Studieren als Flüchtling Ankommen in einem fremden Land – Hürden und Chancen
Sie waren wochen- oder gar monatelang auf der Flucht, in Deutschland suchen sie nun nach einem Weg, im Leben gut weiterzukommen – Flüchtlinge, die studieren. Einer von ihnen ist Mustafa, der in Damaskus aufgewachsen ist und 2015 aus Syrien nach Deutschland flüchtete. Was erhofft er sich von seinem Studium und Leben in Deutschland und wie meistert er die Herausforderungen und Hindernisse als Geflüchteter an der Uni?
Bart, schwarze Haare, dunkle Augen. Auf zahlreiche Menschen, die 2015 im Zuge der damaligen „Flüchtlingswelle“ am Hauptbahnhof in München ankamen, trifft diese Beschreibung zu. Auch auf Mustafa, der damals hier ankam. Erschöpft, in schmutziger Kleidung, mit gerade noch 50 Euro in der Tasche.
Heute studiert er Maschinenbau im dritten Semester. Mustafa ist einer von 770 000 Menschen, die aus Syrien nach Deutschland geflohen sind. Seit 2011 ist das Land in einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg. Er stammt aus einer Mittelschichtfamilie und gehört zu den 17% der Flüchtlinge mit Hochschulzugang. Hätte er sein Land nicht verlassen müssen, hätte Mustafa längst seinen Bachelor schon in der Tasche.
Neuanfang in Deutschland? Hürden auf dem Weg ins Studium
Bei der Flucht hatte Mustafa nicht nur seine Familie zurückgelassen, er musste in Deutschland auch noch mal von vorn anfangen, um einen Weg ins Studium zu finden. Wie er, wollen immer mehr Flüchtlinge in Deutschland studieren. Doch da gibt es zahlreiche Hürden: verlangte Sprachkenntnisse auf C1-Niveau, Krankenversicherung, Studienfinanzierung, und natürlich die Anerkennung der Hochschulreife. Mustafas Abiturzeugnis war noch in der Türkei, als er hier ankam. Aus Angst, es könnte auf der Flucht verloren gehen, beschädigt oder konfisziert werden, hatte er es dort bei einem Bekannten zurückgelassen. Die Anerkennung seines Abiturs war für ihn überraschenderweise problemlos. Das syrische Abitur gilt als schwierig. Mit einem Notendurchschnitt von 1,7 standen ihm viele Studiengänge in seinem Heimatland offen. Geprüft wurde sein Zeugnis durch Uni-Assist. Das ist eine Prüfstelle für internationale Studienbewerbungen. Dort werden die Zeugnisse auch übersetzt und die Leistungen ins deutsche Notensystem umgerechnet. Bei fehlenden Dokumenten können Flüchtlinge einen sogenannten Selbstauskunftsbogen ausfüllen und darin erklären, warum sie keine Dokumente mehr nachweisen können.
Mustafa hat sich sein Zeugnis nachschicken lassen. Während seines Asylverfahrens hätte er zwar schon studieren dürfen, das ist in Deutschland grundsätzlich gestattet, auch wenn der Flüchtlingsstatus noch nicht geklärt ist. Für viele Asylsuchende ist hier jedoch die Sprachbarriere das Hindernis. Da der Großteil der Studienfächer ausschließlich in deutscher Sprache angeboten wird, kommt der sofortige Unieinstieg trotz Berechtigung meist nicht in Frage.
Sprachkenntnisse - Generalschlüssel zum Studium
Deutsch lernen ist daher oft die langwierigste Herausforderung, bevor Flüchtlinge in Deutschland ihr Studium beginnen können. Mustafa wollte so schnell wie möglich damit starten. Im ersten halben Jahr lebte er in einem Zeltlager für Flüchtlinge, in der Nähe von München, in der Gemeinde Tutzing. Dort konnte er an einem Sprachkurs teilnehmen, den Gemeindemitglieder ehrenamtlich anboten. Außerdem besuchte er jede Woche eine alte Dame, die mit ihm Deutsch übte. Durch ihre eigene Lebensgeschichte erfuhr er auch etwas über deutsche Kultur und Vergangenheit.
"Das war jeden Samstag. Die alte Dame hat immer Frühstück vorbereitet. Da haben wir zusammen gefrühstückt und ich musste da immer eine Seite aus den Zeitung vorlesen. Das war schwer. Aber dann habe ich es doch schon geschafft, eine Seite zu lesen. Das war richtig schön. Die alte Dame hat mir auch von dem Krieg in Deutschland erzählt. Und wie das alles hier funktioniert. Leider ist sie jetzt schon gestorben. Das war das erste deutsche Haus, das ich betreten habe."
Mustafa
Die Offenheit und Neugier für das Land, in dem er Asyl gefunden hat, hat Mustafa Türen geöffnet. Bei dem Sprachkurs in Tutzing erfuhr er durch eine Lehrerin von einem Gasthörerprogramm an der Technischen Universität München. 2016 bekam er eine Zulassung und konnte erstmals Uniluft schnuppern. Im Gasthörerprogramm waren fast alle Studierenden Flüchtlinge. Kurz darauf begann er mit seinem Regelstudium. Für ihn galten die gleichen Aufnahmebedingungen, wie für alle ausländischen Studierenden: Hochschulzeugnis, Bewerbungsgespräch, Eignungsprüfung in den einschlägigen Fächern, wie Physik, Mathe, Chemie und natürlich ein Deutschtest.
Stolpern – aufstehen – weitergehen
Doch die große Masse an Studierenden, Anonymität und die damals noch zu geringen Deutschkenntnisse waren für ihn schwierig. Trotz Unterstützung durch einen „Buddy“, kam er an seine Grenzen. Nach zwei Semestern wechselte er an die Hochschule für angewandte Wissenschaften München. In Vorlesungen mit weniger Studierenden und einem praxisnahen Unterricht kommt er hier besser klar.
An der Hochschule hat er auch Bekanntschaften geknüpft mit Leuten, die wie er, von Mentoren betreut werden - auch ausländische Studierende. Darüber hinaus hat er vor allem Kontakt zu anderen Syrern. Anfangs dachte Mustafa, er würde schnell auch deutsche Freunde finden an der Uni. Inzwischen ist er da ein bisschen ratlos. Obwohl er offen ist für Kontakte, geht es ihm so wie vielen Studierenden aus anderen Kulturen, es ist irgendwie schwer, hier neue Leute, vor allem Deutsche kennenzulernen oder Freundschaften zu schließen. Er hofft, dass das mit der Zeit noch gelingen wird.
Mustafa konzentriert sich auf die Zukunft
Wenn er die Lage in seinem Land betrachtet, hat Mustafa wenig Hoffnung auf baldige Rückkehr in seine Heimat. Seine Eltern und Geschwister leben dort in sehr schwierigen Verhältnissen. Das motiviert Mustafa, sein Studium so schnell wie möglich durchzuziehen. Daher arbeitet er nur so viel, dass es gerade zum Leben reicht, um sich voll auf sein Studium konzentrieren zu können.
Es hilft ihm zugleich dabei, mit den Erinnerungen an Kriegserlebnisse und mit der Sorge, um seine Familie umzugehen. Mustafa versucht, nach vorne zu schauen und sich auf seine Ziele zu fokussieren: Er möchte seine Familie unterstützen und sich auf Medizintechnik spezialisieren. Sein Ziel ist es, nach seinem Maschinenbau-Studium eine eigene Firma zu gründen, die technische Hilfsmittel und Prothesen herstellt. Damit möchte er, der aus dem Krisengebiet fliehen konnte, etwas für Menschen tun, die unter Kriegsverletzungen leiden. Damit will er einen Beitrag leisten, um sein Heimatland wieder aufzubauen, aber auch etwas zurückgeben an die Gesellschaft, die ihn hier in Deutschland aufgenommen hat.
Studying as a refugee:
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"Geflüchtete" Uni Assist e. V.
Uni-Assist ist eine Prüfstelle und ein eingetragener Verein für internationale Studienbewerbungen. 180 Hochschulen deutschlandweit sind Mitglied dieser Vereinigung (in München gehören dazu: Technische Universität München, Hochschule München, Hochschule für Film und Fernsehen München und die Katholische Stiftungsfachhochschule München). Kernaufgabe ist, ausländische Schul- und Hochschulzeugnisse auf Gültigkeit für das deutsche Bildungssystem zu überprüfen.
Leistungen sind: Übersetzungen der Zeugnisse ins Deutsche, Umrechnung der Leistungen ins deutsche Notensystem, überprüfen von speziellen Anforderungen der Hochschulen, Sammlung aller relevanten Daten für die Bewerbung an einer Hochschule.
Wenn die Wunsch-Universität Mitglied des Vereins ist, läuft eine Bewerbung fast zwangsläufig immer als ausländischer Bewerber über Uni-assist. Bis zum 31.12.2019 sind Bewerbungen von Geflüchteten kostenlos! Danach stellt Uni-Assist die Kosten den Bewerbern in Rechnung. Bei fehlenden Dokumenten können Flüchtlinge einen sogenannten Selbstauskunftsbogen ausfüllen und darin erklären, warum diese keine Dokumente mehr nachweisen können. Alle Informationen sind in den verschiedensten Sprachen für internationale Bewerber erhältlich.
DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst)
Der DAAD listet eine große Auswahl an Studiengänge auf, die wenig oder keine Deutschkenntnisse voraussetzen.
Quellen: „DAAD – International Programmes in Germany 2019/2020“, Deutscher Akademischer Austauschdienst
Study in Germany
Informationen zu Stipendien und zum Studium in Deutschland. Die Internetseite wird vom DAAD betrieben, inkl. YouTube-Kanal, der internationalen Studierenden Tipps zum Studium in Deutschland gibt.
Quellen: "Study in Germany", Deutscher Akademischer Austauschdienst
TestAS (Test für ausländische Studierende)
Einheitlicher Test, der die Kenntnisse der Geflüchteten prüft und von vielen Hochschulen anerkannt wird.
"TestAs für Flüchtlinge", Gesellschaft für Akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e. V.