Der Berg ruft

Stand: 17.05.2018

dpatopbilder - 17.05.2018, Bayern, Erlangen: Eine Besucherin der 263. Bergkirchweih trinkt während dem traditionellen Fassbieranstich aus einer Maß Freibier. Bis zum 28. Mai erwartet die Stadt rund eine Million Besucher auf dem Burgberg. Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Die Erlanger Bergkirchweih gilt als eines der ältesten und schönsten Bierfeste Deutschlands. Rund eine Million Besucher erwartet eine Kirchweih der besonderen Art.

Wer immer ein bisschen Zeit hat, setzt sich in den Schatten der urigen Bäume und genießt das süffige Festbier. Selbst der frühere Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) wusste diese Bequemlichkeit zu schätzen und verlegte einen Teil seiner Dienstgeschäfte an den Berg, wo "Stadtratsmehrheit und Opposition gleichermaßen auf harten Bänken" saßen. Und der Berg vereint sie alle: die Schönen und Reichen neben dem einfachen Volk, die Promis und Mächtigen zwischen Studenten und Arbeitern.

Die wichtigste Frage der Bergkirchweih lautet immer "links oder rechts?". Wer hinauf geht zum Berg, der sollte sich nämlich recht bald entscheiden, ob er nach links abbiegt, zu den Bierkellern mit Ausschank und Bierbänken im Schatten alter Kastanienbäume. Oder ob er nach rechts weitergeht zu den Los- und Schießbuden, Fahrgeschäften, Karussells und zu dem alles überragenden Riesenrad, dem neueren Symbol der Erlanger Bergkirchweih.

Bis 1999 gab es übrigens für die Studierenden der Uni Erlangen noch offiziell "Bergferien" - eine einwöchige, vorlesungsfreie Zeit. Der Grund war so einfach wie pragmatisch: Ein geordneter Uni-Betrieb war mit betrunkenen Studenten nicht möglich. Doch diese Ferien wurden 1999 abgeschafft. Übrig geblieben ist nur der vorlesungsfreie Dienstag in der Pfingstwoche, an dem viele Professoren mit ihren Mitarbeitern um die Mittagszeit auf den "Berg" pilgern. An diesem Bergdienstag haben auch viele Läden und Firmen in der Stadt geschlossen - man findet die Mitarbeiter auf der Bergkirchweih. Wie die Studis heute ihren "Bergschein" ohne Bergferien absolvieren, bleibt ihr Geheimnis. Für den (inoffiziellen) "großen Bergschein" müssen sie jedenfalls in zwölf Tagen zehn Bergbesuche absolvieren.

Stichwort: Erlanger Bergkirchweih

Die Erlanger Bergkirchweih gilt nicht nur als Deutschlands ältestes Bierfest, sondern auch als eines der schönsten. Die Berg-Besucher feiern auf den Terrassen vor den historischen Bierkellern im Schatten alter Kastanienbäume statt in großen Bierzelten. Dazu gibt es die üblichen Fahrgeschäfte und Buden der Schausteller.

Der Berch geht auf einen Beschluss des Stadtrats am 21. April 1755 zurück. Die Stadträte entschieden damals die Verlegung des Pfingstmarktes von der Erlanger Altstadt zum Burgberg. Der Beschluss wurde zur Geburtsstunde der Erlanger Bergkirchweih, die seit mehr als 260 Jahren immer um Pfingsten zwölf Tage lang auf dem Burgberg gefeiert wird.

Damit ist die Erlanger Kerwa nicht nur 55 Jahre älter als das Münchner Oktoberfest, sondern eigenen Angaben zufolge eines der ältesten Volksfeste der Welt.

Anekdoten rund um den "Berch"

Steinkrug

Steinkrug | Bild: BR-Studio Franken

Kampf den Plastikbierkrügen
Berg-Geschichte schrieben Plastikbierkrüge in den 70er-Jahren: Nachdem die Wirte einen übermäßigen "Krugverlust" durch Souvenierjäger hinnehmen mussten, entschlossen sie sich, das Bier in Plastikkrügen auszuschenken. Doch damit war schnell wieder Schluss: Junge Bergfreunde warfen die Krüge auf einen Haufen und setzten den Plastikberg in Brand. Die Tradition in Stein siegte über den Plastikwahn.

Wurst-Leasing

Die Kreuzerbratwurst
Einer Studentenlegende zufolge soll es in den vergangenen Jahrhunderten den Brauch der "Kreuzerbratwurst" gegeben haben. Arme Leute, die kein Geld für eine eigene Bratwurst hatten, konnten sich eine Wurst für einen Kreuzer quasi "leasen", um sie sich ein bis zwei Mal durch den Mund zu ziehen - wegen des "Geschmackserlebnisses". Fragt sich nur, wer so eine "vorbehandelte" Wurst dann noch essen wollte ...

Prügeleien

Blutige Schlägereien
Die Anfangsjahre des Bergfestes waren geprägt durch soziale Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Handwerksburschen. Die Studenten waren immer etwas privilegierter und hatten mehr Rechte. Den Handwerkern passte das nicht und sie wollten es den Studenten gleichtun. Da gab's zum Teil blutige Kämpfe, in einer Quelle ist sogar von Toten die Rede.

"Niedrigstehende Musik"

Mann bläst Trompete | Bild: BR-Studio Franken

Musikbelästigung anno 1900
Professoren, die Ende des 19. Jahrhunderts gerne und nobel am Berg wohnten, beschwerten sich bei der Stadt "ob der niedrigstehenden Musik". Der Senat leitete die Klagen an den Stadtmagister weiter. Dieser reagierte relativ gelassen und entgegnete: Ihm sei da noch nichts zu Ohren gekommen. Diejenigen Herren, die sich da beschwert hätten, möchten sich doch an ihn wenden. Gespielt wird noch heute ...

Versoffene Studis

Trinkfeste Erlanger
Noch vor Gründung der Bergkirchweih fand am "dritten Pfingstfeiertag", am Dienstag nach Pfingsten, ein Schützenfest mit dem sogenannten Vögeleszug zum Burgberg statt. Bei dieser Gelegenheit waren die Felsenkeller offen, vor denen schon damals das Bier ausgeschenkt wurde. Eine Quelle besagt, dass in Deutschland nirgendwo von den Studenten mehr Bier getrunken worden sei als in Erlangen.