Neue Salafisten-Aktion in Bayern Sicherheitsbehörden beobachten "We love Muhammad"
Im November wurde die umstrittene salafistische Koranverteilaktion "Lies!" verboten. Nun ist ein neues Projekt in München und damit erstmals in Bayern aufgetaucht: "We love Muhammad" mit dem Prediger Pierre Vogel als Werbegesicht. Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Aber wie gefährlich und extrem ist die Aktion wirklich? Ein Austausch mit den Machern wirft viele Fragen auf.
Sie verteilen die Geschichte des Propheten Mohammed in Buchform – seit einigen Monaten bereits in Städten in Nordrhein-Westfalen, Hessen und der Schweiz. Sie kommen unangemeldet, betreiben keinen eigenen Stand. Ein Vorteil: Drucksachen dürfen ohne Genehmigung verteilt werden.
Wer steckt hinter der Aktion?
Die Macher von "We love Muhammad" kennen ihre rechtlichen Möglichkeiten. Sogar eine eigene App haben sie entwickelt. Darin tauchen nun Fotos auf, die Verteiler in der Münchner Innenstadt und damit erstmals in Bayern zeigen. Seit gut einem Monat sind sie immer wieder in München unterwegs - regelmäßig einmal pro Woche. Ein Teil von ihnen hat für die umstrittene deutschlandweite Aktion "Lies!" Korane verteilt. Sie ist erst im November letzten Jahres verboten worden. Viele Kämpfer der Terrormiliz IS und anderer dschihadistischer Gruppen waren vorher für "Lies!" aktiv.
Nun stellt sich die Frage: Ist "We love Muhammad" eine Nachfolgeorganisation von "Lies!"? Auf der Suche nach Antworten stößt man automatisch auf Pierre Vogel. Er ist das Werbegesicht der Aktion und jener Konvertit, den der Verfassungsschutz seit Jahren beobachtet.
Treffen mit dem Prediger in Köln
Im Januar trifft der Bayerische Rundfunk Pierre Vogel gemeinsam mit "We love Muhammad" in der Kölner Innenstadt. Von dem Treffen, so sagt er, erwarte er sich nichts Gutes. Trotzdem gewährt der drahtige und durchtrainierte Prediger einen Einblick in sein Umfeld. Am Ende solle der Reporter wissen, wer Pierre Vogel sei, so seine Begründung. Der Prediger kommt in schwarzer Sportjacke und spricht von Dawa, das steht für den "Ruf zum Islam": "Ich bin derjenige, der die Aktion unterstützt und die Ideen mit reinbringt. Diese Art der Dawa macht zehn Prozent unserer Arbeit aus. Das Wichtigste sind unsere Videos."
Der Prediger ist vor allem bekannt aus dem Internet. Mehr als 250.000 "Gefällt mir"-Angaben hat der Salafist auf seiner Facebook-Seite.
Der Bremer Islamwissenschaftler Hazim Fouad schrieb dem BR im September 2016 auf Anfrage, dass der Salafismus ein Weltbild vermittelt, "das in vielen Aspekten mit zentralen Elementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kollidiert":
"Als Ideologie der Ungleichwertigkeit fördert der Salafismus die sektenähnliche Abschottung seiner Anhänger von der Mehrheitsgesellschaft sowie die Schaffung von Feindbildern. Letzteres kann wiederum zur Legitimation von Gewalt dienen, daher sind die Grenzen zwischen nicht-militanten und militanten Strömungen stets fließend. Es ist kein Automatismus, aber die Rhetorik von Vogel bzw. die dadurch vermittelte Ideologie kann das Einfallstor für eine dschihadistische Radikalisierung darstellen."
Der Islamwissenschaftler Hazim Fouad in einem BR-Interview im September 2016
Polizei stört Verteilaktion
Pierre Vogel ist eine Identifikationsfigur und ist damit aus dieser Perspektive betrachtet das beste Werbegesicht, das man in salafistischen Kreisen finden kann. Vogel ist bekannt wie ein bunter Hund. Auf dem Weg durch die Kölner Innenstadt erkennen ihn viele Menschen, sprechen ihn an, winken ihm zu. Als er stehen bleibt, umringen ihn innerhalb weniger Minuten mehrere junge Männer und Frauen, wollen mit ihm ein Selfie machen.
In dem Moment fährt eine Streife der Kölner Polizei vor. Die beiden Polizisten sagen, die Versammlung um Pierre Vogel herum sei eine unangemeldete Kundgebung. Diese müsse nun abgebrochen werden. Vogel wirkt überrascht und gleichzeitig belustigt: "Dass viele Leute kommen, das passiert immer. Sobald sich der Erste getraut hat, dann kommen die Leute. Dass man mir unterstellt, dass es sich dabei um eine Kundgebung handelt, das ist mir noch nie passiert."
Bedrohter als Angela Merkel?
Die Verteiler, mit denen Vogel unterwegs ist, bewundern ihn. Für sie ist der 38-Jährige ein Mann des Friedens. "Wir wollen mit der Aktion zeigen, dass der Islam nichts mit Terrorismus zu tun hat", sagen sie. Eine Ansicht, die Vogel teilt und damit zu verstehen gibt, er werde zu Unrecht in die Ecke eines radikalen Salafisten-Predigers gedrängt. In der Tat hat er die Anschläge der Terrormiliz "Islamischer Staat" immer wieder als barbarisch gegeißelt, den IS sogar als "idiotischen Staat" beschimpft. Die Konsequenz: Der IS ruft jetzt zur Abschlachtung des Predigers auf. Vogels Haltung hierzu ist klar:
"Keiner ist in Deutschland so gefährdet wie ich. Es gibt keinen, der bei ISIS auf der Todesliste steht. Soweit ich weiß, geht das noch nicht mal Angela Merkel so."
Pierre Vogel
Gleichzeitig formuliert der Prediger aber auch eine Kampfansage an Anhänger der Terrormiliz, sollten diese ihn tatsächlich doch einmal attackieren. Er spricht von Notwehr, wenn er sagt, er sei auf Angriffe vorbereitet: "Wenn sich einer trauen sollte, wird viel Blut fließen."
Pierre Vogel und die Behörden
Auch jetzige IS-Kämpfer haben sich Videos von Pierre Vogel angesehen. Für sie war der Prediger ein Einstieg in eine äußerst konservative Lesart des Islam, bevor sie sich von ihm abwandten. Pierre Vogel wehrt sich: "Warum sind 99 Prozent meiner Anhänger hier geblieben, sind gegen Terrormismus und nur ein Prozent hat sich von mir abgewandt." Er sagt, die Sicherheitsbehörden hätten in den letzten Jahren Druck auf Moscheegemeinden ausgeübt und auf diese Weise vieler seiner Auftritte verhindert. So hätten die Behörden den Weg frei gemacht für die Rekrutierer des IS.
Pierre Vogel ist eine umstrittene Person, und deshalb wird auch ähnlich kontrovers über sein Projekt "We love Muhammad" diskutiert. Es lässt sich nicht so einfach und platt sagen, ob es sich tatsächlich um eine Nachfolgeorganisation der vom Bundesinnenminister verbotenen "Lies!"-Aktion handelt. Auch das Bundesinnenministerium antwortet auf eine BR-Anfrage sehr bedeckt.
"Mit dem Verbot der Vereinigung sind auch sämtliche denkbare Nachfolgeaktivitäten verboten. Vor diesem Hintergrund beobachtet die Verbotsbehörde das Geschehen nach einem Verbot, insbesondere mit Blick auf die Spezifika des jeweiligen Einzelfalles, mit großer Aufmerksamkeit. Zu Einzelfällen äußert sich die Verbotsbehörde generell nicht, unabhängig davon, ob diese überhaupt als Nachfolgeaktivitäten zu bewerten sind."
Aus einem Schreiben des Bundesinnenministeriums an den BR
Vogel und sein Freund Bilal Gümüs
Fakt ist: Die Planungen für "We love Muhammad" hatten längst begonnen, als die Koranverteilaktion "Lies!" verboten wurde. Zudem scheinen die Organisatoren bei der Auswahl der Verteiler anders vorzugehen. Bei "Lies!" durfte jeder mitmachen, der wollte. Nun müssen Verteiler einige Grundlagen vorweisen - zum Beispiel die Mohammed-Biografie lesen oder sogenannte Dawa-Kurse mit Pierre Vogel absolvieren. "Wir gucken halt genau drauf: Wer ist diese Person? Wie ist die Person? Wie denkt sie? Was ist in ihrem Umfeld?", sagt Bilal Gümüs, Hauptorganisator von "We love Muhammad" und derjenige, der das BR-Interview mit Pierre Vogel filmt.
Auch Gümüs ist umstritten. 2013 soll er einem 16-Jährigen bei der Ausreise nach Syrien geholfen haben, indem er ihm ein Flugticket in die Türkei buchte. Wenig später wurde der 16-Jährige als IS-Kämpfer getötet. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat Anklage gegen Gümüs erhoben. Noch ist aber offen, ob es zu einer Verhandlung kommt. Gümüs schweigt zu den Vorwürfen und verweist auf seinen Anwalt.
Möglichkeiten der "Deradikalisierung"
Die Sicherheitsbehörden haben natürlicherweise eine klare kritische Haltung zu Personen wie Bilal Gümüs oder Pierre Vogel und ihren Projekten. "Wir haben einige Fälle in unserem Bereich, wo wir wissen, dass Klienten aus unserem Programm sehr intensiv sich Videos von Pierre Vogel, die frei im Internet erhältlich waren, angesehen haben", sagt Holger Schmidt vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA). Schmidt leitet das "Kompetenzzentrum Deradikalisierung" im LKA. Rund 100 Fälle mit Sicherheitsrelevanz, darunter Syrien-Rückkehrer und IS-Sympathisanten, werden derzeit von vier Polizisten, einem Islamwissenschaftler und einer Psychologin betreut. In enger Zusammenarbeit mit dem zivilen Träger Violence Prevention Network, der Menschen, die im Begriff sind nach Syrien auszureisen, aufsucht. Immer wieder stellen sie fest: Straßenprojekte wie "We love Muhammad" haben eine Sogwirkung.
"Der wichtigste Punkt von jemandem, der vielleicht radikalisierungsgefährdet ist, ist der erste sogenannte Realweltkontakt. Die Berührungsängste eines Jugendlichen mit der Salafisten-Szene in Kontakt zu treten, werden im Rahmen solcher Verteilaktionen abgebaut."
Holger Schmidt, Kompetenzzentrum Deradikalisierung im LKA
Verfassungsschutz: "Verteilung nicht verboten, aber ..."
Auch dem LKA ist aufgefallen, dass "We love Muhammad" in Bayern angekommen ist. Teile der Münchner Gruppe gehörten zur letzten Generation der "Lies!"-Aktion in München und lösten sich von Anhängern der Terrormiliz IS. Letztlich erfolgte dieser Schritt aber zu spät. "Lies!" wurde wenig später verboten.
Nun also ein neuer Anlauf mit einer neuen Aktion, beobachtet von den Sicherheitsbehörden. Diese sind vor allem in Bayern bekannt für ihren strengen Blick. Gelten doch salafistische Prediger und Verteilaktionen als mögliche Durchlauferhitzer auf dem Weg nach Syrien, weil sie junge Menschen aufhetzen und ihnen das Gefühl vermitteln, sie müssten ihren Schwestern und Brüdern in Syrien beistehen.
Oder ist die Sichtweise zu einseitig? Noch klingt es abwartend, was Markus Schäfert, Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes, sagt: "Es ist auch nicht verboten die Propheten-Biografie zu verteilen. Aber man muss natürlich bei 'We Love Muhammad' darauf schauen, was bezweckt man damit. Geht es darum, Personen zu gewinnen, für die salafistische Szene?" Noch ist offen, wie sich die neue Verteil-Aktion entwickelt. Die Macher tun dem Vernehmen nach alles, dass sie nicht so wie "Lies!" verboten werden.
Kommentieren
Hallo, Dienstag, 18.April 2017, 23:16 Uhr
15. Das Problem sind nicht die Salafisten oder die AfD....
Wir haben eine durch und durch kranke Gesellschaft.
Wir sind die Meister der Doppelmoral.
Wir sind die Meister der Bürokratie.
Wir sind die Meister der faulen Kompromisse.
Wir sind die Meister des Lobbyismus.
Dass sich da viele Menschen nach einer anderen Gesellschaft sehnen, das ist normal.
"We love Muhammad" ist ein Angebot an die frustrierten Bürger unserer Gesellschaft.
Das Problem besteht nicht darin, dass es solche Angebote gibt, das Problem besteht darin, dass die Menschen in unserer Gesellschaft aktiv nach fremden Angeboten suchen.
Die AfD ist auch so ein Angebot.
Als ob die Menschen "verführt" oder "verhetzt" würden. Was für ein Quatsch! Die Menschen flüchten in den Islamismus und zur AfD!
Sie flüchten vor unserer kranken Gesellschaft.
In der Verfassung stehen die Lösungen (z.B. gleiche Lebensverhältnisse überall in der BRD) aber das will ja keiner!
Jeder will den besten Platz auf dem moralischen Misthaufen.
Antwort von R.B., Mittwoch, 19.April, 07:07 Uhr
@Hallo, 23:16 Uhr:
Ein sehr guter Kommentar!
Die einzige Hoffnung die ich habe ist, dass es nach dem "Sturm" wieder Ordnung geben könnte.
Wanda, Dienstag, 18.April 2017, 22:33 Uhr
14. Nur Prospekt-Verteiler
Stellt Euch eine solche Aktion mit christlichen oder andersreligiösen Werbern in einem islamischen Land vor !
Na, Ihr multi-kulti-Gutmenschen ?
Realo Ost, Dienstag, 18.April 2017, 18:03 Uhr
13. Warum lasst ihr denn überhaupt Männer in Nachthemden Werbung machen?
Tja, da kann man nur den Spruch schreiben, der auch für dieses leidige Geschehen bestens zutrifft:
Über Spanien lacht die Sonne, über Deutschland die ganze Welt!
Erich, Dienstag, 18.April 2017, 17:46 Uhr
12. Immer rein mit den Jungs!
Lieber bunt statt braun und sofort eine Lichterkette organisieren!
Antwort von Thomas, Dienstag, 18.April, 20:33 Uhr
super Erich, endlich ein guter Kommentar von dir, ich wusste doch, dass du irgendwann auch hinbekommst! Kam Ostern die Erleuchtung?
Selim, Dienstag, 18.April 2017, 15:43 Uhr
11. wenn er sagt, er sei auf Angriffe vorbereitet: "Wenn sich einer trauen sollte,
wird viel Blut fließen"
das ist eine klare Drohung die Notwehr zu überschreiten.
Größenwahn oder realistische Eischätzung seiner Möglichkeiten
gegen wen auch immer?