Ein Traum wird Realität Medizin studieren ohne Abitur – wie geht das?
Einen Studienplatz in Medizin zu bekommen, ist schwer, wenn man kein Abi mit 1,0 hat. Verbessern kann seine Chancen, wer den Medizinertest (TMS) schreibt oder nach dem Abitur eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf macht. Aber was ist, wenn man gar kein Abitur hat und unbedingt Medizin studieren will?
Marc Schlinger hat es geschafft. Seit 2014 studiert der Krankenpfleger Medizin, obwohl er nur einen Realschulabschluss hat. Schon während seiner Ausbildung wurde ihm klar, dass er mehr möchte als Kranke zu pflegen - Diagnosen stellen, Therapien entwickeln, verstehen, was im Körper passiert.
"In der Ausbildung habe ich immer mehr Fragen gestellt, die ins Tiefere gingen. Die Bücher, die wir in der Krankenpflege benutzt haben, gingen mir nicht weit genug. Um mehr über den Körper zu erfahren, habe ich mir schon früh eigene Anatomie-Atlanten zugelegt. So entstand der Wunsch, Medizin zu studieren. Obwohl ich den Beruf des Krankenpflegers liebe, ist es für mich ein Zugewinn an Wissen, herauszufinden, was der Patient hat, Diagnosen stellen zu können, um den Menschen auf eine andere Art helfen zu können als als Pfleger."
Marc Schlinger, Medizinstudent seit 2014
Voraussetzungen für ein Medizinstudium ohne Abitur
Seit 2009 können sich auch beruflich Qualifizierte ohne Abitur auf einen Studienplatz in Medizin bewerben, vorausgesetzt man hat
- eine mindestens zweijährige Ausbildung in einem Gesundheitsberuf
- mit einer Abschlussnote von 2,5 und besser
- und drei Jahre Berufserfahrung.
Wer diese Kriterien erfüllt, kann sich in Deutschland auf einen Medizinstudienplatz bewerben. Es zählt die Durchschnittsnote des Berufsabschlusszeugnisses oder das Ergebnis einer Eignungsprüfung an einer Universität. Beruflich Qualifizierte haben gute Chancen auf einen der begehrten Studienplätze. Denn die Berufsjahre werden ihnen als Wartesemester angerechnet.
Marc hat einen Eignungstest gemacht, die "Hochschulzugangsprüfung für qualifizierte Berufstätige" an der Ludwigs-Maximilians-Universität München.
Er bereitete sich darauf vor wie Abiturient*innen, die für den Medizinertest (TMS) lernen, mit dem sie ihren Notendurschnitt verbessern können.
"Die Prüfung ist an den Test für medizinische Studiengänge angelehnt. Zum Beispiel sollte man bestimmte Figuren so zusammensetzen, dass sie mit vorgegebenen Figuren zusammenpassen, oder man sollte mathematische Gleichungen auseinandernehmen. Es gab auch Textaufgaben, wo Patienten vorgestellt wurden und Fragen im Text versteckt waren, die man dazu klären sollte. In einer zusätzlichen mündlichen Prüfung, einem etwa einstündigen Gespräch, wurde dann die psychologische und charakterliche Eignung für das Medizinstudium abgefragt."
Marc Schlinger, Medizinstudent seit 2014
Marc bekommt eine 1,0 im Eignungstest. Der Studienplatz ist ihm sicher. Denn die Vergabekriterien sind für beruflich Qualifizierte die gleichen wie für Abiturienten. Statt der Abiturnote zählte bei ihm die Note der Hochschulzugangsprüfung. 30 % aller Studienplätze in Medizin werden an die Besten vergeben. Marc war ganz vorne mit dabei.
Sein Weg in die Medizin ist gar nicht so selten: 2018 waren in Deutschland fast 1000 Studierende ohne Abitur in Human- und Zahnmedizin eingeschrieben, so das Centrum für Hochschulentwicklung, CHE. Auch Pharmazie kann man als beruflich Qualifizierter studieren.
Nächstes Jahr wird Marc sein Studium an der Universität München abschließen. Die Berufserfahrung als Krankenpfleger will Marc nicht missen. Er nimmt sie in den Beruf des Arztes mit:
"Weil man in der Pflege 24/7 für den Patienten da war, auch durch dick und dünn gegangen ist, teilweise mit den Patienten geweint hat, sich mit ihnen gefreut hat, was so in der Distanz des Mediziners nicht möglich ist. Ich habe für mich den Anspruch, dass ich diesen Spagat schaffen will, zwischen der Nähe zum Patienten und der ärztlichen Tätigkeit. Dass man nicht nur Visiten abklappert, einmal Hallo und Tschüss sagt, sondern den Patienten als Ganzes wahrnimmt, mit seiner individuellen Geschichte und der psychischen Seite."
Marc Schlinger, Medizinstudent seit 2014
Marc Schlinger erzählt in einem ausführlichen Interview, wie er dazu kam, doch noch nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung, in die Uni zu gehen und seinen Traum eines Medizinstudiums ohne Abitur zu verwirklichen. Lernen bis spät in die Nacht gehört auch dazu.