NSU-Prozess


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127. Verhandlungstag, 15.7.2014 Zahlte der Verfassungsschutz dem NSU Geld?

Tino Brandt war 19, als Thüringer Verfassungsschützer auf ihn aufmerksam werden, er wird V-Mann. Vor dem OLG München behauptete Brandt nun, viel Geld vom Thüringer Verfassungsschutz erhalten zu haben. Ein Skandal - wenn es stimmt.

Von: Eckhart Querner

Stand: 15.07.2014 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

15 Juli

Dienstag, 15. Juli 2014

Sie nannten ihn Otto. Im Jahr 1994 hatten sie den Kontakt zu ihm aufgenommen und ihn zur Quelle VM 2045 gemacht: Otto. Für ein paar Antworten bekam er 200 Mark. Davon konnte er gut leben. Irgendwann legten sie ihm die Verpflichtungserklärung vor, er unterschrieb. Später wird er sagen: das war der Fehler meines Lebens.

Chefideologe der rechten Szene in Thüringen

Heute, 20 Jahre später, wird Tino Brandt von zwei Polizeibeamten in den Gerichtssaal des Münchner Strafjustizzentrums geführt. Am Zeugenstuhl nehmen sie ihm die Handfessel ab. Brandt ist seit ein paar Wochen Untersuchungshäftling, wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch und Zuhälterei. Aber darum geht es hier nicht. Brandt war in den 90-er Jahren ein führender Kopf der rechten Szene in Thüringen, so etwas wie der Chefideologe. Im so genannten Thüringer Heimatschutz hatte er häufig Kontakt zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Dazu wird er in München vernommen.

Als der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ihn fragt, wie denn der Kontakt zu den drei mutmaßlichen NSU-Terroristen entstanden sei, stöhnt Brandt auf und wird frech: „Wie ich sie kennengelernt habe, weiß ich nicht mehr so genau. Ist ein ziemlich langer Zeitraum dazwischen. Da müssen Sie die Frage schon genauer stellen.“ Bei anderen Prozessbeteiligten wäre Götzl rot angelaufen und hätte sich so eine Antwort verbeten, aber bei Brandt bleibt er ruhig und nachsichtig.

Keine Distanzierung von NS-Gedankengut

Brandt lässt bei der Befragung durch den Richter erkennen, dass er sich ideologisch nicht distanziert hat vom nationalsozialistischen Gedankengut. Er wünsche sich einen Staat, der politische Gruppen nicht durch Gesetze nicht einenge – Brandt meint den Volksverhetzungsparagrafen. Wenn man nämlich bestimmte Zahlen zu Konzentrationslagern anzweifle, komme sofort ein Ermittlungsverfahren.

Brandt schildert den Thüringer Heimatschutz als ein demokratisches Forum von Kameradschaften, wo diskutiert und abgestimmt wurde.

"Wir sind ja nicht als gewaltbereiter Jugendmob aufgetreten, wir haben diskutiert, wir wollten eine Veränderung über den politischen Weg erreichen."

Tino Brandt

Fast bekommt man den Eindruck eines Haufens von kreuzbraven jungen Leuten. Die Jenaer Gruppe, zu der Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gehörten, beschreibt Brandt als eine kleine Gruppe, die aber (ideologisch) gefestigt gewesen sei. Zschäpe nahm laut Brandt an weltanschaulichen Schulungen teil. Sie sei eher ruhig und zurückhaltend gewesen, aber sie habe über Fachwissen verfügt, zum Beispiel beim Thema Germanentum oder in Bezug auf den Nationalsozialismus. Bei Diskussionen habe sie etwas zum Thema beitragen können. Solche Äußerungen belasten Zschäpe, was ihren Anwälten nicht schmecken dürfte. Doch heute schreiben die drei Verteidiger nur mit, was Brandt sagt. In den nächsten Tagen, wenn der 39-Jährige weiter vernommen wird, werden sie versuchen, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern.

Staatsgeld an NSU gegeben?

Spannend wird es nochmal, als Richter Götzl auf die V-Mann-Tätigkeit Brandts zu sprechen kommt. Sieben Jahre hat Brandt für die Thüringer Schlapphüte gearbeitet. Vor Gericht erzählt er von der Zeit, als Zschäpe und die beiden Uwes untertauchten. Brandt sammelte Geld, um das Trio zu unterstützen, und konnte dabei offensichtlich auch mit der Großzügigkeit des Freistaats Thüringen rechnen. Mehrere Mal spendete nämlich auch das Landesamt für Verfassungsschutz: er habe, so Brandt, mehrmals Beträge zwischen 2.000 und 10.000 Mark direkt an die drei Untergetauchten weiter gegeben. Ein Skandal, erregen sich in der Verhandlungspause zu Recht verschiedene Nebenklage-Vertreter. Aber bei der weiteren Vernehmung von Brandt muss sich erst noch herausstellen, ob es wirklich so war.

Brandt alias Otto schildert die Verfassungsschutz-Behörde als eine Ansammlung von intern zerstrittenen Beamten. Was er seinen beiden Führungsoffizieren Günther und René erzählt hat, muss ihnen viel wert gewesen sein. Insgesamt soll Brandt vom Landesamt weit über 100.000 Euro erhalten haben. Und das ist wirklich ein Skandal. Wenn es stimmt.


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