EU-Gipfel nach Brexit Bye bye, Britannien!
Nach dem Brexit-Schock tagen die 27 EU-Chefs in Brüssel, um über einen Fahrplan des britischen Ausstiegs zu beraten. Auch David Cameron ist da – ein letztes Mal. Geschenke zum Abschied kann er von Kanzlerin Merkel und ihren Kollegen nicht erwarten.

Deutlich früher als die meisten seiner Amtskollegen traf der britische Premier Cameron im EU-Ratsgebäude, dem Versammlungsort für Gipfel-Treffen, in Brüssel ein: "Auch wenn wir die Europäische Union verlassen, kehren wir Europa nicht den Rücken zu. Diese Länder sind unsere Nachbarn, unsere, Freunde unsere Alliierten, unsere Partner", erklärte Cameron den Journalisten. Er hoffe auch in Zukunft, also auch nach dem Brexit, auf "größtmögliche Nähe" zur EU. "Das ist gut für uns und gut für sie." So der Premier wörtlich.
Brexit-Gipfel der EU: Vielstimmiger Chor
Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB)
Wegen des Brexits rechnet der EZB-Chef mit weniger Wirtschaftswachstum im Euroraum. Das Wachstum könnte in den nächsten drei Jahren zusammen um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte geringer ausfallen als bisher angenommen, warnte Draghi laut Diplomaten am Dienstag beim Brüsseler EU-Gipfel.
Francoise Hollande, französischer Präsident
Angela Merkel, Bundeskanzlerin
Dalia Grybauskaite, litauische Präsidentin
Xavier Bettel, Luxenburgs Ministerpräsident
Martin Schulz, EU-Parlamentschef
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem
Alexis Tsipras, griechischer Ministerpräsident
Belgiens Premierminister Charles Michel
Mark Rutte, niederländischer Regierungschef
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker
Angelika Niebler, CSU-Europaabgeordnete
Standpauke und die kalte Schulter für Cameron
Schon die ersten Statements der Regierungschefs bei Ankunft machen klar: Cameron bekommt keinen herzlichen Abschied: Viele werfen ihm vor, der EU nicht nur das Ausstiegs-Referendum eingebrockt zu haben. Sondern auch schon in den Jahren zuvor mit Schimpftiraden Unzufriedenheit in seiner Heimat geschürt zu haben. Kanzlerin Angela Merkel und andere Spitzenpolitiker warnten London zudem vor Rosinenpickerei und verlangten eine zügige Eröffnung der Austrittsverhandlungen.
Wie aber könnte der zeitliche Fahrplan für die Ausstiegs-Gespräche aussehen? EU-Ratspräsident Tusk, Gastgeber bei Gipfeltreffen, bekräftigte: "Europa ist bereit, den Scheidungsprozess sogar heute zu beginnen." Und unterstrich damit den ausdrücklichen Wunsch der EU, die Gespräche nicht zu verschleppen. Das sieht man in Großbritannien anders. Weder die Sieger noch Wahlverlierer Cameron haben es mit der Trennung eilig.
"Die Verhandlungen mit der Europäischen Union müssen unter einem neuen Premierminister beginnen. Und korrekterweise muss der auch sagen, wann Artikel 50 zur Anwendung kommt, und der rechtliche Prozess zum Verlassen der EU startet."
Großbritanniens Premierminister David Cameron
Angst vor dem Zögern
Als Zielmarke nennt Cameron den Tory-Parteitag im Herbst. Was die 27 EU-Partner ins Schwitzen bringt. Denn laut besagtem Artikel 50 kann ohne offiziellen Antrag des betroffenen Mitgliedslandes nicht über die Scheidungs-Modalitäten verhandelt werden. In Brüssel ist die Sorge groß, das hauptsächlich innenpolitisch motivierte Zögern Londons könnte die allgemeine Unsicherheit noch verstärken und die Krise unbeherrschbar machen.
"Ich finde das skandalös. Zum wiederholten Male wird ein ganzer Kontinent in Geiselhaft genommen, für die parteiinternen Überlegungen der konservativen Partei Großbritanniens."
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz
Zwingen, das Verfahren in Gang zu setzen, kann die Briten freilich niemand. Und so wird der Abschiedsbrief aus London – ungeachtet der Empörung - wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.
Kanzlerin Angela Merkel und die meisten anderen Ratsmitglieder haben sich wohl oder übel damit abgefunden. Zwar pocht auch Merkel darauf, die Spielregeln einzuhalten; konkrete Gespräche über einen Austritt würden erst geführt, wenn Artikel 50 aktiviert sei.
Trotzdem rät sie davon ab, sich über diesen Punkt zu verkämpfen. Im Interesse der künftigen Beziehungen und eines guten Arbeitsklimas plädiert Merkel im Umgang mit den Briten für Besonnenheit und dafür, "keine schnellen und einfachen Schlüsse aus dem Referendum in Großbritannien zu ziehen, die Europa nur weiter spalten würden“.
Zweiter Gipfeltag ohne Cameron
Auf Vorschlag von Ratspräsident Donald Tusk werden die 27 am zweiten Gipfeltag erstmals ohne den Kollegen von der Insel beraten. Dann dürfte unter anderem ein deutsch-französisches Reformpapier über mehr Zusammenarbeit in der EU Thema sein. Eine Debatte, die freilich mehr dem demonstrativen Zusammenhalt dient als dem Formulieren handfester Ergebnisse. Um zu wissen, wohin die Reise ohne Großbritannien geht, ist es vier Tage nach dem Brexit-Schock noch zu früh.
Gleichzeitig erklärte Tusk, dass er einen Sondergipfel im September plane. Der solle sich dem tieferen Nachdenken über Europa und der Zukunft des Kontinents widmen. Auch dieses Treffen wird ohne die Briten stattfinden.
Turbulente Tage in London
Großbritannien braucht Zeit, um sich nach dem Brexit zu sortieren, denn das innenpolitische Chaos ist groß. In der Konservativen Partei laufen sich die Kandidaten warm für die Nachfolge von David Cameron. Der neue Parteichef, der gleichzeitig Regierungschef wird, wird in einer Urwahl bis zum 9. September bestimmt. Gehandelt werden Arbeits- und Sozialminister Stephen Crabb, Brexit-Trommler Boris Johnson, Innenministerin Theresa May und womöglich auch Gesundheitsminister Jeremy Hunt. Auch in der Labour-Partei rumort es gewaltig. Deren Chef Jeremy Corbyn - vom extrem-linken Flügel - verlor heute krachend eine Vertrauensabstimmung in seiner Fraktion. Corbyn erklärte dennoch, er werde nicht zurücktreten. Schottland indes probt erneut den Aufstand. Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon bekräftigte im Parlament, alle Optionen auszuloten, um Schottland in der EU zu halten und notfalls eine zweites Unabhängigkeitsreferendum abzuhalten.
Kommentieren
Freibürger, Dienstag, 28.Juni 2016, 19:33 Uhr
6. Schulz und Juncker sind widerwärtige Hetzer
Nicht der Brexit zerstört die EU, es ist die widerwärtige Arroganz, Bosheit und ständige Hetze von Schulz und Juncker gegen alle Reformkräfte in Europa. Diese deutschsprachige Altherrenriege Schulz und Juncker sind das Abbild der wahnwitzigen Überheblichkeit des Brüsseler Establishment. Weg mit diesem morschen und maroden EU-Terror.
Antwort von Argumentierer, Dienstag, 28.Juni, 23:02 Uhr anzeigen
Was sie schreiben ist eher hetzerisch. Können Sie auch irgendetwas davon belegen oder zumindest Tatsachen darstellen?
gschaftlhuber, Dienstag, 28.Juni 2016, 17:42 Uhr
5. Richtig - Jetzt ist Zeit für die Rache.
Die meisten Reaktionen der Politik waren in meinen Augen eher dekonstruktiv (Ausnahme: Merkel, Tusk ua.).Nachtreten, Rache üben, Beleidigt sein.
Anstatt die Sache nüchtern zu analysieren, fand mehr oder minder unverhohlen Wählerbeschimpfung (Alt, Arm, Doof) statt.
Wer liefert denn die Munition für die Populisten?
Wenn AfD in seiner Anfangszeit mit DM-Nostalgie Wählerstimmen erfolgreich einsammelt, dann wohl, weil es zwar eine Währungs-, aber nur bedingt eine Wirtschaftsunion gibt.
Wenn in Spanien, Griechenland LInkspopulisten und -extreme Wahlen gewinnen, dann haben die nicht erreichten Gipfelziele (z.B. Lissabon 2010 - Jugendarbeitslosigkeit) auch ihren Anteil.
Wirtschaftlich und technologisch befindet sich die EU im Rückwärtsgang (z.B. Telekommunikation in 2000 EU Weltmarktführer und jetzt?, Internettechnologie = 3. Welt). Anstatt einer jetzt erst Recht-Mentalität, sehe ich nur geistige Kleinstaaterei. Eine ehemals wunderbare Idee wird so zu Grabe getragen. Schade Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
Kommentar-Richtlinien bearbeitet.
Nicole , Dienstag, 28.Juni 2016, 17:41 Uhr
4. so what
Briten sind halt clever.
Es ist an der Zeit die EUDSSR formal zu verlassen.
Natürlich wird man weiter Geschäfte machen und die Vorteile von Freihandel nutzen.
Die Lasten sollen andere tragen;-)
Vorwiegend der deutsche Steuerlastesel.
MacMac, Dienstag, 28.Juni 2016, 17:29 Uhr
3. Ausstieg
..das ist doch wieder mal typisch europäische Überheblichkeit: "..denen zeigen wir es jetzt mal" Die EU hat noch nix dazugelernt!!! Sie verkünden zwar Transparenz und künftige Nähe an den Bürgern.Von wegen !Momentan sichtbar an der Entscheidung über den Glyphosat-Einsatz in der Landwirtschaft. Wochenlang diskutieren,keine Abstimmung,dann Entscheidung in der EU-Kommission für eine Genehmigung zur weiteren Verwendung des Giftes. Wo ist die Gesundheitsfürsorge für die Bürger im EU-Raum geblieben;denn selbst wenn der kleinste Verdacht einer Gesundheitsschädigung besteht, ist es die verdammte Pflicht der Abgeordneten für die Gesundheit ihrer Bürger zu stimmen.Die Konzerne Monsanto, Bayer usw. reiben sich die Hände,da Geld in ihre Kassen gespült werden. Da kann man dann schon mal Lobbysponsoring für exclusive Essenseinladung oder ähnliches mehr für die Parlamentarier in der EU springen lassen.
Dieses Verhalten ist das, was den sog.KleinBürger auf der Straße zornig macht;Brexit ist Folge
Antwort von Zwiesel, Dienstag, 28.Juni, 21:21 Uhr anzeigen
@MacMac:
Die EU-Kommission muss entscheiden, weil der Europäische Rat zu keiner Entscheidung gekommen ist. Warum ist der Europäische Rat zu keiner Entscheidung gekommen? Weil Deutschland sich enthalten hat. Deutschland hat die weitere Zulassung oder Ablehnung von Glyphosat in der Hand gehabt. Aber die Koalition konnte sich nicht einigen, Union dafür, SPD dagegen. Dabei ist Bundesagrarminister Schmidt von der CSU der Meinung, Glyphosat ist bei fachgerechter Anwendung nicht gesundheitsgefährdend. Weil der Europäische Rat nicht entschieden hat, muss die Kommission entscheiden. Dann werden die CSU bzw. Seehofer wieder aufschreien, wie die Kommission gegen die Bürger entscheidet. Er wird nicht sagen, dass sein Minister in Berlin wesentlich mit dafür verantwortlich ist, dass die Kommission entscheiden musste.
egal vom ausland, Dienstag, 28.Juni 2016, 10:35 Uhr
2. Britxit
Jetzt den Britten irgendwelche Auflagen zum EU Austritt machen? Deutsche Allmachtsphantasterei. Das überlast mal den anderen Staaten-insbes. Frankreich. Bei den Briten geht vieles wie man beim Common Wealth mit 1,5 Mrd. Mitgliedern sieht. Geht aber nur wenn man der britischen Krone den notwendigen Tribut zollt. Österreichischer Strache traf sich zuvor mit Marie Le Pene und niederl. Wilders-Alles EU Gegner! Österreich ist der nächste Austritt wegen seiner Neutralität. siehe Art. 9a, Abs.1 und 2 ö. Bundesverfassungsgesetz. Möglicherweise könnte man sich mit UK auf einen Wechsel von der EU zum EWR einigen- in der Hoffnung
Antwort von Chaim, Dienstag, 28.Juni, 19:49 Uhr anzeigen
2.Britxit
@egal vom ausland
w e r macht denn den Briten (schreibt sich mit EINEM "t") irgendwelche Auflagen zum Austritt? Und w o erkennen Sie "deutsche Allmachtsphantasterei" - ausser Ihrer eigenen? Und was geht "vieles" bei den Briten beim Common Wealth? Dass sie die halbe Welt nicht mehr ausbeuten können? Bischen viel Phantasterei.
Antwort von Truderinger, Dienstag, 28.Juni, 20:37 Uhr anzeigen
Auflagen? Die Briten wollten raus, also sollten sie das jetzt schleunigst umsetzen! So einfach ist das!
Antwort von Schlaim, Mittwoch, 29.Juni, 01:09 Uhr anzeigen
Lassen Sie die orthographische Klugscheisserei. Sonst müsste ich ihren Beitrag ebenfalls redigieren. Ein "bißchen"... oder ein bisschen oder bischen?!