NSU-Prozess


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144. Tag im NSU-Prozess "Der war der große Zampano in der Szene"

Letzte Woche hat der ehemalige V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes, Tino Brandt, im NSU-Prozess ausgesagt. Aber ist der Mann mit dem Decknamen "Otto" als Zeuge wirklich glaubwürdig?

Von: Mira Barthelmann und Tim Aßmann

Stand: 30.09.2014 | Archiv

Mandy S. nimmt heute erneut auf dem Zeugenstuhl im NSU-Prozess platz. | Bild: dpa-Bildfunk

Der Nachmittag dieses 144. Verhandlungstages im NSU-Prozess begann mit der Vernehmung einer ehemaligen Beamtin des LKA Thüringen. Sie durchsuchte am 26.1.1998 die Jenaer Wohnung von Beate Zschäpe. Die Zeugin konnte bestätigen, dass dort damals auch Waffen gefunden wurden.

Nebenklage: Verfassungsschutz hat vollständig versagt

In mehreren Erklärungen schilderten sowohl ein Opferanwalt als auch zwei Verteidiger ihre Einschätzungen zu den Aussagen des Zeugen Tino Brandt, der letzte Woche vor dem OLG München vernommen worden war. Brandt war ab den 90er Jahren eine der führenden Figuren in der thüringischen Neonazi-Szene und gleichzeitig wichtiger V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes.

Nebenklagevertreter Thomas Bliwier warf dem thüringischen Landesamt für Verfassungsschutz heute "vollständiges Versagen" vor. Das Landesamt habe die schweren Straftaten des NSU ermöglicht. Die Beamten hätten sich auf Brandt als Quelle eingelassen und gleichzeitig mit ihm vereinbart, strafrechtliche Belange bewusst herauszuhalten.

Der Verteidiger von Ralph Wohlleben, Olaf Klemke, konnte den Aussagen des Zeugen Brandt hingegen viel Entlastendes für seinen Mandanten entnehmen. So habe Brandt die Angaben des Zeugen André K. bestätigt: "Die jungen Leute, die im THS tätig waren, wollten keinesfalls Gewaltstraftaten begehen, sondern nur politisch aktiv sein." Brandt habe überdies André K. in dem Punkt bestätigt, dass es keinerlei Gewaltdiskussionen innerhalb des THS gegeben habe, "dass man überhaupt nicht auf Gewalt aus war."

"Tino Brandt ist ein notorischer Lügner"

Der Verteidiger von Zschäpe, Wolfgang Stahl, bezeichnete Brandt hingegen als "notorischen Lügner." Brandt habe selber einräumen müssen, "dass er seine Kameraden anlügen musste. Er hat auch das Landesamt belogen. Er hat eigentlich alle belogen mit denen er zu tun hatte." Die Angaben zu seiner Mandantin Zschäpe seien völlig unergiebig und widersprüchlich. Der Zeuge Brandt sei schlicht "unbrauchbar in Bezug auf Zschäpe".

Brandts V-Mann-Führer im Zeugenstand

Am Vormittag war Reiner B. in den Zeugenstand gerufen worden. Er sollte Brandt eigentlich sehr gut kennen. Denn er war vier Jahr lang einer seiner V-Mann-Führer. Von 1994 bis 1998. Brandt traf sich ein- bis zweimal in der Woche mit dem Beamten des thüringischen Verfassungsschutzes. Doch die Zusammenarbeit mit dem V-Mann, der den Decknamen "Otto" führte, liegt 16 Jahre und länger zurück.

Die Erinnerungen des Beamten an die Zeit - entsprechend spärlich. Ein Vorhaben der Szene ist Reiner B. dann aber doch im Gedächtnis geblieben: Es habe wohl Bestrebungen gegeben, das untergetauchte Trio nach Südafrika zu bringen. Gemeint waren Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe.

Konkurrenzdenken zwischen den Behörden

Brandt war kein unbeschriebenes Blatt als er vom thüringischen Verfassungsschutz angeworben wurde. Seit Mitte der 90er Jahre wurde in mehr als 30 Fällen gegen ihn ermittelt – unter anderem wegen Sachbeschädigung, Volksverhetzung und Landfriedensbruch.

Immer wieder habe der Verfassungsschützer seine Quelle darauf hingewiesen kein Propaganda-Material zu Hause zu lagern und seine Wohnung so herzurichten, dass es bei einer möglichen Durchsuchung keine Probleme gebe. Vor konkreten Hausdurchsuchungen habe der Verfassungsschützer seine Quelle aber nicht gewarnt.

Deutlich wurde an dieser Stelle, dass der Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht optimal war. "Da hat es ein Konkurrenzdenken gegeben", sagte der Zeuge.


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