Freies Netz Süd Neonazi-Organisation verboten
Das Bayerische Innenministerium hat das rechtsextreme Freie Netz Süd (FNS) verboten. Am Mittwochmorgen (23.07.14) durchsuchten die Ermittler einen Treffpunkt der Neonazis in Oberprex. Dieser wurde nun ein für alle Mal geschlossen.
Das Verbot der rechtsextremen Organisation wird mit den "aggressiv-kämpferischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen" des FNS begründet. Das Netz sei eine Nachfolgeorganisation der 2004 verbotenen "Fränkischen Aktionsfront", heißt es aus dem Innenministerium. Es habe sich zum größten, kameradschaftsübergreifenden, neonazistischen Netzwerk in Bayern entwickelt.
Nähe zu NS-Regime
Die Nähe zur Programmatik des NS-Regimes soll das bei einer Durchsuchung aufgefundene Konzept mit dem Titel "Nationaler Sozialismus - Wer wir sind und was wir wollen" dokumentieren. Die Ermittler stellen hierbei einen Gesellschaftsentwurf fest, der sich an das 25-Punkte-Programm der NSDAP anlehnt und teilweise mit diesem wörtlich übereinstimmt.
Auf Verbot vorbereitet
Für die Rechstradikalen kam das Verbot offenbar nicht überraschend. Seit knapp einem Jahr sammeln sie sich in der Organisation "Der Dritte Weg".
In der Partei betätigt sich neben den bisherigen Aktivisten auch Martin Wiese, der wegen eines geplanten Anschlages auf das jüdische Gemeindezentrum in München verurteilt worden war.
Grundstück und Versandhandel beschlagnahmt
Am Mittwochmorgen (23.07.14) wurde ein Grundstück in Oberprex durchsucht und anschließend beschlagnahmt. Die ehemalige Gaststätte hatte die Mutter von Tony Gentsch, einem der führenden Neonazis im Freien Netz Süd, 2010 gekauft. Hier bauten die Rechtsextremen einen Treffpunkt für Neonazis aus ganz Deutschland und Tschechien auf. Außerdem betrieb Gentsch zusammen mit dem Neonazi Matthias Fischer von Oberprex aus den rechtsextremen Versandhandel "Final Resistance", dessen Warenbestand ebenfalls beschlagnahmt wurde.
Gleichzeitig wurden sämtliche mit dem FNS zusammenhängenden Telefonnummern und E-Mail-Adressen von den jeweiligen Anbietern abgeschaltet. Damit ist es nunmehr unter Strafandrohung verboten, das FNS fortzuführen oder weiter in irgendeiner Weise zu unterstützen.
Kritik an Zeitpunkt
Die Reaktionen auf das Verbot des FNS fielen durchweg positiv aus. Vielen kommt der Schritt aber zu spät. Für den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Josef Schuster, ist das Verbot der Neonazi-Organisation "mehr als überfällig". Die Äußerungen und das aggressive Vorgehen der Mitgliedes des Netzwerkes in der Vergangenheit seien "eindeutig gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik gerichtet gewesen", so Schuster. Ähnlich sieht das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).
"Wir haben das Verbot des Freien Netz Süd lange gefordert, jetzt ist es endlich vollzogen. Durch das lange Zögern haben die Neonazis viel Zeit gehabt, im Hintergrund Ersatzstrukturen vorzubereiten."
Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern
Der Bayerische Landtag hatte sich bereits 2012 fraktionsübergreifend dafür ausgesprochen, das FNS zu verbieten. Die Staatsregierung müsse alle Möglichkeiten des Vereinsrechts ausschöpfen, um die Organisation auszuschalten, hieß es damals in einem einmütig beschlossenen Antrag. Die Opposition machte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wiederholt dafür mitverantwortlich, dass das Verbot so lange dauere. Ein Verbot sei längst überfällig.
Innenminister verteidigt lange Dauer bis zum Verbot
Herrmann verteidigte die lange Dauer bis zum Verbot des Neonazi-Netzwerks. Ein solches Verbot müsse "150-prozentig wasserdicht" sein, um möglichen gerichtlichen Überprüfungen standzuhalten, sagte er.
"Gut gemeint reicht für Vereinsverbote nicht aus - sie müssen auch gut gemacht sein. Da ging in dem Fall Gründlichkeit vor Tempo."
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)
Oberprexer atmen auf
Die Anwohner in Oberprex atmen indessen auf. "Es wäre ja zu schön, wenn hier endlich mal Ruhe einkehren würde. Es hieß doch immer, wir sind das Neonazidorf", sagte ein Mann, der die Polizeiaktion am Mittwoch (23.07.14) beobachtete. Ein anderer Dorfbewohner merkte an: "Hoffentlich ist die Beschlagnahmung des Hauses rechtlich unanfechtbar." Denn sollten die Neonazis eine rechtliche Lücke finden und dann geballt zurückkommen, wäre das "das Schlimmste, was uns passieren kann".
Razzien in ganz Bayern
Grundlage für das Verbot war nach den Worten Herrmanns die umfangreiche Razzia vor einem Jahr. Damals waren die Behörden mit einer der größten Aktionen, die es je gegen die rechtsextreme Szene in Bayern gegeben hatte, gegen das Freie Netz Süd vorgegangen. Bei der Aktion in allen Teilen des Freistaats hatten etwa 700 Polizisten und Verfassungsschützer mehr als 70 Wohnungen und Arbeitsstätten von führenden Rechtsextremisten durchsucht. Die beschlagnahmten Computer und Mobiltelefone hätten tiefe Einblicke in die internen Strukturen des FNS ermöglicht.
"Vernetzung der bayerischen Neonazi-Szene"
Der Verfassungsschutz hatte dem FNS zuletzt rund 20 Gruppen und bis zu 150 Rechtsextremisten zugerechnet. Das "Mobilisierungspotenzial" wurde im jüngsten Verfassungsschutzbericht mit etwa 300 Personen angegeben. Aktionsschwerpunkte waren demnach vor allem Franken, die Oberpfalz sowie Teile Nieder- und Oberbayerns. Ziel des FNS sei aber "die Vernetzung der gesamten bayerischen Neonazi-Szene" gewesen.
Andere Gruppen "sehr genau beobachten"
Das Verbot gilt allerdings nur für das FNS, nicht für die einzelnen Gruppen und Kameradschaften, die darin organisiert waren. Innenminister Herrmann und Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner kündigten an, die Aktivitäten dieser Organisationen weiter sehr genau zu beobachten.