alpha-thema Gespräch Ausgezeichnet – Wie wird man Nobelpreisträger?
Jedes Jahr am 10. Dezember trifft sich die Elite der Wissenschaft in Stockholm. Am Todestag des Preisstifters Alfred Nobel werden die Besten der Besten ihrer wissenschaftlichen Disziplinen geehrt. Für Naturwissenschaftler ist ein Nobelpreis die Krönung der Karriere. Was muss man tun, um preiswürdige Forschungsergebnisse zu erzielen? Wie viel Arbeit steckt hinter dem Preis? Und wie viel Glück?
Längst diskutiert die Wissenschaftscommunity, ob die Vergaberegeln noch zeitgemäß sind. Forschung ist heute meistens Teamarbeit, in der Physik sind oft hunderte von Fachleuten an einem Experiment beteiligt. Ist es da noch zeitgemäß, den Preis an einzelne Personen zu verleihen? Und warum dauert es häufig Jahrzehnte, bis die Jury in Stockholm bahnbrechende Forschung würdigt? Kritik gibt es auch daran, dass fast nur Männer ausgezeichnet werden.
Gäste der Sendung
- Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard, Biologin und Biochemikerin, Medizin-Nobelpreis 1995
- Prof. Dr. Hartmut Michel, Biochemiker, Chemie-Nobelpreis 1988
- Hubert Filser, Wissenschaftsjournalist und Buchautor
In der Diskussionsrunde aus Anlass des ARD-alpha Themenabends „Nobelpreis“ diskutieren zwei deutsche Nobelpreisträger und ein Wissenschaftsjournalist über die Vergabekriterien für die höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen und darüber, was Forscher heute leisten müssen, um für den Preis nominiert zu werden und ihn zu bekommen.
Christiane Nüsslein-Volhard und Hartmut Michel erzählen beim ARD-alpha Themenabend im Gespräch mit Moderatorin Jeanne Rubner wie der Nobelpreis ihr Leben verändert hat.
Was braucht ein Forscher, neben ein bisschen Glück, um ausgezeichnet zu werden?
In einem Punkt sind sich die Professoren Christiane Nüsslein-Volhard und Hartmut Michel einig: Für den Nobelpreis kommen nur hart arbeitende, passionierte Forscher oder Forscherinnen infrage. „Wenn man eine neue Methode entwickelt und damit etwas verändert, was bis dahin als nahezu unmöglich galt, dann sind das gute Voraussetzungen“, sagt der Chemiker Hartmut Michel (70).
Prof. Dr. Hartmut Michel erhielt 1988 den Nobelpreis für Chemie über die Erforschung der 'dreidimensionalen Molekülstruktur des Reaktionszentrums der Photosynthese im Purpurbakterium'.
Die Biologin und Biochemikerin Christiane Nüsslein-Volhard erhielt 1995 den Nobelpreis für Medizin „für ihre grundlegenden Erkenntnisse über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung“.
Stolz ist die 76-Jährige Christiane Nüsslein-Volhard, dass sie damals in einem kleinen Team geforscht hatte und sie damit die Arbeit für den Nobelpreis selbst erledigen konnte. „Das Rampenlicht fällt mit dem Nobelpreis auf eine Person, obwohl oft ein großes Team dahintersteckt.“ Als Nüsslein-Volhard 1995 den Nobelpreis erhalten hatte, bekam sie häufig zu hören, dass man diese Methode doch schon früher hätte verwenden können. „Aber es wurde eben nicht gemacht“, sagt die Biochemikerin. Erst Nüsslein-Volhard hatte die Ausdauer und die 'Besessenheit', wie sie selbst sagt, um das Verfahren anzuwenden.
Viel verändert hat sich für die beiden deutschen Nobelpreisträger Christiane Nüsslein-Volhard und Hartmut Michel seit sie die begehrte Auszeichnung erhalten haben. „Man ist plötzlich eine Person des öffentlichen Interesses“, sagt Hartmut Michel. Es werde erwartete, dass man sich vermehrt in hochrangigen wissenschaftlichen Gremien einbringe und dort mitwirke. „Man kann sich nicht mehr so intensiv auf die Forschung konzentrieren“, bedauert Christiane Nüsslein-Volhard. Bevor sie den Nobelpreis erhalten hat, bekam sie bereits andere namhafte Auszeichnungen, die als Vorgängerpreise gelten. „Ganz aus der Luft gegriffen war es nicht, dass man sich Hoffnung auf den Nobelpreis machte“, sagt Christiane Nüsslein-Volhard.
Trotzdem: „Ich wohne im selben Haus, mache die selbe Arbeit – so viel hat sich gar nicht geändert“, sagt Hartmut Michel. Dass er 1988 in der engeren Auswahl für den Nobelpreis in Chemie war, erfuhr Hartmut Michel bei einem Nobelsymposium. „Anschließend meldeten sich viele Journalisten bei meiner Sekretärin und baten um Material, weil sie darauf spekulierten, dass ich den Nobelpreis bekommen könnte“, erinnert sich der Forscher. Dass er die Auszeichnung tatsächlich erhält, erfuhr er über die Nachrichtenagentur Reuters, während er bei einer Konferenz in den Vereinigten Staaten war. „Aber in erster Linie geht es immer um die Forschung“, sagt Michel. „Der Nobelpreis ist da sekundär.“
Hubert Filser ist Wissenschaftsjournalist. Der studierte Physiker ist Autor des Buchs "Der Nobelpreis. Der Mythos. Die Fakten. Die Hintergründe."
Während der Diskussion erzählt der Chemiker Michel dann erstmals, dass man ihm bei der Verleihung in Schweden zu Beginn die falsche Medaille umgehängt hatte. Aufgefallen war es ihm, weil auf seiner Medaille die Initialen eines anderen Nobelpreisträgers standen. Anschließend wurde diese in einer Vitrine ausgestellt, sodass die Verwechslung alleine Hartmut Michel aufgefallen war.
Nobelpreis für Medizin 2018
Den Nobelpreis für Medizin ging in diesem Jahr an den Amerikaner James P. Allison und den Japaner Tasuku Honjo. Die beiden Krebsforscher entdeckten, dass sich das menschliche Immunsystem selbst stimulieren kann. Dadurch wird die körpereigene Abwehr aktiviert, wodurch Tumorzellen angegriffen und vernichtet werden können. Diese neue Form der Therapie könnte in Zukunft eine vierte Säule der Krebsmedizin werden – neben Bestrahlung, Chemotherapie und Chirurgie.
Nobelpreis für Chemie 2018
Für die Nachahmung der „Evolution im Reagenzglas“ erhielten die amerikanischen Forscher Frances H. Arnold und George P. Smith und der Brite Sir Gregory P. Winter den Nobelpreis für Chemie. Sie erforschten, wie sich Lebewesen an die Umweltbedingungen anpassen. Außerdem haben sie gezielt neue Enzyme, Antikörper und Proteine hergestellt, die jeweils die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Dadurch konnte u.a. das Medikament Adalimumab entwickelt werden, das erfolgreich bei rheumatoider Athritis, Psoriasis und Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird.
Nobelpreis für Physik 2018
Jeweils zur Hälfte ging der Nobelpreis für Physik 2018 an den Amerikaner Arthur Ashkin, Gérard Mourou aus Frankreich und die Kanadierin Donna Strickland. Ashkin ist mit 96 Jahren der älteste Nobelpreisträger, den es bisher gab. Er entdeckte, dass mit einer Licht-Pinzette Bakterien, Zellen und Moleküle untersucht werden können, da Licht auch im Stande ist Gegenstände festzuhalten und zu bewegen. Gérard Mourou und Donna Strickland verbesserten die ultrakurzen Laserpulse, um Gewebe zu verändern und so etwa Kurzsichtigkeit effektiv behandeln zu können, ohne ins Auge hinein schneiden zu können.
Wirtschaftsnobelpreis 2018
Der Wirtschaftsnobelpreis geht nicht auf das Testament von Alfred Nobel zurück, sondern wird seit 1968 jährlich von der schwedischen Reichsbank gestiftet. In diesem Jahr wurde der US-Ökonom William Nordhaus für die Erforschung der Zusammenhänge von Wirtschaftswachstum, Klimawandel und technischem Fortschritt auszeichnet. Ebenso wie Paul Romer: Der Amerikaner untersuchte, wie sich Verstädterung auf das Wachstum von Entwicklungsländer auswirkt und welche Folgen technische Erneuerungen mit sich bringen.
Friedensnobelpreis 2018
Der Friedensnobelpreis 2018 ging an Danis Mugwege, einen kongolesischen Arzt, und Nadia Murad, eine irakische Menschenrechtsaktivistin. Beide setzen sich dafür ein, sexuelle Gewalt als Kriegsmittel zu bekämpfen. Der Friedensnobelpreis wird jährlich an bis zu drei Personen in der norwegischen Hauptstadt Oslo verliehen. Ausgezeichnet wird, wer sich für die Menschheit, die Verbrüderung der Völker und die Verminderung stehender Heere stark gemacht hat. Seit 1960 wird auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 das Wirken für den Umweltschutz in den Blick genommen.
Alle Nobelpreise sind mit 9 Millionen schwedischen Kronen dotiert, rund 870.000 EUR.