Campus Doku Leben in der Stadt - Luxus nur für Reiche?
Wer heute eine Wohnung in München sucht, erntet mitleidige Blicke in seinem Freundeskreis. Das Angebot ist mehr als überschaubar und selbst Doppelverdiener haben Probleme, die exorbitanten Mieten aufzubringen.
Bis jetzt erlebten bayerische Bürger hauptsächlich in der Landeshauptstadt den Miet-Alptraum. Doch auch in anderen bayerischen Städten wie Bamberg drohen bisher nicht gekannte Mietsteigerungen und ein knapper Markt. Können wir uns das Leben in der Stadt in Zukunft überhaupt noch leisten?
Kostenexplosion am Mietmarkt
Die Mieten in München sind weiter auf einem Rekordhoch. Und die Preise steigen weiter. Für Wohnungen zahlt man momentan durchschnittlich 20,00 Miete Euro pro Quadratmeter; mit 25,21 Euro* sind die Wohnungen im Stadtteil Altstadt am teuersten. Aus Angst um ihr Geld in der Euro-Krise kaufen viele Deutsche Immobilien als Investitionsanlage - Beton statt Gold. Auch das treibt den Kaufpreis und damit die Mieten in die Höhe.
Nicht nur in der Landeshauptstadt, auch in den anderen bayerischen Städten wird das Wohnen immer teurer. So hat sich der Quadratmeterpreis für Käufer in Bamberg in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Für die neuen Wohnungen, die gerade auf dem Gelände der Landesgartenschau entstehen, zahlen die Mieter künftig zehn Euro pro Quadratmeter; doppelt so viel wie die Durchschnittsmiete in Bamberg.
Denn auch die Weltkulturerbe-Stadt wird immer attraktiver, zum Beispiel für Studierende. Anfangs waren es 3000, nun wollen 13.000 hier nicht nur studieren, sondern auch leben. Dazu kommt die zunehmende Landflucht: Bamberger, die früher gerne ins Umland weggezogen sind, wollen wieder zurück in die Stadt, um hier ihren Lebensabend zu verbringen. Kunst, Kultur, Bildung und nicht zuletzt die Arbeitsplätze machen die Stadt so attraktiv.
Verstädterung - ein globales Phänomen
Der weltweite Prozess der Verstädterung ist unumkehrbar. Um 1800 lebten 2 % der Bevölkerung in größeren Städten; hundert Jahre später 10%. Heute sind es fünfmal so viele Menschen. Erstmals in der Geschichte der Erde leben mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Nach Schätzung der Vereinten Nationen werden bis 2050 mindestens 75 % aller Menschen in Städten leben.
Die Gentrifizierung und ihre Folgen
Und die Städte verändern sich. Ihre Viertel werden nach und nach einer radikalen Schönheitskur unterzogen, die vor allem alteingesessenen Bürgern nicht gefällt. Das Schreckgespenst der Gentrifizierung geistert durch alte Arbeiterquartiere, wie zurzeit in Giesing in München. Unter Gentrifizierung versteht man die Veredelung eines Stadtteils. Der Prozess läuft so ab: Anfangs "herunter gekommene" Quartiere werden von Künstlern und Kreativen entdeckt – es entwickelt sich eine Szene, das Viertel wird attraktiv. Die Mieten steigen, die Spirale dreht sich. Alteingesessene Normalverdiener können sich ihre eigene Stadt bald nicht mehr leisten.
Die Stadtteil-Veredelung spaltet die Bürger, denn die Renaissance der Stadt dient nur den Wohlhabenden, die sich teure Lofts und Townhouses leisten können. Sozial Schwache werden an den Stadtrand oder auf´s Land gedrängt. Der Münchner Stadtdirektor Walter Buser sagt, dass München einfach nicht genügend Fläche habe, genügend Wohnungen zu bauen. So würden künftig immer mehr Menschen pendeln müssen: aus dem Umland oder aus den umliegenden Städten Augsburg, Ingolstadt oder Landshut.
Bündnis Bezahlbares Wohnen
"Wenn man nicht mehr da wohnen kann, wo man gerne möchte, wird es schwierig", sagt Maximilian Heisler. Er ist einer der Sprecher des Bündnisses Bezahlbares Wohnen und er sorgt sich auch um den Charakter und den Charme seines Viertels, Giesing, in dem er aufgewachsen ist und bis heute lebt. Er fürchtet, dass Giesing wie andere Viertel in der Innenstadt nicht nur teuer, sondern auch schick und langweilig wird, weil nur noch die Besserverdienenden, nicht aber die Normalverdiener vom Studenten bis zum Rentner hier leben können. Dann werde etwas kaputtgehen, was sich nicht mehr kitten lasse.
Ein Investor und seine Pläne
In einer großen Wohnanlage in Untergiesing wurden den Mietern von GBW Wohnungen, die der angeschlagenen Bayerischen Landesbank gehörten, mitgeteilt, dass ihre Wohnungen verkauft worden sind. An einen privaten Investor. Kurz danach kam die erste Mieterhöhung – um 20 Prozent. „Wir sind leider gezwungen, den Mietzins an die ortsübliche Miete anzupassen“, schrieb der Investor. „Wenn das, wie es erlaubt ist, alle drei Jahre so weiter geht, haben wir in neun Jahren fast eine Verdoppelung der Miete. Vor allem für die alten Leute wird es dann unmöglich hier zu bleiben“, sagt Maximilian Heisler.
Die Mieter sind nun in großer Sorge, dass es bei den 20 Prozent Mieterhöhung alle drei Jahre hier in Untergiesing nicht bleiben wird. Denn der Investor plant, die komplette Anlage umzubauen: Ein Gebäude soll abgerissen werden, die anderen sollen von Grund auf saniert werden: Außenaufzüge, aufgestocktes Dachgeschoss, Balkone, Wintergärten, Tiefgarage. Ziehen die Mieter nicht schon vorher oder während des Umbaus aus, werden solche Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt: 11 Prozent Kostenumlage bedeuten schnell eine Mieterhöhung zwischen 60 und 120% - ohne zeitliche Begrenzung!
Lösungsvorschläge für moderate Mieten
Zu den Forderungen vom Bündnis Bezahlbares Wohnen gehört die Regionalisierung des Mietrechts, was gerade unter Druck stehenden Städten wie München die Möglichkeit zum Gegensteuern einräumen würde. Im Moment schreibt ein Bundesgesetz vor, dass die Miete alle drei Jahre um 20 Prozent erhöht werden darf, solange bis sie die ortsübliche Vergleichsmiete erreicht.
Auch ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in bestimmten Stadtvierteln oder zumindest eine stärkere Kontrolle durch die Stadt, eine Stärkung des Denkmalschutzes gegen "abrisswütige Investoren" oder Reformen bei der Berechnung des Mietspiegels, der häufig kein realistisches Bild der Mietpreise wiedergibt, stehen im Forderungskatalog der Aktivisten. Und schließlich wollen sie Bevölkerung und Politik sensibilisieren für die Gefahren der Gentrifizierung.
Wie kann Wohnungsbau in München und Bamberg künftig gestaltet werden?
Trotz knapper Kassen dürfen Städte und Kommunen nicht aufhören, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Öffentliche Freiflächen sollten nicht meistbietend versteigert, sondern für neuen Wohnungsbau genutzt werden. Dabei ist auch die Förderung von Genossenschaften wichtig, die vor allem günstige Grundstücke brauchen. Auch Hochhäuser dürfen kein Tabu sein, die durch Großsiedlungen wie Neuperlach oder Hasenbergl in Verruf gekommen sind.
Leben in der Stadt – für überzeugte Münchner oder Bamberger gibt es keine Alternative zur städtischen Lebendigkeit, zum Bildungsangebot und zu ihrer Kultur. Allen Prognosen nach werden Bayerns Städte weiter wachsen. Das Leben in der Stadt sollte aber auch künftig nicht nur für Reiche möglich sein; es ist ja gerade die bunte Mischung der Bewohner, die eine Stadt so lebens- und liebenswert macht.
*Quelle: Mietspiegel München Stand 10/2021 ein Service von © wohnungsboerse.net
Literatur und Links
- Munich Boazn - Giesing, Maximilian Bildhauer; Volk Verlag
- Wir bleiben alle! Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung, Andrej Holm
- Gentrifidingsbums oder Eine Stadt für alle, Christoph Twickel
- Oma, die Miethaie und ich, Daniel Napp und Tanya Lieske