Tino Brandt Neonazi und Ex-V-Mann
Tino Brandt war in den 1990er-Jahren einer der führenden Thüringer Neonazis mit besten Kontakten in die Szene, auch zum NSU-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. 2001 wurde Brandt als V-Mann des Verfassungsschutzes enttarnt.
Tino Brandt wurde 1975 geboren. Schon als Schüler stand er rechtsextremem Gedankengut nahe und verteilte Nazi-Aufkleber. In seinem Heimatort Rudolstadt rief er sogenannte "national befreite Zonen" aus. Später organisierte er Kundgebungen und Rechtsrock-Konzerte. Ende 1996 gründete er mit anderen Neonazis den "Thüringer Heimatschutz" und wurde Cheforganisator dieser Kameradschaft. Richard Dewes, damaliger Innenminister Thüringens, stufte den untersetzten Brandt als Schwergewicht der Szene ein:
"Ich halte ihn in Thüringen für die Nummer Eins der rechten Szene - und zwar nicht nur derjenigen, die sich parteilich begreifen, sondern auch derjenigen, die bereit sind, Gewalt anzuwenden, wenn es zum die Durchsetzung politischer Ziele geht."
Richard Dewes (SPD), Thüringens Innenminister 1994-1999
Während dieser Zeit lebte Brandt eine Zeit lang auch in Regensburg. Er versuchte, von dort aus die gewaltbereite Neonazi-Gruppe "Organisation Nationaler Block" mitaufzubauen.
Deckname "Otto"
Zum "Thüringer Heimatschutz" gehörten auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe - das Trio, das später als "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) bekannt wurde. Dabei ahnten sie nicht, dass Kamerad Brandt unter dem Decknamen "Otto" als V-Mann auf der Gehaltsliste des Thüringer Verfassungsschutzes stand. Der zahlte seinem angeblichen Topspitzel rund 200.000 D-Mark - Geld, mit dem auch Propagandamaterial hergestellt wurde, wie Brandt freimütig gegenüber der ARD einräumte:
"Es ist jetzt allerdings nur ein Bruchteil unserer letzten großen Aufkleber-Offensive in Thüringen - und auch diese sind finanziert worden durch die Gelder [des Verfassungsschutzes, Anm. d. Red.]."
Tino Brandt
Brandt engagierte sich gleichzeitig auch parteipolitisch. Er stieg 2000 zum Vizechef der Thüringer NPD auf. Im Sommer desselben Jahres war er in dem Bundesland führend am Aufbau der NPD-Jugendorganisation JN beteiligt. Der Verfassungsschutz hielt weiterhin schützend die Hand über seinen V-Mann, der 35 Ermittlungsverfahren schadlos überstand. Offenbar sei Brandt vor Polizeimaßnahmen gewarnt worden, meinte der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer in seinem Bericht zum Behördenversagen rund um den NSU:
"Die Beamten haben uns das sehr plastisch geschildert: sie kamen hin mit dem Durchsuchungsbeschluss, Tino Brandt empfing sie grinsend und sagte: hier findet ihr nichts. Tino Brandt hat ganz offen eingeräumt, vier- bis fünfmal sei er vom Verfassungsschutz vor solchen Durchsuchungen gewarnt worden."
Ex-Bundesrichter Gerhard Schäfer
2001 wurde Brandt als V-Mann enttarnt. Am 12. Mai des Jahres berichtete die "Thüringer Allgemeine", dass der Thüringer Verfassungsschutz den Neonazi seit mehreren Jahren als Spitzel geführt habe.
Geld für den NSU?
Brandt steht in Verdacht, zum 1998 untergetauchten NSU weiterhin Kontakt gehalten zu haben. Möglicherweise leitete er dem Trio mehrere Tausend D-Mark im Auftrag des Geheimdienstes weiter. Zumindest wollte das Brandt 2012 gegenüber dem Bundeskriminalamt nicht ausschließen. Regelmäßig soll es auch Telefongespräche zwischen Brandt und dem NSU gegeben haben. Davon hätte auch der Verfassungsschutz Kenntnis haben können - eineinhalb Jahre vor Beginn der Mordserie, die dem NSU zugeschrieben wird. Das grenze an Strafvereitlung, meint Bodo Ramelow, Fraktionschef der Thüringer Linken:
"Das Amt wusste: es gibt über eine Telefonzelle einen Kontakt - das zeigt mir, dass in diesem Amt niemals ein Gefühl dafür bestanden hat, dass diese Straftäter wirklich gefasst werden müssen."
Bodo Ramelow
Böhnhardt und Mundlos brachten sich im November 2011 selbst um. Zschäpe ist Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess.
Vorwurf des sexuellen Missbrauchs
Der heute 39-jährige Brandt sitzt seit einigen Wochen in Gera unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in Untersuchungshaft. Außerdem wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Zuhälterei eingeleitet. Er soll mehrere teilweise minderjährige Männer an Freier vermittelt haben.