PD Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann, Archäologin Wie kam es zum Frauenraub in der Vorgeschichte?
Frauenraub in der Antike, viele auf diese Zeit spezialisierten Bücher machen ihn zum Thema. Sogar Kriege sollen deshalb geführt worden sein. Sind diese Geschichten bloße Erfindung der antiken Gedankenwelt oder waren sie reale gesellschaftliche Praxis? Die Archäologin PD Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann zeigt, was dran ist am antiken Mythos Frauenraub.
Der Raub der schönen Helena, der laut Homer den Trojanischen Krieg auslöste, die Entführung der Königstocher Europa durch den Göttervater Zeus, oder der Raub der Sabinerinnen, der in der Frühzeit Roms dem Frauenmangel in der noch jungen Stadt begegnen sollte, sind Beispiele für Frauenraub in der Antike, die uns in schriftlichen Quellen überliefert wurden.
Doch was zeigen uns derartige Textstellen? Blicken wir hier auf einen literarischen Topos, oder auf eine gesellschaftliche Praxis? Lebten Frauen in der Antike in der permanenten Gefahr, entführt zu werden - und wie können wir Frauenraub in jenen Zeiten nachweisen, aus denen uns keine schriftlichen Quellen überliefert sind?
In diesem Beitrag blicken wir ausgehend von der Antike weiter in der Zeit zurück in die Vorgeschichte, und unterziehen Massengräber als archäologische Befunde, für die ein möglicher Frauenraub als Grund für die Entstehung diskutiert wird, einer genaueren Analyse. Was ist dran am vorgeschichtlichen Frauenraub? Lässt er sich durch entsprechende Indizien tatsächlich nachweisen - oder ist es eine moderne Vorstellung, die auf den archäologischen Befund übertragen wird?
Vita:
Doris Gutsmiedl-Schümann ist Privatdozentin am Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin und Lehrbeauftragte an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, an der Leuphana Universität Lüneburg, an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sowie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Doris Gutsmiedl-Schümann schloss an der LMU München das Magisterstudium mit dem Hauptfach Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und den Nebenfächern Vorderasiatische Archäologie und Ethnologie ab, und studierte dort als weitere Nebenfächer Vegetationsgeschichte und Informatik (Schwerpunkt Datenbanksysteme). Sie wurde 2010 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in Vor- und Frühgeschichtlicher Archäologie mit einer Arbeit über "Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Aschheim-Bajuwarenring, Lkr. München. Studien zu Chronologie, Bestattungssitten, Alters- und Sozialstruktur eines merowingerzeitlichen Ortsgräberfelds der Münchner Schotterebene" promoviert, und 2018 an der Freien Universität Berlin in prähistorischer Archäologie mit "Studien zu Lebenswelten der Spätantike und des Frühmittelalters" habilitiert. 2017 erwarb sie zudem an der Universität Hamburg einen Master of Higher Education.
Forschungsprojekte zu Lebenswelten, Geschlechterrollen und Identitäten der ersten nachchristlichen Jahrhunderte führten sie 2010 für einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt an die kulturhistorische Sammlung des Museums der Universität Bergen, Norwegen, und 2011 für weitere Forschungsaufenthalte an die großen norwegischen Museen in Bergen, Oslo, Stavanger, Trondheim und Tromsø. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Studiengangsmanagerin für die archäologischen Bachelor- und Masterstudiengänge an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wechselte sie 2016 an die Freie Universität Berlin, wo sie am Institut für prähistorische Archäologie zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann als Gastdozentin, und im Wintersemester 2018/2019 sowie im Sommersemester 2019 als Gastprofessorin tätig war. Im Sommersemester 2020 übernahm sie die Vertretung für die Professur für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, und ist im aktuellen Wintersemester 2020/2021 als Lehrvertretung für die Professur für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig.
In ihrer Forschung interessiert sich Doris Gutsmiedl-Schümann besonders für die Themen Lebenswelten, Geschlechterrollen und Identität, für die Justinianische Pest und für visuelle Repräsentation und bildliche Darstellungen der Vergangenheit. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen zeitlich im ersten Jahrtausend nach Christus, und regional in Mittel- und Nordeuropa.
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