NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 255. Verhandlungstag, 14.1.2016
Heute wird die Vernehmung von Ralf Wohlleben fortgesetzt. Wie bereits am Tag zuvor, kann sich der Angeklagte an viele Details nicht mehr erinnern.
Er habe das Trio dreimal nach deren Untertauchen getroffen, räumt Wohlleben ein, aber keine Waffe besorgt, weil er fürchtete, dass sich Uwe Böhnhardt damit umbringen würde. Andererseits ließ er zu, dass der Mitangeklagte Carsten S. eine Waffe für das Trio beschaffte. Mehrere Nebenklage-Vertreter bewerten nach der Vernehmung Wohllebens dessen Angaben als unglaubwürdig.
Zeugen:
- keine
ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal
(Tim Aßmann, BR)
Beginn 9.46 Uhr.
Es geht weiter mit Fragen des Gerichts an den Angeklagten Ralf Wohlleben.
(Eckhart Querner, BR)
Richter Manfred Götzl: Wollen Sie noch was zu gestern ergänzen?
Wohlleben: Nein, im Moment nicht.
G: zu Treffen mit Trio in Zwickauer Park.
W: Das muss zur Zeit der Enttarnung von Tino Brandt gewesen sein, Frühjahr 2001.
(Tim Aßmann, BR)
G: Bei Gespräch über Enttarnung mit Böhnhardt und Mundlos: War Frau Zschäpe dabei?
W: Frau Zschäpe war da auch anwesend.
(Eckhart Querner, BR)
G: Ist nach Brandts Kenntnis über ihren Aufenthaltsort noch gesprochen worden?
W: Ich vermute, ich habe gesagt, er hätte sicherlich nichts zu Aufenthaltsort gesagt. Vielleicht habe ich Brandt mal gesagt, die seien in Chemnitz.
(Tim Aßmann, BR)
W: Vermute, dass ich gesagt habe, er [Brandt] wird nix gesagt haben, sonst hätten sie euch schon lange gekriegt. Ist aus heutiger Sicht aber alles Spekulation.
G: Dachte, Sie hätten es für möglich gehalten?
W: Weil die gefragt haben, ob er was gesagt habe. Deshalb dachte ich, Brandt müsste gewusst haben, wo sie sich aufhalten. Aber, wie gesagt, ich habe da keine Erinnerung dran.
G: Welche Äußerungen kamen dazu von den dreien?
W: Ich weiß, dass Brandt Gesprächsthema war, weiß, dass die Drei vermuteten, dass jemand weiß, wo die drei sich aufhalten. Mehr weiß ich dazu nicht mehr.
(Eckhart Querner, BR)
G: Andere Themen bei diesem Treffen?
W: Ich erinnere keins. (Pause) Es kann sein, dass es darum ging, dass Beate sich stellen würde, und die anderen beiden sich ins Ausland abducken würden. Es kann Thema gewesen sein, dass ich Telefonate nicht mehr wollte, dass ich nicht für die Entdeckung verantwortlich sein wollte.
G: Welche Überlegungen der drei zu diesem Thema?
W: Wie gerade gesagt: Beate stellt sich, die anderen verstecken sich im Ausland.
G: Wie war der Gesprächsstand?
W: Ich wusste von den Bemühungen von Rechtsanwalt E. Er hatte aber keine Akteneinsicht. Es kann sein, dass das mal Thema bei Telefonaten gewesen sein könnte. Tino Brandt Thema? Bin ich mir sicher.
(Tim Aßmann, BR)
G: Zur Auswanderung der drei: Welche Länder im Gespräch?
W: Südafrika oder Südamerika war immer Thema, André K. hatte Kontakte nach Südafrika, dort wurde gefragt, ob es ginge, gab positive Rückmeldung, kam dann aber nicht dazu, weiß nicht warum.
(Eckhart Querner, BR)
W: Dann ging es nur noch drum, wie die beiden da runter kommen sollten. Und daran ist das wohl auch gescheitert.
(Tim Aßmann, BR)
G: Ob das konkret war oder nur Idee, wird mir aus ihrer Antwort nicht deutlich.
W: Ich weiß, dass es von Anfang an Bemühungen gab, ins Ausland zu gehen, aber wie konkret das war, weiß ich nicht. Ich musste damals auch nicht alles wissen, habe da keine Kenntnisse dazu.
G: Enttarnung Brandts. Wann war der Besuch in Zwickau?
W: Der muss kurz danach gewesen sein …
(Eckhart Querner, BR)
W: Kurz nach Enttarnung Brandts, Mai 2001. In der Folge gab es keinen Kontakt mehr. Auch nicht telefonisch. Auch nicht über irgendwelche andere Personen. Ich hatte drum gebeten, mich da rauszuziehen. Die haben gesagt: Das ist in Ordnung so, da gab es keine Diskussionen. Ich hatte Sorge, dass ich dann wieder einen Spitzel am Hacken haben würde.
G: War das Sich-Stellen von Frau Zschäpe Thema bei diesem letzten Gespräch?
W: Da hab ich keine Erinnerung dran.
(Tim Aßmann, BR)
G: Thema: Sich stellen. Hatten Rechtsanwalt T. und Böhnhardt angesprochen. Gab es Überlegungen von Böhnhardt, sich zu stellen?
W: Das ist ganz vage Erinnerung, dass ich bei T. im Büro saß und wir darüber sprachen, kann sein, dass Frau Böhnhardt dabei war, weiß es nicht mehr, wüsste nicht warum ich sonst dort gewesen sein sollte - außer zu dem Thema, zum Inhalt des Gesprächs habe ich überhaupt keine Erinnerung.
(Eckhart Querner, BR)
G: War dieser Punkt Thema mit Uwe Böhnhardt?
W: Das kann durchaus sein.
G: Wovon gingen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aus, wenn sie sich stellen würden, welche Konsequenzen das haben würde?
W: Gestern schon gesagt: acht bis zehn Jahre [Gefängnis] waren im Gespräch.
G: Wie oft telefoniert?
W: Überhaupt keine Erinnerung daran. Das kann wöchentlich gewesen sein, aber das ist reine Spekulation.
G: Über welchen Zeitraum übernahm Carsten S. diese Telefonate?
W: Das kann 1998 oder 1999 gewesen sein, bis 2000. Aber da habe ich keine Erinnerungen dran.
(Tim Aßmann, BR)
G: Was haben Sie über Lebensumstände der drei erfahren?
W: Kann ich nur spekulieren, keine Erinnerung dran, dass die mir was erzählt haben, hätte mich auch nicht interessiert, wollte ja so wenig wie möglich wissen, kann sein, dass die mir schon mal gesagt haben, wir wohnen in Einraumwohnung oder so … Ich habe keine Erinnerung, dass ich Informationen dazu hatte, ging davon aus, dass sie in Chemnitz wohnen.
(Eckhart Querner, BR)
G: Haben Sie sich mit einem/r der drei unterhalten, wovon sie leben?
W: Da habe ich keine Nachfragen gestellt.
(Tim Aßmann, BR)
G: Der dritte Besuch war in Zwickau …
W: Habe gedacht, dass ist Sicherungsmaßnahme … Werde das nicht weiter hinterfragt haben.
G: Haben die von sich aus mal was berichtet?
W: Habe ich keine Erinnerung dran … Weiß, dass am Anfang über Geldnot geklagt wurde, aber dann war das halt kein Thema mehr.
G: Zeitlich einordnen?
W: Im März 1999 hab ich ja die 500 D-Mark von Brandt noch genommen … Gab keinen Schnitt, ab dem gesagt wurde, wir brauchen nicht mehr … Kam halt keine Nachfrage mehr … Aber es kam ja auch kein Geld mehr … Spendenbereitschaft von unseren Leuten war ja nur am Anfang.
G: Um welche Beträge ging es?
W: Ja, also um die Geldsachen habe ich mich nicht gekümmert.
G: Warum dann Aussage zur Spendenbereitschaft?
W: Weil wir halt am Anfang noch Aufrufe gemacht haben, erinnere Rennecke-Abend, wo gesammelt wurde, muss ganz am Anfang gewesen sein, stand Behälter rum, "Kameraden in Not"? "Für die drei Untergetauchten"? Weiß nicht mehr.
G: Wer hat Behälter aufgestellt?
W: War Veranstaltung vom "Thüringer Heimatschutz", wer genau? Da könnte ich nur spekulieren.
(Eckhart Querner, BR)
G: Erinnerung an konkrete Beträge, die an Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt weitergeleitet wurden?
W: Nein. Nur an Beträge von "Pogromly"-Spiel. Uwe Böhnhardt hat gesagt, es gab Unstimmigkeiten in Zusammenhang mit K. Uwe Böhnhardt ärgerlich: das Geld für die Spiele sei nicht angekommen. Ich kann mich erinnern, dass das damals Gesprächsthema war. Laut K. ist das Geld aus einem Auto gestohlen worden, oder Ausweise oder beides. Auto war von Brandt.
(Tim Aßmann, BR)
G: Welche Rolle hat K. gespielt hinsichtlich Kontakten, Unterstützung?
W: K. nur am Anfang dabei, Telefonate … Und dann war der für mich irgendwie raus, aber warum …
W: Das Geld für Spiel hat er eingesammelt, Jürgen H. hat ja auch gesagt, er [K.] habe Geld übergeben, muss er ja irgendwo hergehabt haben …
(Eckhart Querner, BR)
G: Diese Geschichte mit André K. geht um Geld, das nicht angekommen ist. Ging es auch um Geld, was von André K. zum Trio kam, was angekommen ist?
W: Keine Erinnerung. Diese 500 Mark von Tino Brandt habe ich bekommen und an Carsten S. weitergegeben.
G: Sie hatten auch das Besorgen eines Motorrads erwähnt? Mit wem haben Sie deswegen telefoniert? Ist Ihnen von Uwe Böhnhardt gesagt worden, wofür er das brauche?
W: ETZ-Motorrad, DDR-Motorrad, war relativ leicht zu knacken.
G: Haben Sie nachgefragt?
W: Ich habe nie nachgefragt, wollte mich nicht verdächtig machen.
(Tim Aßmann, BR)
G: Sie sagten, im rechten Lager bekannt, dass sie Gewalt ablehnten?
W: Sieht man ja hier im Verfahren, sagt ja niemand, dass ich Gewalt ausgeübt hätte. War gängig, dass wir Leute dazu aufgerufen haben, auf Gewalt zu verzichten.
W: Wenn Carsten S. sagt, gab Telefonat von mir mit den anderen, ich hätte gesagt "die haben auf jemanden geschossen" - wir hätten sowas nie am Telefon besprochen, gab aber mal einen Vorfall in Südafrika, wo bei Schießübungen von anderen Personen jemand verletzt wurde, kann in Telefonat darum gegangen sein.
G: NPD-Schulung, 29. Januar 2000. Gespräche dort?
W: Habe an Schulung teilgenommen, auch eröffnet, mich um Örtlichkeit gekümmert, auch Brandts Geburtstag gefeiert, Gesprächssituation habe ich nicht in Erinnerung, meine angebliche Reaktion erscheint mir untypisch für mich, hätte das nicht öffentlich angesprochen … eher im Vier-Augen-Gespräch.
G: Erinnerung an die angesprochenen Personen? Christian K., Sandro T.?
W: Kenne die natürlich alle, aber keine Erinnerung, ob bei dem Treffen dabei, Edda Sch. war da, wollte nicht mal Spritgeld haben.
Pause bis 11.05 Uhr.
(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 11.15 Uhr.
G: Gab es denn Vorwürfe von Ihnen gegen K. wegen Geld?
W: Habe ihm das vorgeworfen, haben uns dann erstmal nicht mal mehr gegrüßt, hat sich irgendwann wieder eingerenkt, über das Thema ist später auch nicht mehr gesprochen worden.
G: Vorhalt: Zusammenstellung Erkenntnisse Bundesamt für Verfassungsschutz über Wohlleben, Götzl nennt Fundstelle.
Wohlleben-Verteidigung hat die Zusammenstellung nicht, muss nun noch kopiert werden.
Pause bis 11.40 Uhr.
(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 11.44 Uhr.
G: Vorhalt aus Blatt 111. Da heißt es: 29. Januar 1998: K.: Wohlleben und zwei andere hätten Kredite für Flüchtige aufgenommen, könnten keine weiteren aufnehmen.
W: Wäre gar nicht kreditwürdig gewesen, habe damals Lehre gemacht, 410 Mark, wäre nicht mal dispoberechtigt gewesen.
G: Kredite muss nicht unbedingt Institut heißen.
W: Ich kann's ausschließen, wie hätte ich den zurückzahlen sollen?
G: Vorhalt: Auftrag von Wohlleben an Brandt wegen Kontaktaufnahme mit Rechtsanwalt T., um Zschäpe zu vertreten.
W: Davon weiß ich nichts.
(Eckhart Querner, BR)
G: Blatt 112: Wohlleben bittet Brandt, im Raum Coburg anrufbare Telefonzellen zu benennen. Gespräch fand im März 1999 statt.
W: Kann sein, erinnere mich aber nicht.
(Tim Aßmann, BR)
G: Haben Sie Info, auf welchem Weg Geld an die drei gekommen ist?
W: Durch Überweisung von Carsten S. Ich habe im März Geld bekommen, er hat im April überwiesen, werden wohl die 500 gewesen sein, weiß nicht über welches Konto.
G: Vorhalt: "Zudem erfuhr Brandt von Wohlleben, dass die drei ihr Äußeres verändert hätten, nicht mehr wiederzuerkennen seien."
W: Also da habe ich gar keine Erinnerung dran … Böhnhardt hatte Oberlippenbart.
G: Vorhalt: "Wohlleben habe Kameraden in Sachsen gebeten, den Zustand zu überprüfen."
W: Hatte zu dem Zeitpunkt keine Kameraden in Sachsen, habe keine Ahnung, wie Brandt zu der Meldung gekommen ist.
G: Wie ist man denn jetzt mit K. umgegangen?
W: Ich weiß nicht, was Brandt da weitergegeben hat, wie Brandt sein Geld verdient hat … Ich habe mit K. gesprochen, dass es da Vorwürfe gibt … Er hat gesagt, dass Auto aufgebrochen wurde, Geld oder Ausweise verschwunden sind … Sache für mich erledigt … Vor anderen oder mit anderen nicht darüber gesprochen, sonst hätte man ja zugeben müssen, dass es da Geld oder Ausweise gab … So ist es nicht gewesen.
Mittagspause bis 13.10 Uhr.
(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 13.18 Uhr.
Wohlleben: Würde noch schnell was klar stellen.
G: Bitte!
W: Gab Gespräch, dass Böhnhardt sich erschießen wollte, nicht dass sich alle drei erschießen wollen.
Bundesanwaltschaft hat keine Fragen.
RA Jacob Hösl (Verteidiger Carsten S.): Herr Wohlleben, habe eine Frage: Am 16. Dezember 2000 hätten Sie sich für Ortschaftsrat interessiert, sagten Sie, und S. hätte Sie vorgeschlagen. Wie kam es dazu?
W: Habe nur Erinnerung, dass er mich vorgeschlagen hat, gab da so einen Zettel [Vordruck], kann sein, dass ich den vorher ausgefüllt habe, müsste ich spekulieren.
H: Wieviel Kontakt zu Jürgen H. im Vergleich zu Carsten S.? Können Sie das einordnen?
W: Kann ich nicht.
H: Nicht nachvollziehbar, dass Sie selber keine Anstrengung wegen Waffe unternehmen, weil Sie nicht wollen, dass Böhnhardt sich das Leben nimmt, aber Herrn S. nicht davon abhalten, die Waffe zu besorgen.
W: Bin nicht davon ausgegangen, dass es im "Madley" scharfe Waffe gibt.
RA Johannes Pausch (Verteidiger Carsten S.): Wem von den drei Treffen [mit dem Trio] erzählt?
W: Niemandem, hätte keinen Sinn gemacht.
P: Carsten S.?
W: Kann sein, dass ich Carsten das erzählt habe, weiß es nicht mehr.
(Zschäpe hat sich zu Wohlleben umgedreht, beobachtet ihn und Pausch.)
P: Vorhalt: "Es wurde dann entschieden, dass Carsten S. Telefonkontakt übernimmt" - Wer hat entschieden?
W: Keiner konkret.
P: Dann wäre Formulierung "es hat sich so ergeben" besser?
W: Wäre besser, ja.
RA Olaf Klemke (Verteidiger Wohlleben): Wohlleben wird keine Fragen von Nebenklage-Vertreter Hoffmann beantworten, weil wir meinen, dass dessen Mandantin keine Nebenklage-Berechtigung hat.
Pause bis 13.45 Uhr. Dann Fragen der Nebenklage.
Weiter um 13.48 Uhr.
RA Alexander Hoffmann (Nebenklage-Anwalt der Opfer des Anschlags in der Kölner Keupstraße): Ist Ihnen aus der Zeit 2000 Person mit Spitznamen "Ebi" bekannt?
Wohlleben schweigt.
Klemke: Offensichtlich hat jemand Probleme mit dem Gehör. Haben keinen Anlass zu reagieren.
Hoffmann: Würden Sie bitte das Passwort für zweite bei Ihnen sichergestellte Festplatte nennen?
RA Nicole Schneiders (Verteidigerin Wohlleben): Hatten ja schon mal gesagt, dass wir das nicht beantworten werden. Weiß nicht, ob wir den ganzen Nachmittag Fragen von Ihnen hören wollen. Die werden nicht beantwortet werden.
Hoffmann fragt weiter nach Passwörtern, keine Antwort.
Hoffmann: Dann wollen wir es dabei belassen.
RA Hardy Langer (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Mehmet Turgut): Sie hatten von Reise gesprochen und Personen aus Rostock in Trabant.
W: War Silvesterreise.
Das Jahr weiß Wohlleben nicht mehr, verweist aber auf Fotos von der Silvesterfeier bei den Asservaten.
L: Wie viele waren das aus Rostock?
W: Ein Pärchen.
L: War bei Waffen auch Munition dabei?
W: Da habe ich keine Erinnerung daran, kann's aber nicht ausschließen.
Langer fragt nun auch nach dem Festplatten-Passwort.
W: Sind keine anderen Daten drauf als auf Backup-Platte, allerdings mache ich das deshalb nicht, weil die Daten hier hemmungslos weitergegeben werden. Wenn die Daten beim Bundeskriminalamt verbleiben und nicht an die Verfahrensbeteiligten gehen, wäre ich bereit.
RA Angela Wierig (Nebenklage-Anwältin der Schwester des ermordeten Süleyman Tasköprü): Wissen Sie, warum sich die drei nicht gestellt haben?
Wo: Keine Erinnerung daran.
Wi: Warum Böhnhardt zum Waffenkauf nicht gesagt: No Way, nicht für Suizid?
Wo: Keine Ahnung. Ich wusste, dass ich für den Suizid nicht verantwortlich sein wollte.
(Eckhart Querner, BR)
RA Antonia von der Behrens (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Mehmet Kubasik): Ist Ihnen Person mit Spitzname "Ebi" bekannt?
W: Das könnten mehrere Personen sein: Nico E., Brüder E.
vdB: Zu SMS aus dem Jahr 2000. Text: "Von Ebi ist nichts mehr zu hören. Seit Wochen hat man nichts mehr gehört." - Von welchem "Ebi" ist die Rede?
vdB: Haben Nico E. oder Brüder E. bei der Unterstützung des Trios mitgewirkt?
W: Nein.
Keine weiteren Fragen von Nebenklägern.
(Tim Aßmann, BR)
Erklärung Sebastian Scharmer (Nebenklage-Anwalt der Kubasik-Angehörigen) zu Vernehmung Wohlleben: Interesse von Gamze Kubasik ist Aufklärung des Mordes, sie hätte viele Fragen an Wohlleben, ist aber überzeugt, dass nicht wahrheitsgemäß geantwortet werden würde, empfindet Wohllebens Darstellung von rechter Szene als "Friedensbewegung" mit ihm als "Nationalpazifisten" als Zumutung, sie erwartet nicht, dass ihm das jemand glaubt.
Erklärung Stephan Kuhn (Nebenklage-Anwalt der Keupstraßen-Opfer): Verwunderlich später und von Erinnerungslücken gescheiterter Versuch Aussagen von Carsten S. und Holger G. zu relativieren ist gescheitert.
(Eckhart Querner, BR)
RA Alexander Hoffmann: Wir sitzen hier und sollen beurteilen, welche Glaubhaftigkeit eine Aussage eines Angeklagten hat, die zunächst am 251. Verhandlungstag und danach abgegeben wurde. Deutlich, dass Aussage um bisherige Beweisaufnahme herumkonstruiert wurde, z. B. wegen zitierter Fundstellen. Das ursprünglich Geschriebene war noch viel stärker konstruiert als die mündliche Aussage. Deshalb ist früh abgegebene mündliche Aussage [also die von Carsten S.] sehr viel glaubwürdiger als die Aussage, die am 253. Tag kommt. Man wird die Aussage zu Lasten des Angeklagten nutzen können. Das zentrale Motiv der Waffenbesorgung, damit Uwe Böhnhardt sich umbringen könne, wurde erst zwei Verhandlungstage zuvor von Zschäpe eingeführt. Wenig glaubhaft. Wohlleben hat keine Angaben zu seiner Entlastung gemacht. Friedenstaube Wohlleben.
(Wohlleben hat seine straffe Haltung verloren und sitzt resigniert und zusammengesunken auf seinem Stuhl.)
(Tim Aßmann, BR)
Erklärung RA Antonia von der Behrens: Darstellung als Friedenstaube nicht glaubhaft, vielleicht sogar lächerlich. Angeklagter hat gewusst, dass eine Waffe mit Schalldämpfer dem Trio weitergegeben wird. Er hat versucht, die Szene zu entpolitisieren, aber Fakten geliefert, von denen wir wissen, dass sie die Radikalisierung der "Kameradschaft Jena" belegen.
(Eckhart Querner, BR)
Gründung eines handverlesenen Kreises. Bauen von Bombenattrappen, sogar mit TNT. Kameradschaft hatte also Zugang zu TNT. Wohlleben hatte Gerät, mit dem man Polizeifunk abhören konnte. Wusste von Garagenanmietung. Wusste von "Pogromly"-Spiel. Wusste von Schießübungen, auch wenn sie in Südafrika stattfanden. Wohlleben wusste also, was mit Waffe passieren würde.
RA Olaf Klemke: Im Gerichtssaal habe ich mehrere Demagogen erlebt. Bewertung insbesondere durch Rechtsanwältin von der Behrens völlig entstellend.
Verschiedene Nebenklage-Anwälte behalten sich Erklärung vor.
Dienstag als Verhandlungstag gestrichen, weil Befragung nun abgeschlossen ist.
Mittwoch weiter mit einer Zeugenbefragung und vor allem mit Zschäpe!
Schluss für heute.
Hinweis
Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.