Heimat zu verkaufen Von sterbenden Dörfern und zerstörten Landschaften
Bayern ist Boomregion: der Lebensstandard ist hoch, die Arbeitslosenzahl niedrig, die Wirtschaft stark. Und das alles gekrönt durch eine traumhafte Natur. Doch wie geht es weiter mit Bayerns Landschaft? Wohin steuert das Heimatministerium mit seinem Landesentwicklungsprogramm? Gehört Bayerns Bilderbuchlandschaft bald der Vergangenheit an?

Bayern boomt nämlich nicht überall. Verlassene Dorfkerne, Leerstand, das gibt es in ganz Bayern, vor allem aber an den Landesgrenzen. Nötig ist eine differenzierte Förderung für schrumpfende Gemeinden genauso wie eine behutsame Landesplanung bei der Ausweisung von Gewerbegebieten und beim Umgang mit Naturschutzgebieten.
Es ist ein hehres Ziel in Zeiten des demographischen Wandels, das sich der Freistaat Bayern 2013 in die Verfassung geschrieben hat: Es sollen „gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land“ gefördert und gesichert werden. Dies umzusetzen ist die Aufgabe des Heimatministeriums und dabei federführend von Heimatminister Markus Söder. In seinem kürzlich erschienener Heimatbericht sieht er sich auf dem richtigen Weg.
"Der Heimatbericht hat klar gesagt, dass der ländliche Raum wächst. Natürlich ist die gesamtdemographische Situation von Geburten und Sterbefällen in Deutschland noch nicht perfekt. Aber was ganz wichtig war: Wir haben die Abwanderung aus dem ländlichen Raum gestoppt. Und das liegt auch nur daran, weil wir uns auch bewusst durch Infrastruktur für den ländlichen Raum positioniert haben."
Markus Söder, Heimatminister
Verlassene Dorfkerne
Erzählt man das den Menschen entlang der östlichen und nördlichen Landesgrenze, wird man wohl eher ein müdes Lächeln als Antwort erhalten. Dort kämpft man schon jetzt mit Bevölkerungsrückgang. Und die Prognosen sind düster. Denn: Mit der Wende wanderten die Firmen in die neuen Bundesländer ab, wo die staatlichen Fördermittel seither flossen. Die Folge: Die Jungen zogen in die Boomregionen, die Touristen blieben aus. Zurück bleiben leere Gemeindekassen. Und jede Menge leere Häuser.
Doch woher kommt die Diskrepanz bei den Zahlen? Ist der Heimatbericht geschönt?
"Herr Söder und sein Staatssekretär sagen ja selber, dass dieser Heimatbericht sozusagen ein politisches Papier ist. Das heißt, sie versuchen mit den Zahlen natürlich Erfolge zu verkaufen. Grundsätzlich, wenn man etwas dahinter schaut, sieht die Realität etwas schwieriger aus. Die Tatsache, dass wir jetzt in Oberfranken sogar leichte Bevölkerungszuwächse haben, das liegt zum einen an der Zuwanderung aus den osteuropäischen EU-Ländern und an dem starken Flüchtlingsstrom. Würde man diese herausrechnen, so wäre die Situation so wie davor: In weiten Teilen Schrumpfung."
Professor Manfred Miosga, Leiter der Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung am Institut für Geographie der Universität Bayreuth
Immer mehr Gewerbegebiete auf der grünen Wiese?
Das Unterallgäu ist ein beliebter Standort für Gewerbe – wegen der strategisch günstigen Lage und der Verkehrsanbindung. 40 Gewerbegebiete zählt der Landkreis mittlerweile. Besonders beliebt ist die Region bei internationalen Logistikunternehmen, die viel Fläche beanspruchen, aber wenig Arbeitsplätze bringen.
(K)Eine clevere Idee?
Manch einer, wie Landwirt Andreas Blank, beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge: Wiesen und Felder werden durch Gewerbegebiete verdrängt, fruchtbarer Humusboden seiner Nutzung entzogen. Ganz abgesehen vom Verlust an Attraktivität der Gegend. Die große Befürchtung: Durch die vom Heimatminister geplante Lockerung des Anbindegebots, könnte dieses Problem noch deutlich größer werden. Wird dies umgesetzt, können Gewerbegebiete auch ohne Anbindung an Ortschaften entstehen - zum Beispiel entlang der Autobahnen. Der erhoffte Geldsegen durch Gewerbesteuer könnte das Windhundrennen zwischen den Kommunen eröffnen – und die Bebauung dadurch eine besondere Dynamik bekommen. Und am Ende? Gewerbegebiete sind noch gar nicht ausgelastet, da werden schon weitere ausgewiesen. Und das, obwohl in Regionen wie dem Unterallgäu die Arbeitsplätze nach Ansicht des Landwirts gar nicht gebraucht werden: Hier bestehe heute schon Vollbeschäftigung.
Zahlen und Fakten
Seit über 30 Jahren sorgt das Landesentwicklungsprogramm in Bayern für die richtige Balance zwischen Landschaftserhalt und Wachstum. Markus Söder will nun das Landesentwicklungsprogramm in wichtigen Punkten verändern und ruft damit viel Unmut bei Geographen, Umweltverbänden und Naturschützern hervor.
Aufschwung contra Naturschutz?
Auch Naturschutzzonen sind nicht sicher vor einer Anpassung im Landesentwicklungsprogramm, wie das Beispiel von der Zusammenführung der beiden Skigebiete Obermaiselstein und Balderschwang am Riedberger Horn zeigt: Die Bevölkerung hat sich in einem Bürgerentscheid für die Verbindung ausgesprochen, obwohl sie nur durch Eingriff in ein Naturschutzgebiet realisiert werden kann. Die Staatsregierung plant nun, die Schutzzone herabzustufen, sodass eine Bebauung möglich wäre. Die Naturschutzverbände haben bereits angekündigt, dagegen zu klagen. Viele sehen die Not in dieser Region auch gar nicht so groß: Fast 200.000 Übernachtungen gibt es jährlich in Balderschwang.
"Ein Landesentwicklungsprogramm ist keine Bibel, sondern ist letztlich ein Instrument, ein flexibles Instrument. Und deswegen glaube ich an der Stelle, etwas mehr Demokratie in der Landesentwicklung, das hält Bayern schon aus."
Heimatminister Markus Söder zum Bürgerentscheid über einen Skilift
Demokratie oder Strategie?
Bleibt die Frage, ob man mit mehr Mitsprache der Bürger und der Tendenz, weitreichende landschaftsverändernde Entscheidungen in die Hände der Kommunen zu legen sowie der Aufweichung des Landesentwicklungsprogramms die Balance zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Landschaftserhalt bewahren kann. Manch einer vermutet dahinter eine Strategie, die vor allem auf die bevorstehenden Wahlen abzielt. Viele Bürger fürchten den Ausverkauf ihrer Heimat – statt einer behutsamen Entwicklung.
Fazit?
„Wenn es Orte gibt, aus denen die Menschen offenbar aus guten Gründen wegziehen und irgendwann der Letzte fortgezogen ist, dann sollte man das schlicht und einfach akzeptieren und auch sagen: Es gibt kein Grundrecht auf eine dauerhafte Besiedlung aller Orte, die offenbar nicht mehr attraktiv sind.“ Reiner Klingholz, Demographie-Experte
Kommentieren
EMGI, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 11:13 Uhr
9. Landschaft längs der A 92
Wenn man Mitte der 70ger von Deggendorf nach München fuhr, dann gab es nur die B 11 und keine Autobahn. Einzige größere Ansiedlung war BMW in Dingolfing. Heute zieht sich ein endloses Band von Flachmännern längs der A 92. Eine besch.... aussehende Industriehalle nach der anderen. Was hat das gebracht? Keine Ahnung. Meinen Eltern und mir ging es in den 70gern und 80gern bestens. Es blieb noch Geld übrig, das konnte man sparen und darauf gab es Zinsen. Heute ist alles vollgestellt. Wir gehören zu dem Teil der Bevölkerung, den man ausnehmen kann wie eine Weihnachtsgans und das passiert dann auch, denn wo soll sonst das Geld herkommen. Ganz klar: die beste Zeit war bis zur deutschen Wiedervereinigung. Man sollte mal darüber nachdenken, woran das lag.
Antwort von @EMGI, Mittwoch, 05.Oktober, 11:46 Uhr anzeigen
Hallo EMGI, ich wohne da. Aktueller Stein des Anstoßes ist das neue Gewerbegebiet Bruckberg/Gündlkofen.
Was heißt "Gewerbegebiet" an der A92? Die nächste BMW-Halle, genau.
Es wird wahnsinnig viel schöne und ertragreiche Fläche zerstört, für ein paar Handvoll Jobs in einer Region, die eh schon brummt wie ein satter Braunbär.
Schade um die Gegend. Capt'n Bavaria (=Söder) findet diese ganzen Industrieansiedlungen ja super.
ER sagt, das brächte Bayern voran. Die Einheimischen sehen das anders: Hier geht "Heimat" kaputt. Hauptsache, BMW ist zufrieden.
Antwort von GH, Mittwoch, 05.Oktober, 12:15 Uhr anzeigen
Blühende Landschaften waren nur für den Osten versprochen :-)
Im Westen blüht aber auch manches sehr kräftig, z.B. wunderschöne Gewerbehallen für Logistikunternehmen, damit z.B. der Normalverbraucher seine Amazon-Lieferung innerhalb 24 Stunden nach Bestellung bekommt...
Raymond, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 10:42 Uhr
8. Aufbauen und Abreissen ...
so ist es nun mal ...niemand wird sich mit Gewalt auf Dauer irgendwo ansiedeln lassen ...das Doerfer verschwinden hat es schon immer gegeben ....im uebrigen gibt es wohl schon mehr als genung Pendler die taeglich ihren Weg zu Arbeitsplatz bewaeltigen muessen .....wem ist da zu verdenken , das man sich eben dort eine Bleibe sucht .... was sicherlich auch andere Vorteile hat ..
Truderinger, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 10:15 Uhr
7.
Jetzt bin ich enttäuscht. Ich war mir sicher, Erich, da Wödmasta und diverses Federvieh erklärt mir, wie das mit dem Islam zusammenhängt:-D
Antwort von Nicht aus Trudering, Mittwoch, 05.Oktober, 12:35 Uhr anzeigen
Sie denken wohl, man liefert Ihnen ständig Futter, damit Sie hier weiter fließig austeilen können?
Antwort von derBÖSEwolf, Mittwoch, 05.Oktober, 12:50 Uhr anzeigen
@truderinger
ihre kommentare sind langsam aber sicher echt nur noch nervig... lassen sie das doch einfach!
Antwort von Diverses Federvieh, Mittwoch, 05.Oktober, 12:51 Uhr anzeigen
Aber gerne doch: Dadurch dass für die Menschen (die muslimischen Glaubens sind, also die Verbindung zum Islam) sehr viele Steuergelder aufgewendet werden müssen, bliebtweniger Gelder übrig, die für die abgehängten Einheimischen ausgegeben werden können.
Truderinger, Sie überraschen mich immer wieder positiv. Sie fordern Ihre Mitforisten tatsächlich auf, Ihre Meinung frei zu äußern, auch wenn deren Meinung nicht der Ihrigen entspricht. Um ganz ehrlich zu sein, aufgrund Ihrer Haßkommentare aus der Vergangenheit, ich hätte Ihnen soviel Toleranz gar nicht zugetraut.
Antwort von Sendlinger, Mittwoch, 05.Oktober, 13:21 Uhr anzeigen
Ooch, fehlen Ihnen wohl Ihre Spielkameraden?
Antwort von Geographische Null, Mittwoch, 05.Oktober, 15:13 Uhr anzeigen
Wo liegt eigentlich Trudering?
Antwort von Zorro, Mittwoch, 05.Oktober, 18:31 Uhr anzeigen
Mit dem Islam hängt das nicht zusammen, wohl aber mit einer unbegrenzten, unkontrollierten Zuwanderung. Polemik ist da nicht am Platz.
Richard Kattan, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 10:01 Uhr
6. Sendetermin 22 h
Höchst ärgerlich, dass ein Film zu einem höchst brisanten Thema zu einer so späten Sendezeit gebracht wird. Vielleicht will man dieses Thema dem sonst auf "Schöne Heimat unter unserem Himmel" getrimmten Publikum gar nicht zumuten....
Antwort von BR-Fan, Mittwoch, 05.Oktober, 11:04 Uhr anzeigen
@Richard Kattan
Vollkommen richtig @Richard Kattan
Solche und andere kritischen Sendungen sind den Zuschauern nur nach 22 Uhr zuzumuten.
Es könnte aber auch sein das man dies aus ganz anderen Gründen so macht.
Raten sie mal warum!
Antwort von Markus, Mittwoch, 05.Oktober, 13:39 Uhr anzeigen
Ich denke, dass es daran liegt, dass man dem "Otto-Normalo" weiterhin tolle Baufinanzierungen mit 20 bis 40 Jahren Laufzeit verkauft, während Großinvestoren sich diese Häuschen bzw. den Grund zu Schnäppchenpreisen kaufen, wenn in 10 Jahren der Preis passt, dort Siedlungen hochziehen und entsprechend vermieten. Denn wo Handel getrieben, oder produziert wird, bzw. sich eine geographisch gute Lage bietet lassen sich Menschen nieder. Das war zu Urzeiten schon so. Die eigentliche Information liegt in der "Zerstreuung".
Kritikerin, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 09:59 Uhr
5. "Volksverräter? Aber gerne doch!"
Wenn sich Teile der etablierten Medien so äußern, wie denken dann erst Teile unserer Politiker? Darf man sich dann wundern, wenn so vieles - wie z.B. auf dem Lamd - im Argen liegt?