NSU-Prozess


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Zschäpe-Antworten im NSU-Prozess "Ich war machtlos"

Krach im Gericht, Befangenheitsanträge, mehrstündige Pause: Lange wurde am 257. Verhandlungstag des NSU-Prozesses auf die geplanten Antworten von Beate Zschäpe gewartet - auf wesentliche neue Erkenntnisse jedoch vergeblich. Die Hauptangeklagte nannte aber Namen aus der ehemaligen Unterstützerszene.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 21.01.2016 | Archiv

NSU-Prozess: Zschäpe-Anwalt verliest schwammige Aussage

Etwa 50 Nachfragen hatte das Gericht an die Hauptangeklagte, nachdem diese im Dezember nach zweieinhalb Jahren Schweigen eine Erklärung abgegeben hatte. Für das Gericht war dabei aber Einiges offen geblieben: Näheres zum Zusammenleben mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, zur Herkunft von Waffen, vielleicht doch mehr Wissen über die Verbrechen des NSU? Die Antworten der 41-Jährigen wurden nun verlesen - von ihrem fünften Verteidiger Hermann Borchert.

Zschäpe gibt erneut die Mitläuferin ...

Beate Zschäpe zwischen den beiden Verteidigern ihres Vertrauens: Hermann Borchert (links) und Mathias Grasel

Die Hauptangeklagte gab an, dass Böhnhardt, mit dem sie zeitweise liiert war, zwar feindlich gegenüber Ausländern und Linken eingestellt gewesen sei - vor dem Mord an Enver Simsek habe sie jedoch die Gewaltbereitschaft der beiden nicht für möglich gehalten. Wie im Dezember betonte Zschäpe noch einmal, "deren Einstellung zu Waffen und Gewalt nicht geteilt" zu haben. Aber die beiden hätten sich von ihr nicht beeinflussen lassen - und sie habe im Gegenzug aufgegeben, Gegenargumente vorzubringen:

"Ich war machtlos."

Beate Zschäpe

Von dem Mord an Simsek im September 2000 hätten die beiden ihr erst drei Monate später erzählt. Danach sei "eh alles verkackt" gewesen, so Mundlos - also eine Rückkehr ins bürgerliche Leben nicht mehr möglich.

... und das Opfer

Zschäpe betonte außerdem ihre angebliche Abhängigkeit von Böhnhardt und Mundlos:

"Sie sagten mir nicht, was sie machen. Ich lebte isoliert. Sie wurden zur Ersatzfamilie, sie waren meine einzigen emotionalen Bezugspersonen. Es bestand die Gefahr, dass sich die beiden umbringen. Aus diesem Dilemma fand ich keinen Ausweg."

Beate Zschäpe

Über das Verhältnis zu ihren ehemaligen Freunden sagte sie:

"Ich habe Böhnhardt geliebt (...) Die beiden waren sehr gute Freunde, die sich blind aufeinander verlassen haben (...) Mein Verhältnis zu Mundlos war wie Bruder und Schwester."

Beate Zschäpe

Hauptangeklagte belastet André E.

Das sogenannte NSU-Trio war 1998 in den Untergrund abgetaucht. Auf die Frage nach den Unterstützern gab Zschäpe einige Namen aus dem damaligen Neonazi-Umkreis an, darunter auch den Mitangeklagten André E. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Susann habe er ab 2006 intensiveren Kontakt zum NSU gehabt. Die beiden hätten Bahncards, Ausweis und Krankenkassenkarte zur Verfügung gestellt. André K. bezeichnete sie als "guten Freund". Er habe die Erlöse aus dem antisemitischen "Pogromly"-Spiel erhalten. Die Idee zu diesem Spiel sei von Mundlos gekommen - angeblich allein, um damit Geld zu verdienen.

Keine Angaben zu Waffen

Zschäpe gab, Böhnhardt sei ein Waffennarr und leicht reizbar gewesen. "Er konnte regelrecht ausrasten", so die 41-Jährige. Sowohl er als auch Mundlos hätten ab einen bestimmten Zeitpunkt immer eine Waffe dabei gehabt, um sich einer Verhaftung entziehen zu können. Über die Mordpistole, mit der neun der zehn NSU-Opfer ermordet wurden, könne sie jedoch keine Angaben machen, so Zschäpe. Sie habe auch nie eine Waffe besorgt. Allerdings habe ein Anführer der Chemnitzer "Blood & Honour"-Gruppe eine Waffe beschafft, bei der auch von einem Schalldämpfer die Rede gewesen sei. Zschäpe sagte auch nichts zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn.

Befangenheitsanträge der Wohlleben-Verteidigung

Wohlleben-Verteidiger Wolfram Nahrath

Vor der Verlesung der Zschäpe-Antworten hatte die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben zwei Befangenheitsanträge gestellt. Auslöser des ersten waren Aussagen eines Zeugen und ein daraufhin entbrannter Streit zwischen dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl und der Wohlleben-Verteidigung. Der Zeuge, ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) Wiesbaden, hatte seine Ermittlungen zum sogenannten "Paulchen Panther"-Video des NSU geschildert. Laut Wohlleben-Verteidigung habe der Polizeibeamte dabei mehrfach Wertungen einfließen lassen. Das habe die Verteidigung beanstandet, worauf Götzl aber nicht reagiert habe. Die Situation im Gerichtssaal eskalierte, als Verteidiger Wolfram Nahrath sich zu den Ausführungen des Zeugen äußern wollte. Doch der Richter unterbrach ihn barsch - er habe ihm nicht das Wort erteilt.

Daraufhin kam es zu einer mehrstündigen Unterbrechung, in der die Wohlleben-Verteidigung ihren Antrag stellte - mit der Begründung: "Das Verhalten des Vorsitzenden lässt unseren Mandanten in Sorge, dass der Vorsitzende ihm und seiner Sache nicht unvoreingenommen und überparteilich gegenüber steht." Nicht nur am Donnerstag, bereits am Vortag habe Götzl die Verteidiger Wohllebens und Zschäpes mehrfach in scharfem Ton abgekanzelt. Das sei ein "Versuch der Verhinderung der Verteidigung". Die Bundesanwaltschaft kündigte an, den Antrag abzulehnen. Auch gegen Götzls Beisitzerin Michaela Odersky stellte Wohlleben einen Antrag - wegen angeblicher Geringschätzung seiner Verteidiger.

Mord um Mord dazugeschnitten - das NSU-Bekennervideo

DVD des NSU-"Paulchen Panther"-Bekennervideos

Der BKA-Beamte hatte zuvor zu seinen Ermittlungen zu dem vom NSU produzierten, fünfminütigen "Paulchen Panther"-Video, eine Filmcollage in zynischem Comic-Stil, ausgesagt. Dazu habe er etwa 500 Dateien auf einer sichergestellten Computerfestplatte ausgewertet. Laut dem Beamten konnte das BKA den Erstellungsprozess des Videos rekonstruieren. Die erste Fassung vom März 2001 sei mit der Laufschrift "NSU-Manifest" eingeleitet, beinhalte den Mord an Enver Simsek im September 2000 in Nürnberg und den Sprengstoffanschlag im Januar 2001 in der Kölner Probsteigasse.

Eine Fassung vom Oktober 2001 sei ergänzt um weitere drei Morde: an Abdurrahim Özüdogru im Juni 2001 in Nürnberg, Süleyman Tasköprü im Juni 2001 in Hamburg und Habil Kilic im August 2001 in München. Für die Sequenzen zu den Morden seien teilweise Tatortbilder und Zeitungsausschnitte verwendet worden. Die Fotos hatten wohl Böhnhardt und Mundlos selbst aufgenommen. Vom November 2001 gebe es eine Fassung, in der weitere "Taten" angekündigt werden. Nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 erhielten diverse politische, religiöse und kulturelle Einrichtungen sowie Presseorgane Kopien des Videos per Post - mutmaßlich versandt von Zschäpe.


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