniert Sie als Literaturwissenschaftlerin an Persönlichkeiten wie Erich Mühsam, über den Sie aktuell auch promovieren?
Laura Mokrohs: Erich Mühsam wird oft darauf reduziert, dass er ein wildes Leben geführt hat, dass er Anarchist war, irgendwie schrullig. Wenn man aber etwas genauer hinschaut, sieht man nicht nur Mühsams bemerkenswerte Bereitschaft, für seine Überzeugungen einzutreten, sondern auch wie er das literarische und politische Schreiben auf sehr spannende Art miteinander verknüpft – ebenso wie Kurt Eisner, Gustav Landauer und Ernst Toller.
Aktuelle Publikationen wie "Träumer – Als die Dichter die Macht übernahmen" von Volker Weidermann bedienen eben dieses Bild des Literaten und Träumers, das hat sich irgendwie verselbstständigt, oder?
Gerade im Kontext der Revolution ist es wahnsinnig wichtig zu sehen, dass alle vier Autoren nicht erst im Moment der Revolution angefangen haben, Politik zu denken und sich politisch zu engagieren. Sondern dass sie schon ganz lange an politischen Konzepten gearbeitet haben.
Woher kommt dieses Bild der Träumer?
Es ist natürlich ein eigenartiger Zufall, dass man da wirklich vier Schriftsteller hat, die 1918 und 1919 in so wichtigen Positionen zu finden waren. Man muss auch zugeben, dass ihnen zuweilen die politische Erfahrung gefehlt hat. Vor allem aber gab es noch zu ihren Lebzeiten eine massive Hetze von rechten Kräften, die das Feindbild der jüdischen Literaten einsetzten, um gegen die Revolution zu agitieren. Das hat sich dann bis 1933 fortgesetzt. Letztlich sind mit Kurt Eisner, Gustav Landauer und Erich Mühsam auch drei der vier direkt von rechten Kräften ermordet worden.
Vita & aktuelle Projekte
Laura Mokrohs ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Deutsche Philologie der LMU München sowie freie Ausstellungskuratorin unter anderem für das Literaturhaus München und die Monacensia, zuletzt "Dichtung ist Revolution" 2018/2019.
Laura Mokrohs Buch zur Ausstellung "Dichtung ist Revolution – Kurt Eisner, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Ernst Toller. Bilder. Dokumente. Kommentare" erscheint am 5. November 2018.
Stellen wir uns einmal vor, dass alle Vier noch am Leben sind und gemeinsam in einer Wohngemeinschaft wohnen. Wer hängt bei wem im Zimmer rum, wer streitet mit wem?
Zunächst glaube ich tatsächlich, dass alle vier gemeinsam in einer WG wohnen könnten. Denn sie haben diesen Grundkonsens, dass der Krieg aufhören muss, dass die Menschen es schaffen können friedlich zusammenzuleben. Dann würde aber schnell Streit ausbrechen, vor allem über die Frage: Wie radikal darf und muss die Revolution sein? Landauer wäre wahrscheinlich der Denker und Mentor der WG, der sich am häufigsten alleine in sein Zimmer zurückzieht. Eisner wäre das gute Gewissen der Wohngemeinschaft, der Besonnene, derjenige, der immer wieder versucht im Streit zu vermitteln und Kompromisse zu finden. Das würde wiederum Mühsam in Rage bringen, er würde in den WG-Streik treten, denn er hatte immer starke Meinungen und ist für diese auch eingetreten. Toller, der ist der Jüngste, der Nachwuchsautor und Nachwuchspolitiker, der von den Älteren lernt, der Landauer und vor allem Eisner bewundert.
Wie würden Sie Eisner mit wenigen Schlagworten beschreiben?
Überzeugend. Er war ein glühender Redner und hat es geschafft, mit Worten diese Revolution zu entfachen. Besonnen. Alleingelassen. Eisner hat bald bemerkt, dass viele Angriffe von allen Seiten kommen, und er hat immer wieder versucht, im Einvernehmen mit seinen Zeitgenossen, aber auch aus eigener Überzeugung, den richtigen Weg zu finden. Mir fällt als Beispiel die Pressefreiheit ein. Eisner war ganz klar, dass die konservative und nationalistische Presse mit ihrer Hetze und der systematischen Verbreitung von Falschnachrichten der Revolution schweren Schaden zufügt. Dennoch hat er am Grundsatz der Pressefreiheit konsequent und aus demokratischer Überzeugung festgehalten.
Wenn ich jetzt zu Ihrer Ausstellung in die Monacensia komme, wie lerne ich die vier Persönlichkeiten, Autoren und Politiker kennen?
Ausstellung der Monacensia
Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Novemberrevolution findet vom 9. November 2018 bis zum 30. Juni 2019 die Ausstellung "Dichtung ist Revolution" in der Monacensia in München statt. Kuratorin ist Laura Mokrohs.
Eröffnung: 8. November 2018, 19:00 Uhr
Ort: Monacensia im Hildebrandhaus
Maria-Theresia-Str. 23 in München
Der Eintritt ist frei.
Ich fand es schon in der Konzeption der Ausstellung wichtig, dass wir weit vor der Revolution anfangen. Die Ausstellung setzt jetzt um das Jahr 1900 an, mit den Autoren auf ihrer Suche nach neuen Formen des Zusammenlebens, wie etwa dem "Monte Verita" bei Ascona, zu dem Mühsam reist, um das Leben in einer alternativen Gemeinschaft auszuprobieren.
Auch bei den nationalistischen und völkischen Strömungen steigen wir sehr früh ein. Diese sind natürlich vor 1918 und in der Zeit des Krieges präsent. Und dann ist die Revolutionszeit der Schwerpunkt. Entlang eines Zeitstrahls erfahren wir: Wer hat gerade das Sagen? Wir lernen die einzelnen Protagonisten kennen und vor allem unsere vier Schriftsteller anhand der Fragen: Was bewirkt Literatur? Wie sind Literatur und Politik miteinander verwoben?
Wichtig war uns auch zu erzählen, wie es nach der Revolution und nach der Räterepublik, die durch die Gegenrevolution von rechts niedergeschlagen wurde, weitergeht. Landauer und Eisner werden ermordet. Mühsam und Toller werden festgenommen und kommen in Festungshaft. Mühsam wird noch über Jahre in Haft sitzen, schreiben und davon überzeugt sein, dass eines Tages die Revolution kommen wird, ehe ihn die Nationalsozialisten ermorden
Welche Werke der vier Autoren empfehlen Sie als Einstiegslektüre?
Von Kurt Eisner die Reden, die er 1918 gehalten hat und die damals auch direkt veröffentlicht wurden. Da kann man auch die Hoffnung haben, dass man ungefähr das liest, was die Leute zu der Zeit von ihm gelesen haben. Bei Mühsam, denke ich, sind es die kleinen Sachen, die er zur Revolutionszeit geschrieben hat. Die Gedichte, die er politisch einsetzen wollte, die Analysen der politischen Zustände. Bei Landauer muss es eigentlich der "Aufruf zum Sozialismus" sein – was aber nicht leicht konsumierbar und sehr komplex ist. Deswegen könnte man auch als kurzen und leichter zu lesenden Text die Trauerrede bei der Beerdigung Eisners nehmen. Der Text hilft einem zugleich dabei, Landauer und Eisner als Menschen besser kennenzulernen. Und bei Toller hat man die breite Auswahl an Beschreibungen, am spannendsten finde ich persönlich aber seine Dramen "Die Wandlung" und "Masse Mensch".