Klagen gegen subsidiären Status Flüchtlinge ziehen vor Gericht
Immer mehr syrische Flüchtlinge bekommen nicht mehr den vollen Flüchtlingsstatus zugesprochen, sondern nur noch den "subsidiären Schutz", bei dem Flüchtlinge nur noch für ein Jahr Aufenthaltserlaubnis bekommen und der Familiennachzug eingeschränkt ist. Die Koalition hatte dies im Asylpaket II im März beschlossen. Doch viele Flüchtlinge wehren sich inzwischen mit Anwälten gegen die Entscheidungen des BAMF und klagen. Bisher gaben ihnen deutsche Verwaltungsgerichte meist Recht.

Rechtsanwalt Hubert Heinhold verliert langsam die Geduld. "Die kommen nicht zu Potte", sagt er und verweist auf Eingaben an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Januar, dem Februar, dem Mai und dem Juni dieses Jahres.
Anschließend hat Heinhold Klage eingereicht – gegen die Asylentscheidung, die das BAMF im Fall seines Mandanten getroffen hat: Rami Othman ist Syrer, in seiner Heimat hat er immer wieder das Assad-Regime kritisiert und musste daher um sein Leben fürchte. Der Geheimdienst sucht nach ihm und seiner Familie, bricht die Wohnungstür auf – da sind die Othmans schon weg, in Deutschland.
Heinhold vermutet Strategie des BAMF
Für das BAMF ist Rami Othman trotzdem kein Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie viele andere Syrer bekommt er nur den "subsidiären Schutz“ zugesprochen. Das heißt: Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr und der Familiennachzug ist ausgesetzt. Hubert Heinhold glaubt, das Bundesamt fälle diese Entscheidungen ganz bewusst, um die Flüchtlingszahlen niedrig zu halten:
"Das ist natürlich klare Politik, man will abschrecken, man will verhindern, dass Leute nach Deutschland kommen und das ist menschenrechtlich inakzeptabel und wird der Not der zurückgebliebenen Familien in keinster Weise gerecht. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das wenig zu tun. Diese Praxis muss beendet werden."
Rechtsanwalt Hubert Heinhold
Othman: "Eine Rückkehr wäre lebensgefährlich"
Prozesstag vor dem Verwaltungsgericht München: Anwalt und Mandant besprechen sich ein letztes Mal. Rami Othman will Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen. Ansonsten müsste er bei Kriegsende zurück nach Syrien, das könnte lebensgefährlich für ihn sein, sagt er: "Wenn der Krieg zu Ende ist, kann ich nicht zurück nach Syrien gehen. ich würde festgenommen. Das ist gefährlich für mich für meine Familie, für meine Kinder…". Dann beginnt die Verhandlung hinter geschlossenen Türen.
Verwaltungsgericht München an der Leistungsgrenze
Rund 32.000 Syrer wie Rami Othman haben 2016 laut BAMF gegen die Entscheidungen des Bundesamtes geklagt. Bisher haben 76 Prozent der Klagenden Recht bekommen.
Am Münchner Verwaltungsgericht befassen sich inzwischen 18 Richter mit den Asylentscheidungen, bisher waren es vier. Dass die Zahl der Klagen so sprunghaft angestiegen ist, bringt auch das Verwaltungsgericht München an seine Grenzen, so Gerichtspräsidentin Andrea Breit:
"2016 sind insgesamt 1100 Klagen hier eingegangen. Das beudeutet, dass es mehrere Hundert Porzent mehr geworden sind als im Vorjahr und das ist ein riesen Anstieg an Verfahren, der uns an unsere Grenzen bringt."
Andrea Breit Gerichtspräsidentin am Verwaltungsgericht München
Jedes Urteil kostet rund 1.000 Euro
Auch hier im Münchner Verwaltungsgericht werden die Verhandlungen überwiegend pro Flüchtling entschieden, so Breit. Dazu kommt: Verlorene Prozesse sind für das BAMF teuer. Sie kosten jeweils um die 1.000 Euro, die der Steuerzahler übernehmen muss. Das heißt aber auch: Die getroffenen Entscheidungen des BAMF sind zu einem großen Teil rechtswidrig. Für Rechtsanwalt Hubert Heinhold ist klar, was zu tun wäre:
"Das Bundesamt wäre verpflichtet, aus prozessökonomischen Gründen aber auch aus menschenrechtlichen Gründen nachzugeben und zu sagen: Wir geben wieder den Flüchtlingsstatus, so wie wir es in der Vergangenheit getan haben. Denn im letzten Jahr hat sich die Lage in Syrien nicht gebessert sondern verschlechtert."
Rechtsanwalt Hubert Heinhold
Stellungnahme des BAMF
Das BAMF sieht bisher keinen Anlass seine Praxis zu ändern. Schriftlich teilt es dem Bayerischen Rundfunk mit: "Subsidiären Schutz erhält, bei wem der Schutzgrund allein in der Bürgerkriegssituation in seinem Land liegt und bei wem kein Verfolgungsschicksal vorliegt bzw. bei Rückkehr zu befürchten ist. Aus den Erfahrungen unserer Entscheider ist dies zunehmend der Fall."
Grundsatzentscheidung in der höheren Instanz
Zurück bei Rami Othman und seinem Anwalt. Die Verhandlung ist vorbei. Die Chancen, dass sie gewinnen, stehen laut Rechtsanwalt Heinhold 50 zu 50. Wie die Gerichte in Bayern künftig entscheiden, hängt auch vom Verwaltungsgerichtshof in München eine Instanz höher ab. Der könnte für diese Klagen eine einheitliche Richtung vorgeben. In Schleswig-Holstein hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig im Fall einer Syrerin vor einigen Tagen im Sinne des BAMF entschieden: dass es rechtmäßig ist, ihr nur subsidiären Schutz zu gewähren. Für Bayern ist dieses Urteil aber nicht bindend.
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Birkhahn, Montag, 28.November 2016, 09:21 Uhr
5. Wir klagen!
Wir klagen gegen das Gastland welches uns ernährt, kleidet, bildet und auch die Kosten für das Gericht und den Anwalt übernimmt.
Von Afganistan nach Absurdistan!
Antwort von RobertH, Montag, 28.November, 09:46 Uhr anzeigen
Treffender hätte man es nicht sagen können. Jetzt hab ich heute Urlaub und was lese ich? Ich frage mich langsam warum ich nicht auch mit einem gefälschten Pass, bzw. gar keinen zum BAMF gehe und Asylantrag stelle.....Ich hätte jeden Tag Urlaub und will das BAMF ihn mir nicht verlängern, dann kümmert sich mein Anwalt drum, den ich auch ohne Rechtsschutzversicherung nicht bezahlen muss. Paradiesische Zustände.....ich komme ins Träumen ;-)
Antwort von BR-Fan, Montag, 28.November, 10:43 Uhr anzeigen
@Birkhahn & RobertH
Da sind sicher findige bzw windige Rechtsanwälte auf eine neue Einnahmequelle gestoßen.
Zeigen sie lieber auf diese honorigen Personen die mit den Flüchtlingen so richtig"Kasse" machen wollen.
Gier, Gier Gier....
Antwort von RobertH, Montag, 28.November, 11:34 Uhr anzeigen
@Br-Fan
Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Die windigen und findigen Anwälte wie Sie es nennen haben einen großen Einfluss darauf. Die Berufsgruppe der Anwälte geht jedoch in jedem anderen Gesetztesbereich genauso vor. Moral und Anstand sucht man dort vergebens. Tja und zu den Asylbewerbern noch gesagt. es hat sich eine regelrechte Asylindustrie entwickelt. Wohnungsbau, Gebäudereinigung, Vermieter, Makler, Anwälte, unzählige neu eingestellte Beamte beim BAMF, bei den Jobcentern, bei den Gerichten, bei der Polizei, noch so viele mehr.....und täglich bezahlt der Steuerzahler...
BR-Fan, Montag, 28.November 2016, 09:15 Uhr
4. Neue Geschäftsidee?
Ist das nicht eher eine neue Geschäftsidee für hiesige
a) findige Rechtsanwälte oder
b) windige Rechtsanwälte?
Elvira, Montag, 28.November 2016, 09:04 Uhr
3. Was für ein Eindruck
Welchen Eindruck bekommen unsere Gäste eigentlich von einem Staat der Flüchtlinge/Migranten aufnimmt und diese sich einfach einklagen können?
Verheerend ist das. Man kann nur hoffen das die nächsten Instanzen mehr bei Verstand sind.
Elisabeth, Montag, 28.November 2016, 08:47 Uhr
2.
Ich dachte, wer nicht individuell verfolgt wird, also kein politischer Dissident ist, bekommt kein Asyl sondern eben nur den (eingeschraenkten, zeitlich befristeten) subsidaeren Schutz.
Antwort von Manfred, Montag, 28.November, 09:48 Uhr anzeigen
Jein, es gibt (mindestens) DREI verschiedene Arten von Schutz.
Bayer, Montag, 28.November 2016, 08:16 Uhr
1.
Offenbar haben sich diese Flüchtlinge schon gut integriert. - "Klagen" ist doch eigentlich ein deutscher Volkssport.
;-)
Antwort von Testballon, Montag, 28.November, 08:52 Uhr anzeigen
Logisch, es sind doch so viele Juristen unter ihnen. Oder heissen die dann Shariasten? Egal, is ja schnell umgeschult.