Schwaben: "So reden wir" Über den Viehscheid
Für viele Kinder im Oberallgäu ist der Viehscheid ein großes Ereignis. Doch viele Kinder aus der Klasse wussten gar nichts vom Viehscheid. Was genau passiert da? Gibt's das überall auf der Welt?
Blaichach bzw. das Gunzesrieder Tal (Landkreis Oberallgäu/Bayerisch Schwaben) hat einen Hauptfeiertag im Jahr: den „Viehscheid“. Im Illertal bietet gut sortierter Einzelhandel des Hauptorts alles für den täglichen Bedarf, eine Etage höher teilen sich Touristen und Kühe die unberührte Natur des Gunzesrieder Hochtals, das zum grenzüberschreitenden Naturpark Nagelfluhkette gehört. Mitte September ist „Almabtrieb“, der hier schwäbisch-alemannisch „Viehscheid“ heißt, der größte und ursprünglichste in der Region.
Das Thema „Viehscheid“ hat die Klasse 2a der Grund- und Hauptschule Blaichach im Herbst 2014 im Heimat- und Sachunterricht ausführlich behandelt. Die Eltern mehrerer Kinder haben selbst Bauernhöfe. Diese Kinder kennen sich aus mit Kühen und Schumpen, Milch und Glocken. Anderen Kindern in der Klasse ist die Milch- und Almwirtschaft weitgehend fremd. Und so kam Klassenlehrerin Anja Motschiedler darauf, ihre Klasse für „So reden wir“ anzumelden. Die von den Kinder selbst im Dialekt gesprochene „Bewerbung“ überzeugte die Juroren und Blaichach wurde als Gewinner ausgewählt. Mit dem Thema „Viehscheid“ vertreten die siebenjährigen Mädchen und Buben aus Blaichach ganz Schwaben beim bayernweiten Wettbewerb „So reden wir“.
Die Klasse 2a umfasst zwanzig Kinder, davon sind etwa die Hälfte Mädchen. Auch Schüler mit thailändischen, türkischen und italienischen Wurzeln sind bestens integriert. Interessant ist, dass ein Teil der Kinder sehr ausgeprägt Dialekt spricht, während ein anderer Teil fast hochdeutsch. Manchmal stößt sogar Anja Motschiedler als Klassenlehrerin an ihre Grenze, wenn es darum geht, die stark Allgäuerisch sprechenden Kinder zu verstehen. Diese Sprachvielfalt ist im Wettbewerbsbeitrag aus Blaichach gut zu hören.
Erster Termin
Am 19. Dezember 2014 fand von 7.30 bis 12.00 Uhr der erste Termin von „So reden wir“ statt. Der von der Bildungsredaktion ausgewählte Coach, der langjährige BR-Mitarbeiter und ehemalige Korrespondent Christoph Thoma aus Marktoberdorf, stellt sich vor und machte die aufgeregten und neugierigen Mädchen und Buben spielerisch mit dem Medium Rundfunk vertraut. Alle Kinder bekamen moderne Aufnahmegeräte in die Hand und durften mit ihrer Stimme spielen. Das Hören wurde geübt. Von Geräuschen und Atmo war die Rede. Das Erkennen von „Bildern im Kopf“ wurde geübt. Nach der Pause wurde das Konzept für den Wettbewerbsbeitrag erarbeitet. Die Kinder wollten beim Viehscheid bleiben und kamen unter der „Moderation“ des Coaches zu einem Konzept bzw. Regieplan (siehe Anlage): Der Viehscheid ist eines der wichtigsten Ereignisse n der Gemeinde. Die Gunzesrieder Kinder erzählen bzw. erklären ihren „städtischen“ Klassenkameraden auf den Bauernhöfen – also vor Ort – alles über die Viehwirtschaft und den Viehscheid.
Zweiter Termin
Am 15. Januar 2015 wurde es spannend: wieder kam der Coach Christoph Thoma schon um 7.00 Uhr in die Grund- und Hauptschule Blaichach. Die Stunde bis zur Abfahrt des Busses nach Gunzesried wurde dazu benutzt, das extra einstudierte Lied „Oben auf dem Bergla“ aufzunehmen, das von allen zwanzig Kindern mit Inbrunst und Leidenschaft gesungen wurde – mit einer Vielzahl an Strophen. Im Beitrag ist davon aus Zeitgründen nur die erste Strophe zu hören. Dann kam die „große Stunde“ von Magdalena und Roman (Gunzesried) und Julia (Blaichach-Hauptort), die als „Moderatoren“ ausgewählt wurden und mit kurzen Einwürfen die Beitragselemente verbinden sollten. Sie legten rasch ihre Nervosität ab und bald waren die sieben „Klammern“ sozusagen „im Kasten“. Zum Beispiel ging es gleich mit diesem Satz los: „Die Blaichacher haben wenig Ahnung von der Landwirtschaft“. Dann reihte sich Szene an Szene: „Einstiegen in den Bus“ (man hört das Geld klimpern und den Motor brummen), und das Eintreffen auf dem ersten Bauernhof.
Zitta Blessing führt die Klasse durch den Hof ihrer Eltern: Petra und Daniel Blessing beantworten geduldig die Fragen der Kinder. Geht es auf dem Hof der Blessings noch um die Milchwirtschaft- und den Alpbetrieb im Allgemeinen, so konzentrieren sich die Fragen auf dem zweiten Hof voll auf den Viehscheid. Hier ist Emil Weiler daheim, dessen Vater Thomas den Kindern Rede und Antwort steht. Es geht um die Kranzkuh und die Größe der Glocken (die man selbstverständlich auch hört). Ziemlich zeitaufwändig und wirklich mühsam war es, einen sauberen „O-Ton“ (Originalton) von den Kühen zu bekommen. Meistens war „Ruh“ statt “Muh“ im Stall.
Dritter Termin
Am 28. Januar 2015 kam Coach Christoph Thoma zum dritten Mal nach Blaichach. Er hatte einen Laptop dabei, auf dem alle O-Töne bzw. Aufnahmen von Termin 2 zu hören waren. Und – eine von ihm im Funkhaus in München erarbeitete Rohfassung des Beitrags nach Regieplan. Die Kinder sollten „live“ (mit Beamer) erleben, wie Aufnahmen vom Aufnahmegerät in den Rechner kommen und wie Akustik in Optik umgewandelt wird. Viel Gelächter gab es, als Versprecher geschnitten und einzelne Wörter und Satzteile „rückwärts“ oder mit Echo abgespielt wurden. Die Kinder erlebten, wie man Stimmen und Aussagen manipulieren kann. Und sie hatten viel Spaß dabei, sich selber mal als „Mickymaus“ oder „Brummbär“ zu hören. Nach der Pause hörten die Kinder die Roh- bzw. Langfassung „ihres“ Beitrags, die Christoph Thoma erstellt und mitgebracht hatte. Sie waren begeistert, sich so authentisch und kompakt wiederzufinden. Vor Probleme gestellt sahen sich nur bei der Frage: Und wie machen wir die Endfassung „unseres“ Beitrag jetzt noch um eine Minute kürzer. Inhaltlich sollte unbedingt alles drin bleiben. Der Vorschlag, weitere Liedstrophen am Ende des Beitrags wegzuschneiden, um Zeit zu sparen, kam schließlich ebenso von den Kindern selbst wie der Wunsch, den Beitrag über den „Viehscheid“ mit einer sonor brummenden Kuh-Stimme (O-Ton) zu beenden.
"So reden wir" in Schwaben
Projektschule: Grund- und Mittelschule Blaichach
Projektlehrerin: Anja Motschiedler
BR-Coach: Christoph Thoma