Dr. Dagmar Kiesel Mitmenschlichkeit: Die Brücke zwischen Egoismus und Altruismus
Sich für andere zu engagieren, ist sinnstiftend und macht glücklich – auch wenn diese Botschaft nicht in unsere aufs Ego fixierte Zeit zu passen scheint.
„Nur ein guter Mensch ist auch ein glücklicher Mensch.“ Diese Überzeugung antiker Philosophen scheinen unseren Erfahrungen und moralischen Konzepten zu widersprechen. Schon der Begriff des Altruismus als „selbstlose Denk- und Handlungsweise“ (Duden) suggeriert, dass Aktivitäten uneigennütziger Zuwendung und Unterstützung anderer mit Kosten verbunden sind und allein dem Wohl des Umsorgten dienen.
Dass Mitmenschlichkeit dagegen Ausdruck der spezifischen Wesensnatur des Menschen ist, weil sie sowohl kognitives als auch affektives Vermögen voraussetzt, will Dagmar Kiesel zeigen. In der auf diese Weise vollzogenen Verwirklichung seiner Natur liegt ein Grund für die glückstiftende Kraft der Mitmenschlichkeit. Sich um andere zu kümmern, erfüllt darüber hinaus mit tiefer Befriedigung. Mitmenschlichkeit erdet unsere Wünsche, Bedürfnisse und Ziele, indem sie sich mit den wirklich wichtigen Dingen menschlicher Existenz befasst ist. Und Mitmenschlichkeit ist ein symmetrisches Phänomen, insofern das Glück und der empfundene Trost desjenigen, der Mitmenschlichkeit empfängt, auch den Gebenden mit Freude erfüllt.
Dr. Dagmar Kiesel ist Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeitern am Institut für Philosophie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und leitet seit 2011 den Arbeitsbereich „Philosophie der Antiken und Arabischen Welt“ (mit Dr. Cleophea Ferrari). Sie promovierte in Philosophie zum Thema „Lieben im Irdischen. Augustin über Freundschaft, Frauen und Familie“ und reichte letztes Jahr ihre Habilitationsschrift ein: „Perspektiven personaler Identität in der christlichen Spätantike und bei Friedrich Nietzsche".