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Neonazi-Doppelstrategie Zuhören und Zuschlagen

Auf "sauberes und korrektes Auftreten" ihrer Leute legen rechtsextreme Führungsfiguren großen Wert - inzwischen auch auf bürgernahes Engagement. Auf der anderen Seite tummeln sich in der Neonazi-Szene brutale Schläger.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 03.02.2014 | Archiv

Wunsiedel 2010: Kreidefiguren erinnern an Opfer rechter Gewalt | Bild: picture-alliance/dpa

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Gewalttätige oder gewaltbereite Neonazis und Skinheads in der rechten Szene gibt es viele. Doch mit einem Sauf-, Pöbel- und Schlägerimage kommt man bei der Masse nicht an. Das haben rechtsextreme Vordenker wie der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel erkannt und werben daher für das Konzept der "seriösen Radikalität" - mit gewissem Erfolg. In Sachsen sitzt die NPD seit 2004 im Landtag, Apfel war Fraktionsvorsitzender.

Wölfe im Schafspelz

Rechtsextreme als "Kümmerer": Treten scheinbar für sozial Benachteiligte ein.

Dementsprechend sind Neonazis heutzutage nicht selten dort anzutreffen, wo bürgernahes Engagement gefragt ist. So treten sie in Bürgerversammlungen als "Wortmelder" auf, die die lokalen Sorgen und Belange aufgreifen. Mit der Attitüde des netten Schwiegersohns setzen sie sich für Straßenausbesserungen, neue Wanderwege oder Jugendklubs ein, wettern gegen Hartz IV oder die Gesundheitsreform.

"(R)echte Kerle packen mit an": Hochwasser 2002 - Neonazis als Fluthelfer

Sie geben sich auch gern einen ökologischen Anstrich. Jedoch: Umweltschutz verstehen sie als Schutz der "deutschen Heimat", Blut- und Boden-Ideologie gelangt so durch die Hintertür wieder herein. Groß in Mode bei Rechtsextremen ist auch Kapitalismuskritik. Sie machen sich so scheinbar zum Anwalt von Globalisierungsverlierern und Armen und versuchen damit auch, neue Anhänger aus dem linken Spektrum abzuschöpfen. In Wirklichkeit steckt dahinter der antisemitische Uralt-Reflex, ein finanzstarkes "Weltjudentum" beherrsche verschwörungsartig alles und jeden.

Anti-Islamismus

Nicht verwirklicht: Moschee München-Sendling (Modell)

In die Rolle der "Kümmerer" schlüpfen Neonazis auch gern, wenn es um den Bau von islamischen Gotteshäusern geht. So wollte das Türkisch-Islamische Kulturzentrum München DITIM vor einigen Jahren im Stadtteil Sendling eine repräsentative Moschee im traditionellen Stil mit zwei Minaretten errichten. Der Islam wäre im Stadtbild deutlich sichtbar geworden - in diesem Fall ausgerechnet gegenüber einer katholischen Kirche. Aber genau das wollten viele Sendlinger nicht hinnehmen und protestierten gegen das Projekt. Rechtsextreme nutzten diese Stimmung aus und traten - etwa auf Bürgerversammlungen - als Fürsprecher der Sendlinger Interessen auf. Dahinter stand blanker Anti-Islamismus der Neonazis. Am Ende wurde die Moschee nicht gebaut.

Mittlerweile gibt es einen neuen Plan für ein großes islamisches Kulturzentrum in München. Dagegen wird ganz offen von der 2010 gegründeten, rechtspopulistischen "Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie - Die Freiheit" agitiert. Michael Stürzenberger, seit 2013 Bundesvorsitzender der Partei, tritt regelmäßig in München bei Kundgebungen auf, um seine von Islamhass geprägten Thesen zu verbreiten.

Täglich Opfer rechter Gewalt

Faustfeuer-, Lang- und sogar Kriegswaffen: Polizei präsentiert bei einer Razzia in der rechten Szene sichergestellte Waffen.

Die Strategie der "Wölfe im Schafspelz": nicht Abgrenzung von der, sondern Anschluss an die Bevölkerung für mehr Akzeptanz - oder: "taktische Zivilisierung", wie Experten das bezeichnen. Zu dieser Methode passt auch, dass sich Neonazi-Führungsfiguren gern öffentlich von Gewalt distanzieren. Doch die Brutalo-Fraktion muss nicht wirklich befürchten, eingebremst zu werden, wie Statistiken zeigen: Durch rechtsextreme Gewalt werden laut Opferverbänden in Deutschland jeden Tag mindestens zwei Menschen schwer verletzt.


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