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Trotz FNS-Verbots Ein schlagkräftiger Neonazi-Dachverband

Das "Freie Netz Süd" war zeitweise die größte und aktivste Neonazi-Organisation Bayerns. Jetzt wurde es vom bayerischen Innenministerium verboten. Doch die braunen Kameraden waren vorbereitet, das FNS ist bereits weitgehend abgewickelt, die Nachfolgeorganisation steht bereit.

Von: Thies Marsen

Stand: 23.07.2014 | Archiv

Symbolbild: Demonstration von Neonazis in Wunsiedel | Bild: picture-alliance/dpa

Organisatorisch war das FNS schwer zu fassen - und das war durchaus beabsichtigt: kein Vorsitzender, kein Vereinsheim, keine Mitgliederlisten. Das FNS war vor allem ein Dachverband mehrerer sogenannter Kameradschaften - lose Zusammenschlüsse von Neonazis, denen Parteiarbeit wie bei der NPD zu langweilig und zu lasch ist. In den Kameradschaften versammelt sich der radikalste und militanteste Teil der rechten Szene. Um diese teils höchst unterschiedlichen und über den ganzen Freistaat verstreuten Gruppen zu bündeln, gründeten Neonazis um die erfahrenen nordbayerischen Kader Matthias Fischer und Norman Kempken 2008 das FNS, ganz offensichtlich als Nachfolgeorganisation der 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront (FAF).

Das FNS erweiterte sich bald weit über Franken hinaus und vernetzte schließlich Neonazis in ganz Bayern. In letzter Zeit ging vom FNS der Großteil aller Aufmärsche, Mahnwachen, Kundgebungen und Flugblattaktionen der rechten Szene aus. Und immer wieder auch Gewalt: Am Rande von Demonstrationen wurden Journalisten angegriffen und bespuckt, in Landsberg schlugen FNS-Aktivisten auf den grünen Landtagsabgeordneten Ludwig Hartmann ein. Fachleute warnten seit langem vor dem FNS. Die Staatsregierung blieb lange untätig, bis letztes Jahr sogar der Bayerische Landtag ein Verbot forderte.

FNS-Website stillgelegt

Der Druck auf die Kameraden wurde zuletzt so groß, dass das FNS Ende April seine wichtigste Waffe stilllegte: seine Homepage. Dort hetzten die Neonazis nicht nur regelmäßig gegen Migranten, Juden oder politische Gegner, dort warben sie auch für ihre Aufmärsche und Aktionen und veröffentlichten anschließend Berichte darüber. Und sie billigten mehr oder weniger offen Brandanschläge und Attentate: Als Rechtsextremisten etwa im Dezember 2011 - kurz nach dem Auffliegen des NSU - das Haus eines engagierten Antifaschisten attackierten und dabei sein Auto fast vollständig zerstörten, erschien auf der Homepage des Freien Netz Süd ein hämischer Artikel unter der Überschrift: "Kristallnacht für 'Anti-Rechts-Sprecher' in Weißenohe".

Verantwortlich für die Homepage zeichnete ein bekannter Neonazi aus Teising im Landkreis Altötting. Er wurde erst unlängst verurteilt, weil er Fotos von Polizisten im Internet veröffentlicht hatte. Seit knapp drei Monaten allerdings wurde die inzwischen abgeschaltete Homepage nicht mehr aktualisiert. Viele Aktivisten hätten sich aus persönlichen oder beruflichen Gründen zurückgezogen, so die Begründung. Man könne den "selbstgegebenen publizistischen Ansprüchen" langfristig nicht mehr genügen.

Neonazis zogen rechtzeitig Reißleine

Vermutlich aber haben die braunen Kameraden ganz einfach rechtzeitig die Reißleine gezogen und sind dem Verbot zuvorgekommen. Denn dass das FNS verboten wird, war spätestens seit einem Jahr klar. Damals, im Juli 2013, hatten rund 700 Polizeibeamte in ganz Bayern rund 70 Objekte des FNS durchsucht mit dem erklärten Ziel, Beweise für ein Verbotsverfahren nach dem Vereinsrecht zu sammeln. Im Visier der Fahnder war damals auch die inzwischen aufgelöste Nazi-Wohngemeinschaft im Münchner Stadtteil Obermenzing, die als "Braunes Haus" bekannt geworden war und wo neben verurteilten Rechtsterroristen wie Martin Wiese auch einer der Angeklagten im NSU-Prozess regelmäßig verkehrte.

Das bei der Großrazzia beschlagnahmte Material war denn auch ziemlich eindeutig: Nazifahnen und andere NS-Devotionalien, Rechtsrock-CDs und Waffen wie Messer, Schlagstöcke und Pistolen. Trotzdem dauerte es ein Jahr, bis das Bayerische Innenministerium das Verbot nun endlich erlassen hat. Das FNS habe "aggressiv-kämpferische, verfassungsfeindliche Bestrebungen" und sei eine Nachfolgeorganisation der 2004 verbotenen "Fränkischen Aktionsfront", heißt es nun aus dem Innenministerium.

In den frühen Morgenstunden des 23. Juli begann die Polizei damit, eine ehemalige Gastwirtschaft in dem kleinen Dorf Oberprex im Landkreis Hof zu durchsuchen. Dort hatten FNS-Aktivisten um den Kader Tony Gentsch ein "Nationales Zentrum Hochfranken" eingerichtet. Außerdem betrieb Gentsch dort gemeinsam mit dem Fürther Neonazi Matthias Fischer einen extrem rechten Internet-Versandhandel. Das Grundstück ist laut Innenministerium nun beschlagnahmt worden.

Ausweichpartei "Der Dritte Weg"

Der Verlust ihres "Nationalen Zentrums" dürfte die Neonazi-Aktivisten durchaus schmerzen, zumal jüngst bekannt geworden ist, dass Matthias Fischer Franken verlässt - auch sein Haus in Fürth war jahrelang Anlaufpunkt der Szene, dort wurden Aktionen vorbereitet, Schulungen abgehalten usw. Die nordbayerische Kameradschaftsszene hat also binnen weniger Wochen gleich zwei wichtige Treffpunkte verloren.

Organisatorisch aber hatten sich die Neonazis schon länger auf das Verbot eingestellt. Seit über einem Jahr sammeln sich sie sich in der neuen Kleinstpartei "Der Dritte Weg". Schon bei einem rechtsextremen Aufmarsch vergangenen Herbst in Wunsiedel dominierten Fahnen der neuen Partei, seitdem haben sich zahlreiche führende bayerische Neonazis für den "Dritten Weg" stark gemacht, darunter Gentsch und Fischer, aber auch Rechtsterroristen wie Karl-Heinz Statzberger und Martin Wiese, die verurteilt wurden, weil sie unter anderem einen Anschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München geplant hatten.


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