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Papst zum Brexit EU benötigt „gesunde Zwietracht“

Der Blick von Papst Franziskus auf den Zustand der Europäischen Union ist ein kritischer: „Es gibt etwas, was in dieser Union nicht funktioniert“, so Franziskus auf dem Rückflug von Armenien.

Von: Tilmann Kleinjung

Stand: 26.06.2016

Papst in Armenein | Bild: picture-alliance/dpa Osservatore Romano / Eidon

Papst Franziskus forderte, angesichts einer Arbeitslosenquote unter jungen Menschen, die in manchen Ländern über 40 Prozent liege, müsse die Union wieder die Kraft finden, kreativ zu werden. Und dazu sei auch eine „gesunde   Zwietracht“ von Vorteil, sagte der Papst auf die Frage, wie er denn den Brexit beurteile. Er fügte dann, um nicht missverstanden zu werden hinzu: Das Kind darf aber nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden.

"Für mich steht die Einheit immer über dem Konflikt, es gibt aber unterschiedliche Weisen der Einheit. Die Brüderlichkeit ist besser als die Distanz. Und die Brücken besser als Mauern."

Papst Franziskus

Der Papst schlug vor, die Strukturen der Zusammenarbeit in der Europäischen Union zu lockern. Möglicherweise sei es angebracht, über eine neue, freiere Form der Union nachzudenken, sagte er nach Angaben der römischen Tageszeitung "La Repubblica". Während seiner Reise nach Armenien hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche erneut die massenhafte Ermordung und Verfolgung von Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord  bezeichnet.

"Diese Tragödie, dieser Völkermord eröffnete leider die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts."

Papst Franziskus an der armenisch-türkischen Grenze

Die Reaktion der Türkei auf diese Aussage fällt wie erwartet aus: Der türkische Vizepremier Nurettin Canikli warf dem Papst „Kreuzfahrermentalität“ vor und nannte seine Äußerungen über den Völkermord „unglücklich“. Jeder habe das Recht zu protestieren, so Franziskus, allerdings habe er schon immer vom Genozid am armenischen Volk gesprochen. Es wäre ihm sehr seltsam vorgekommen, das in Armenien nicht zu tun. Er habe mit dieser Wortwahl niemanden beleidigen wollen. Für die Armenier sind die Worte des Papstes dagegen Balsam: Viele sind bis heute von der Verfolgungsgeschichte ihrer Familien und ihres Volkes traumatisiert. Und die Gefahr ist auch heute noch da: Ständige Drohungen von der Türkei und von der Seite Aserbaidschans.

Erster Genozid des 20. Jahrhunderts

Wegen des Konflikts um die Region Bergkarabach sind die Beziehungen Armeniens zu Aserbaidschan angespannt. Und das Verhältnis zur Türkei ist belastet wegen der unterschiedlichen Beurteilung des Völkermords, den der Papst bei nahezu jeder Gelegenheit in Armenien beklagte. In einer heute gemeinsam mit dem Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche unterzeichneten Erklärung wird die Ermordung von eineinhalb Millionen Armeniern der erste Genozid des 20. Jahrhunderts genannt.

Für Franziskus ist die Beschäftigung mit der Vergangenheit kein Selbstzweck: Er will daraus Lehren für die Zukunft ziehen, das hat er mehrfach betont. Deshalb sein eindringlicher Appell an die Jugend des Landes, gestern Abend beim Friedensgebet in Eriwan: "Schaut nach vorne!"

"Strebt danach, Friedenstifter zu werden. Nicht Notare des Status quo, sondern aktive Förderer einer Kultur der Begegnung und der Versöhnung. Gott segne eure Zukunft und gewähre, dass der Weg der Versöhnung zwischen dem armenischen und dem türkischen Volk wieder aufgenommen werde und der Frieden auch im Bergkarabach entstehen möge."

Papst Franziskus

Fast hat es den Anschein, als wollte der Papst die Armenier wachrütteln. Die Beschäftigung mit der leidvollen Vergangenheit kann keine Zukunftsplanung ersetzen.

Gute Beziehungen zur römisch-katholischen Kriche

In Armenien war der Papst Oberhaupt einer Minderheitenkirche. Nationalkirche ist die armenisch-apostolische Kirche, deren Wege sich schon früh von Rom getrennt haben und die dennoch mit der römisch-katholischen Kirche freundschaftliche Beziehungen pflegt. Außergewöhnlich gute Beziehungen. Franziskus war während dieser Tage Gast des Oberhauptes der armenischen Kirche, er nahm am Vormittag mit Katholikos Karekin an der Feier der Göttlichen Liturgie teil.

Am Ende des Gottesdienstes in Etschmiadzin bei Eriwan sprach Franziskus ein kurzes Grußwort und nutzte dieses für ein Bekenntnis zur Gemeinschaft der Kirchen.

"Sie haben mir in diesen Tagen die Türen Ihres Hauses geöffnet. Wir sind uns begegnet, haben uns brüderlich umarmt, haben gemeinsam gebetet und haben die Gaben, die Hoffnungen und die Sorgen der Kirche Christi, deren Herzschlag wir übereinstimmend wahrnehmen, miteinander geteilt. Und diese Kirche empfinden wir als eine."

Papst Franziskus

Für Franziskus ist klar: Nur wenn die Kirchen echte Gemeinschaft und Versöhnung vorleben, können sie von Staaten diese Versöhnung verlangen. Zum Abschluss seiner Reise ließ der Papst mit dem armenischen Katholikos zwei Friedenstauben aufsteigen - sie flogen in Richtung Türkei.


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