NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 252. und letzter Tag 2015 Das Hauen und Stechen beginnt

Im NSU-Prozess will der Angeklagte Ralf Wohlleben heute, am 252. und letzten Verhandlungstag 2015, erste Fragen des Gerichts beantworten. Die Nebenklage rechnet damit, dass er sich auf Kosten anderer Mitangeklagter von seiner Schuld freisprechen möchte.

Von: Sebastian Hesse

Stand: 17.12.2015 | Archiv

Ralf Wohlleben (links) und Carsten S. im Oberlandesgericht München | Bild: picture-alliance/dpa, Montage: BR

Als Wohlleben sich entschloss, nach 250 Prozesstagen doch das Wort zu ergreifen, da saß ihm vor allem eines im Nacken: Aussagen anderer Angeklagter, die ihn schwer belastet haben und unwidersprochen geblieben sind: dass er, Wohlleben, der Thüringer Ex-NPD-Funktionär, die Waffe besorgt und bezahlt hatte, mit der neun der NSU-Opfer getötet wurden. Habe er nicht, sagte gestern Wohlleben. Das aber nahm ihm Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer nicht ohne Weiteres ab:

"Wir haben eine andere Aussage eines weiteren Angeklagten gleich am Beginn des Prozesses gehört, von Carsten S. - und die widerspricht dem eklatant. Und nun muss das Gericht entscheiden, wem es glaubt. Und wenn man am 250. Verhandlungstag eine schriftlich vorbereitete Erklärung verliest, ist das etwas anderes, als wenn man ganz am Beginn des Verfahrens Frage und Antwort steht und ich denke, der Senat wird das schon zu würdigen haben."

Sebastian Scharmer, Nebenklage-Anwalt

"Gegenangriff" von Wohlleben

Der Anwalt von Carsten S., Jacob Hösl, hatte seinem Mandanten, einem Aussteiger aus der rechten Szene, von Anfang an geraten, alles auf den Tisch zu legen. Jetzt also der Gegenangriff, meint Hösl.

"Wir haben jetzt noch nicht ausreichend Zeit gehabt, die einzelnen Punkte mit ihm durchzugehen. Wir haben einige Punkte schon mit ihm erörtert, aber dem will ich jetzt nicht vorgreifen. Wir gehen auch davon aus, dass der Senat selber Fragen hat - wahrscheinlich auch solche, die wir auch stellen würden. Und dann muss man einfach sehen."

Jacob Hösl, Verteidiger von Carsten S.

Nicht nur Carsten S., auch der Angeklagte Holger G. hatte Wohlleben belastet. Da nun klassisch Aussage gegen Aussage steht, werden auch die Umstände mitgewertet, meint Nebenklage-Anwalt Stephan Kuhn zur Wohlleben-Aussage:

"Der sagt ja im Großen und Ganzen: Nein, so war's nicht und die anderen beiden erinnern sich falsch. Allerdings ist ja sehr auffällig, dass die beiden anderen sich selbst belasten, während er einfach nur substanzlos sagt: Nein, ich habe damit nichts zu tun."

Stephan Kuhn, Nebenklage-Anwalt

"Sich auf Kosten anderer freisprechen"

Auch Kuhns Kollege Bernd Max Behnke ist wenig überrascht über die jüngste Entwicklung:

"Die gegenseitige Belastung der Angeklagten ist sozusagen der Beginn dessen, was ich eigentlich schon in diesem Prozess seit langem erwarte: Einer will sich jetzt auf Kosten des anderen von seiner Schuld freisprechen. Man will versuchen, den anderen in irgendeiner Weise auch unglaubwürdig zu machen."

Bernd Max Behnke, Nebenklage-Anwalt

Gericht testet mit Fragen Wohllebens Glaubwürdigkeit

Heute bereits wird das Gericht versuchen, mit ersten Nachfragen genau diese Glaubwürdigkeit auf die Probe zu stellen. Jedenfalls ließ sich der Ankläger, Bundesanwalt Herbert Diemer, nicht aus der Ruhe bringen:

"Diese Einlassung ist ein Beweismittel unter vielen und muss mit den anderen Beweismitteln, die zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind, abgeglichen werden. Erst dann wird man sich ein Bild machen können und wird die Aussage bewerten können."

Herbert Diemer, Vertreter der Anklage

Vermutlich in den Plädoyers. Die werden jedoch noch auf sich warten lassen, denn die späten Wohlleben- und Zschäpe-Aussagen und deren Auswertung dürften den NSU-Prozess weiter in die Länge ziehen.


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