NSU-Prozess: 232. Verhandlungstag Vorsitzender Richter macht Tempo
Der Fund einer DVD mit Prozess-Akten ist peinlich, doch entscheidender ist, dass das Gericht weitere Ermittlungen zu Hintermännern und Hintergründen der NSU-Morde ablehnt. Für die Nebenkläger ist es ein schlechter Tag in diesem Mammutverfahren.
Es beginnt mit einer Peinlichkeit: Das Fundbüro Köln-Ehrenfeld hat sich telefonisch bei Gericht gemeldet. Es sei eine DVD mit Nachlieferungs-Akten zum NSU-Prozess auf einem Kölner Gehsteig gefunden und im Fundbüro abgegeben worden. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl fragte nach, ob jemand im Saal A 101 eine DVD vermisse. Der Besitzer gab sich vor Gericht nicht zu erkennen.
Ermittlungen gegen einen Nebenklage-Vertreter?
Auch rügte Götzl einen Nebenklage-Anwalt aus Köln, der offenbar wenig Kontakt zu seiner Mandantin pflegt. Götzl drohte dem Anwalt Ermittlungen an. Bis morgen hat er Zeit, die Kontaktdaten der Nebenklägerin bei Gericht abzuliefern. Meral K. wurde bei dem Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße verletzt und soll als Zeugin im NSU-Prozess aussagen. Bereits zweimal blieb sie der Ladung fern. Ihr Anwalt gab an, dass sie für längere Zeit krank geschrieben sei. "Wir müssen mal weiterkommen in der Sache", schimpfte der Vorsitzende Richter Götzl, da der Anwalt bisher nicht einmal eine Krankmeldung beibringen konnte.
Zahlreiche Beweisanträge abgelehnt
Götzl ließ heute deutlich erkennen, dass er den NSU-Prozess zu Ende bringen will. Der Senat lehnte zahlreiche Beweisanträge ab. So wird es keine Nachermittlungen zum Mordfall an der Polizistin Michele Kiesewetter geben, um zu klären ob die in Heilbronn ermordete Kiesewetter wirklich ein Zufallsopfer war, wie die Anklage behauptet. Auch wird das Gericht nicht klären lassen, woher zwei Tatwaffen stammen. Nebenkläger hatten beantragt, einen Dortmunder Neonazi dazu zu befragen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl erklärte, das Gericht brauche diese Beweisermittlung nicht zur Klärung der Tat- und Schuldfrage. Nebenklage-Vertreter Sebastian Scharmer, der Angehörige des in Dortmund erschossenen Mehmet Kubasik vertritt, schließt daraus, dass das Gericht sich bereits zur Schuldfrage eine Meinung gebildet hat und der Senat beginnt, seine "Schreibtische aufzuräumen". Die Nebenkläger würden damit eines ihrer wichtigsten Ziele nicht erreichen – weitere mögliche Unterstützer des NSU ausfindig zu machen.