Interview Maschinenintelligenz versus Künstliche Intelligenz
Lars Johannsmeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Robotik und Systemintelligenz, erklärt, was es mit der Künstlichen Intelligenz auf sich hat. Wie sieht er den Umgang mit KI? Wird der Begriff zu inflationär verwendet? Von welchem Bereich in dem KI stattfindet, erhofft er sich am meisten?
Was ist Künstliche Intelligenz für Dich?
Lars Johannsmeier: Ich nenne das eher Maschinelle Intelligenz. Unter KI fallen im Bild der Öffentlichkeit häufig Algorithmen zur Bild- oder Texterkennung. Für uns hier am Lehrstuhl ist MI etwas, was die physische Welt manipulieren kann, also das, was in einem Roboter steckt und ihn autark macht, sodass dieser mit seiner Umgebung interagiert, diese manipuliert und über sie nachdenkt, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es ist also mehr als die KI, die am Bildschirm endet.
Ist Künstliche Intelligenz oder maschinelle Intelligenz der menschlichen Intelligenz nachempfunden?
Lars Johannsmeier: Das ist eine interessante Forschungsfrage. Weil unser Denken uns bekannt ist, designen wir die Algorithmen so, dass sie uns ähneln. Wir wissen, wie wir denken und wir sind effizient. Wir sind physische Wesen, die mit der Umgebung klarkommen und deshalb gehen wir davon aus, dass Algorithmen und Methoden, die darauf basieren, auch gut mit der Umgebung klarkommen. Unsere eigenen Forschungsergebnisse unterstützen diese These auch bis zu einem gewissen Grad. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass es Formen der Intelligenz gibt, die künstlich geschaffen – nicht in der nächsten Zeit, aber potentiell in der Zukunft – nicht dem entsprechen, was wir erwarten würden. Das könnte etwas sein, dass wir gar nicht als Intelligenz erkennen würden aber trotzdem objektiv so bezeichnet werden müsste.
Findest Du, dass das Schlagwort Künstliche Intelligenz momentan inflationär und auch an Stellen benutzt wird, wo es nicht hingehört?
Lars Johannsmeier: Ich denke schon. Das hat den Hintergrund, dass KI mittlerweile viele andere Bereiche berührt, beispielsweise die Robotik. Die klassische Robotik hat wenig mit KI zu tun, sondern ist hauptsächlich Mechatronik und Regelungstechnik. Momentan verschwimmen die Bereiche und KI hat sich als das Thema herausgestellt, das die größte Medienwirksamkeit hat. Google, Facebook und die ganzen Suchmaschinen basieren auf Methoden der KI und ich denke hierher kommt auch die inflationäre Nutzung des Begriffs.
Von welchem Bereich, in dem Künstliche Intelligenz stattfindet, erhoffst Du Dir am meisten?
Lars Johannsmeier: Dort, wo ich selber forsche. Bei den Robotern, die mit Maschineller Intelligenz ausgestattet sind und lernen ihre Umgebung zu manipulieren. Einer der Grundbausteine, um echte Intelligenz zu entwickeln, ist das Verständnis der Welt um sich herum. Das ist auch evolutionär bedingt, denn der Mensch ist nur intelligent geworden, weil er manipulieren muss, um zu überleben. Genau das gleiche stelle ich mir bei den Robotern vor: Je größer die Herausforderung, zum Beispiel in Form von Manipulation, desto besser und flexibler muss die Intelligenz sein.
Der Aufbau vom Verständnis des anhäufenden Wissens und alles, was am Ende im künstlichen Gehirn passieren wird, muss auf der Verbindung der Intelligenz zur physischen Welt basieren. Wir bezeichnen unsere Forschung als Machine Intelligence. Eben um hervorzuheben, dass die Intelligenz mit der physischen Maschine zusammenhängt. KI ist körperlos und kann alles Mögliche sein. Maschinenintelligenz fokussiert das ein bisschen auf die physische Präsenz der intelligenten Maschine.
Angenommen man könnte eines Tages doch ein menschliches Gehirn vollständig simulieren. Würde das bedeuten, dass eben doch alles was in unserem Kopf passiert, berechenbar und damit vorhersehbar ist?
Lars Johannsmeier: Wenn die Quantenphysik stimmt, ist eben nicht alles berechenbar. Ansonsten ist das aber außerhalb meines Expertengebiets.
Ich denke schon, dass wir durch Erforschung und Entwicklung von Maschinenintelligenz mehr darüber herausfinden können, wie wir Menschen eigentlich denken und lernen.