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Studieren mit Hörbehinderung Wenn jedes Wort von den Lippen gelesen werden muss

Damian Breu studiert BWL in München. Den Bachelor zu machen, ist für den 24 Jährigen eine besondere Herausforderung, denn er ist hochgradig schwerhörig. Campus begleitet ihn einen Tag und erlebt, wie Damian klarkommt – in den Vorlesungen und bei seinem Engagement im eigenen Startup: Denn nach dem Abschluss will er sein eigener Chef sein.

Von: Monika Haas

Stand: 08.12.2019 12:12 Uhr

Studieren mit Hörbehinderung: Jedes Wort mit den Augen ablesen

Damian Breu studiert BWL in München. Den Bachelor zu machen, ist für den 24 Jährigen eine besondere Herausforderung, denn er ist hochgradig schwerhörig. Campus begleitet ihn einen Tag und erlebt, wie Damian klarkommt – in den Vorlesungen und bei seinem Engagement im eigenen Startup: Denn nach dem Abschluss will er sein eigener Chef sein.

Damian ist einer von rund 800 000 Menschen an deutschen Unis, deren akustische Wahrnehmung eingeschränkt ist, die also schlecht oder gar nicht hören können. Damian ist vergleichsweise gut therapiert und hat sein Hörvermögen trainiert. Nach dem Abitur in einer Inklusionsklasse am Münchner Elisabeth-Gymnasium wollte er auf jeden Fall studieren. Er beginnt 2013 ein Jurastudium in Berlin und konnte für sich einen Nachteilsausgleich beantragen.

Nach § 2 Absatz 1 Sozialgesetzbuch hat Anspruch auf den sogenannten Nachteilsausgleich, wer chronisch krank ist bzw. eine Behinderung hat, die nachweislich die Teilhabe am Studium erschwert, im Vergleich zu anderen Mitstudierenden. Wichtig ist: - Der Antrag muss fristgerecht eingehen, also gleich bei Studienzulassung dazu Beratung suchen z.B. im eigenen Fachbereich, beim Studentenwerk oder den Behindertenbeauftragten, ggf. die Hochschulleitung kontaktieren. - Zum Antrag gehören u.a. ein beglaubigtes medizinisches Attest sowie der überprüfbare Nachweis über eine konkrete nachteilige Auswirkung der individuellen Einschränkung für das Studium. - Übrigens: Kompensiert wird dieser Nachteil, nicht eine Krankheit. Nur etwa 8% der Berechtigten haben tatsächlich einen Behindertenausweis, so das deutsche Studentenwerk. Nähere Informationen bekommt man an allen Studentenwerken bei den Antragsverfahren zum Nachteilsausgleich.

"Man legt dafür seinen Behindertenausweis vor, bei mir hat es auch gut geklappt. Dolmetscher vermittelt das Studierendenwerk."

Damian, Student

Damien Breu ist BWL-Student und hat eine Hörbehinderung

Diese Unterstützung ist nötig, denn Universitäten setzen auf Präsenzveranstaltungen und viel verbale Kommunikation in ihrer Lehre, dazu kommen oft mündliche Prüfungen. Für Betroffene eine Daueranstrengung, die von der Hochschule ausgeglichen wird: In Form von Prüfungsverlängerung oder mittels „Dolmetscher“, oder Assistent, der in der Vorlesung für Hörgeschädigte Studierende mitschreibt.

Studium verlangt doppelte Anstrengung

Damian erlebte aber auch Missverständnisse, denn seine Einschränkung fällt erst einmal nicht auf. So wusste im Massenfach Jura z.B. dann doch nicht jeder, dass er aufgrund seiner Beeinträchtigung länger schreiben durfte. Auch sonst war der Druck groß:

Im Jurastudium war ich mit 600 Leuten im Audimax, im größten Vorlesungssaal der Uni. Und da gibt´s nur Geschnatter, Kuliklicken das strengt an. Ich war von morgens bis abends in der Bibliothek und hab versucht, was ich nicht mitbekommen habe, mit Skripten und Büchern auszugleichen.

Daniel und Kommoliton*innen in der Uni.

Nach drei Jahren entscheidet er sich zum Studienwechsel und die BWL. Diesmal nicht an einer großen Universität, sondern an der privaten Hochschule der Bayerischen Wirtschaft in München: kleinere Kursgruppen, überschaubare Hörsäle und guter Kontakt zu verständnisvollen Professoren. Sein Hauptproblem im Studium begleitet ihn aber weiterhin:

Jedes Fachwort bleibt eine Herausforderung. Damian, der links 50% hören kann und auf diesem Ohr ein Hörgerät nutzt, und rechts ein sogenanntes Colchea-Implantat trägt, muss seine Kurse intensiv vor- und nachbereiten, um das Gesagte richtig einzuordnen. Im Hörsaal liest er permanent von den Lippen seiner Dozenten. Im besten Fall versteht er so rund 80% eines Vortrags. Neben dem doppelten Zeitaufwand im Vergleich zu hörenden Mitstudenten ist das Präsenzstudium für ihn auch körperlich anstrengender. Lärm oder Nebengeräusche sind an einer Hochschule unvermeidlich, doch sie stören sein Hörverständnis zusätzlich. Folgen der Dauerüberlastung: Konzentrationsprobleme und Kopfschmerzen.

Ziel: Berufliche Selbständigkeit

"Neben der Bachelorarbeit im Studium schau ich, dass ich mit meinen Start-ups weiterkomme. Nach der Uni will ich auf eigenen Beinen stehen und davon leben können."

Damian, Student mit Hörbehinderung

Technische Hilfen mindern Damians Schwerhörigkeit zwar: Aber er vergleicht das mit dem Rollstuhlfahrer, der sich fortbewegt, aber doch nicht laufen kann. Weil er beruflich durchstarten will ist seine Maxime: lieber selbst mehr sprechen, als dauernd zuhören müssen. Dank Logopädie gelingt ihm eine gute Aussprache und er kann seine Ideen weitergeben in der Münchner Start-up-Szene. Neben einem Blockchain-Projekt ist er als Ideenmanager, z.B. für Innovationen für Hörbehinderte aktiv und sein Gin-Start-up bringt diesen Winter ein erstes Produkt auf den Markt. Kurz vor dem Abschluss freut sich Damian deshalb auf seine nächste Herausforderung: erfolgreicher Gründer zu werden.


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