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"Die Rückkehr der Namen" Das Schweigen brechen Ein Holocaustüberlebender und Täterkinder im Gespräch

Montag, 08.04.2024
20:15 bis 21:00 Uhr

  • Video bereits in der Mediathek verfügbar

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Deutschland 2021

Es ist eine Begegnung, wie sie niemand von ihnen in dieser Form zuvor gehabt hat: Der 94-jährige Holocaust-Überlebende Dr. Leon Weintraub, der Tätersohn Jens-Jürgen Ventzki und Julie Lindahl, die Enkeltochter eines SS-Mannes. Sie wollen miteinander ins Gespräch kommen, sich gegenseitig Fragen stellen. Über Schuld. Über Scham. Darüber, wie es weitergehen soll, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt.

Dr. Leon Weintraub, Julie Lindahl und Jens-Jürgen Ventzki treffen sich vor der Münchner Feldherrnhalle – einem zentralen Ort der NS-Propaganda, wo immer wieder gewaltige Aufmärsche stattfanden. Die drei betrachten ein historisches Foto: Eine Menge Wehrmachtssoldaten mit Stahlhelmen und Uniformen stehen in Reih und Glied genau an der Stelle, an der sich die Gesprächspartner an diesem Septembertag im Jahr 2020 unterhalten.

„Leon, hättest du dir vorstellen können, dass es wieder Rechtsradikale geben könnte in Deutschland?“, fragt Julie Lindahl. Der 94-Jährige antwortet schlagfertig und mit einer gewissen Eleganz: „Eine unangenehme Überraschung.“

Leon Weintraub ist einer der letzten Überlebenden, der davon berichten kann, wohin Rechtsradikalismus in der deutschen Vergangenheit führte: in den Holocaust. Er wurde als polnisch-jüdischer Junge im Alter von 13 Jahren ins berüchtigte Ghetto Lódz /Litzmannstadt eingesperrt und musste jahrelang unter Hunger und Folter Zwangsarbeit leisten. Wie durch ein Wunder überlebte er. Auch das Vernichtungslager Auschwitz und die Konzentrationslager Groß-Rosen, Flossenbürg und Natzweiler.

Jens-Jürgen Ventzki hört Dr. Leon Weintraub intensiv zu. Dass seine eigenen Eltern an diesem Vernichtungssystem aktiv mitwirkten und laut seiner Aussage erst mit ihrem eigenen Tod aus der NSDAP ausgetreten sind, ist für den 77-Jährigen belastend. Sein Vater war ein hochrangiger Schreibtischtäter gewesen: Als NS-Oberbürgermeister von Lódz /Litzmannstadt unterstand ihm die Verwaltung des Ghettos. In diesem Gespräch wendet sich Jens-Jürgen Ventzki an Leon Weintraub, der dort nur knapp dem Tod entkam:

„Leon, was mich auch heute unglaublich emotional fordert, ist diese Gleichzeitigkeit: Du hast gehungert im Ghetto, ich wurde in einer großen Villa umsorgt. Wir hatten Kinderfräulein, wir hatten eine Gärtnerin und eine Köchin.“ Jens-Jürgen Ventzki

Die Autorin und Menschenrechtsaktivistin Julie Lindahl ist die Jüngste in dieser Gesprächsrunde. Sie wurde 1967 in Brasilien geboren und wusste lange Zeit nicht, wie es zu diesem ungewöhnlichen Geburtsort kam. Entgegen dem Willen der restlichen Familie forschte sie aber nach und entdeckte die düstere, schuldbehaftete Geschichte ihres Großvaters. Seine Taten als SS-Mann, der in Polen für Deportationen und mutmaßlich für Mordaktionen mitverantwortlich war, veranlassten ihn Anfang der 60er Jahre zur Flucht vor der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz.

Dieses Treffen bringt einen ehrlichen, einen schmerzhaften Blick in die Vergangenheit hervor. Und doch geht es allen um die Zukunft: Was folgt aus dieser Auseinandersetzung? Wie lässt sich die Schuld der Vorfahren in einen Verwandlungsprozess übersetzen, hin zu verantwortlichem Handeln für die Verteidigung humanistischer Werte? Und: Was wünscht sich Dr. Leon Weintraub von den zukünftigen Generationen? Um Fragen wie diese geht es in diesem berührenden Gespräch.

Regie: Michaela Wilhelm-Fischer
Redaktion: Helge Freund