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Themenschwerpunkt "Polen" Schlesiens wilder Westen

Zwischen dem Früher und dem Heute lag die Vertreibung der Deutschen und die Neuansiedlung der Polen, oft selbst Vertriebene aus der heutigen Ukraine. Das Dorf ist Mittelpunkt des Filmes und Bindeglied zwischen den früheren und heutigen Bewohnern. | Bild: Honorarfrei lediglich für Ankündigungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit obiger BR-Sendung bei Nennung: Bild: BR/badurafilm. Die Nutzung im Social Media-Bereich sowie inhaltlich andere Verwendungen nur nach vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem BR-Bildmanagement, Tel. 089 / 5900 10580, Fax 089 / 5900 10585, Mail Bildmanagement@br.de

Freitag, 11.11.2016
21:00 bis 22:35 Uhr

ARD alpha
Deutschland, Polen 2002

„Ich kann besser an einem Ort leben, dessen Geschichte ich kenne.“ In dem Prolog des Filmes betrachten zwei Männer Fotos. Die Männer sind noch nicht alt, die Fotos deutlich älter als die beiden Polen. Es sind Fotos aus einem Dorf in Niederschlesien, Fotos aus einer Welt, die es so nicht mehr gibt, Fotos aus Seifershau, Niederschlesien, heute Kopaniec. Dort wohnen die beiden Männer. Der Film erkundet die Geschichte dieses Ortes am Rande des Riesengebirges durch die Erinnerungen seiner früheren und heutigen Einwohner, deren Lebenswege die Erfahrung von Millionen von Menschen widerspiegeln. Zwischen dem Früher und dem Heute liegt die Vertreibung. Aus dem Ort wurden die deutschen Bewohner ab dem Sommer 1946 vertrieben. Seit 1945 wurden Vertriebene aus dem Ostpolen der Vorkriegszeit hier angesiedelt. In den ersten Jahren nach Kriegsende nannte man diese Region in Polen „Der Wilde Westen“. Seit Mitte der siebziger Jahre kommen immer wieder Besuchergruppen aus Deutschland im Bus nach Kopaniec, Menschen auf Besuch in einer „Heimat, die Heimat nicht mehr ist“. Der Film begleitet die Gruppe bei der Ankunft, beim Heimatabend, auf den Wegen durch das Dorf, bei den Besuchen der heutigen Bewohner. „Als Kinder, wenn wir mutig waren, haben wir ihnen nachgerufen: ‚Hitler kaputt, Hitler kaputt’“, erzählt lachend eine junge Polin. Nach dem Krieg lebten die alten Bewohner und die ankommenden neuen noch bis zu zwei Jahre zusammen in demselben Haus. „Die Deutschen wurden schikaniert“, erzählt ein Pole. Und: „Das machte alles der Krieg“. Aber auch so klingen Erinnerungen: „Wir haben zusammen gegessen und gearbeitet“. Alltag in einer Ausnahmezeit. In die Gegend um Kopaniec gelangten damals nicht nur Vertriebene aus dem Osten, von denen einige vorher jahrelang in Sibirien interniert waren. Familien aus dem in weiten Teilen zerstörten Zentralpolen versuchten ihr Glück, unter ihnen oft ehemalige Zwangsarbeiter. Ausgemusterte polnische Soldaten bekamen hier neues Land zugewiesen, Plünderer machten die Gegend unsicher. Auch davon erzählt der Film. In dem Dorf leben die Alten mit ihren Geschichten, aber auch die Jungen leben hier mit der Geschichte des Dorfes. Sie leben ihr Leben, heute. Und einer der Jüngeren kam aus Deutschland, Sohn einer Frau, die zu den Vertriebenen gehört, und er baut nun ein Haus in Kopaniec: „Zuerst habe ich erst mal Polnisch gelernt, denn ich bin ja nicht hierhergekommen, um die Geschichte wieder zurückzudrehen“, sagt er. Seine Mutter wollte nie, dass er sich hier ansiedelt. Das Dorf ist Mittelpunkt des Filmes und Bindeglied zwischen den früheren und heutigen Bewohnern. Die Polen wie die Deutschen hofften nach ihrer Vertreibung, dass sie wieder nach Hause gehen können. „Man muss sich damit abfinden“, sagt eine Polin. „Schlesiens Wilder Westen“ fragt, was Heimat ist: ein Ort, ein Mensch, ein Gefühl, eine Erinnerung? (Deutsch-Polnischer Journalistenpreis 2004)

Regie: Ute Badura
Redaktion: Gábor Toldy