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Europa - Heimat für Neonazis

Auf dem rechten Auge hellwach Europa - Heimat für Neonazis

Stand: 27.05.2014

In einem Auge spiegeln sich die wutverzerrten Gesichter von Neonazis | Bild: colourbox.com; picture-alliance/dpa; br; montage:br

Die Zutaten extrem rechter Ideologie sind stets die selben: Rassismus, Gewalt, Sehnsucht nach einem starken Führer, Hass auf alles, was nicht ins eigene Weltbild passt. Doch das Gewand, in dem diese Ideologie daherkommt, wandelt sich ständig. Deshalb gilt: Hellwach sein auf dem rechten Auge.

Von: Thies Marsen

Bislang sind die Versuche rechtsextremer Parteien, auf europäischer Ebene eine langfristige Zusammenarbeit zu etablieren, gescheitert. Kein Wunder: Die Nationalisten aller Länder eint vor allem der feste Glaube daran, dass die jeweils eigene Nation etwas Besseres sei. Da ist es natürlich schwer, eine gemeinsame Linie zu finden. Ob es nach der Europawahl nun klappen wird, eine gemeinsame rechte Fraktion im Europarlament zu bilden, muss sich zeigen. Doch unabhängig davon, wie und ob sich die extrem Rechten in Straßburg zusammenfinden werden – nicht parteilich organisierte Neonazis arbeiten schon lange international zusammen. Insbesondere bayerische Neonazis unterhalten enge Beziehungen ins europäische Ausland. Und einiges deutet daraufhin, dass sie dort auch Straftaten begehen.

„Türkenrass ab ins Gas“

Denkmal in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (Oberösterreich). In dem Konzentrationslager und seinen Außenlagern wurden 100.000 Menschen ermordet.

Direkt hinter der bayerischen Grenze, in den österreichischen Bundesländern Salzburg und Oberösterreich, häufen sich derzeit Schmierereien und Schändungen von Mahnmalen. So wurde die KZ-Gedenkstätte Mauthausen von Neonazis verunstaltet – kurz vor der alljährlichen Gedenkfeier anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers. „Türkenrass ab ins Gas“ schmierten Unbekannte auf einer Länge von 20 Metern auf eine Mauer im ehemaligen KZ. Auch in Salzburg vergingen sich Neonazis an einer Gedenkstätte, hier beschmierten sie das Mahnmal, das an die Opfer der Euthanasie erinnert und zerstörten es teilweise. Natürlich hat unser Nachbarland auch seine eigenen Neonazis. In der Österreichischen Presse wird indes inzwischen darüber spekuliert, ob die Hintermänner der Taten nicht aus Bayern stammen, genauer: aus dem Spektrum des Neonazi-Netzwerks "Freies Netz Süd", gegen das hierzulande derzeit ein Verbotsverfahren läuft.

Neonazi-Zusammenarbeit über Grenzen hinweg

Ein Verdacht, der nicht von der Hand zu weisen ist. Wie eng die braunen Verbindungen zwischen Österreich und Deutschland sind, zeigt ganz aktuell eine Reihe von Prozessen, die vor dem Landgericht im oberösterreichischen Wels stattfinden, hierzulande jedoch kaum Beachtung finden. Es geht um einen Neonaziverein namens „Objekt 21“, der sich in einem Haus in Desselbrunn im Bezirk Vöcklabruck zusammenfand. Mitglieder des Vereins machten Rotlichtgeschäfte, sammelten Waffen und verbreiteten Nazi-Ideologie. Insgesamt rund 150 Neonazis standen mit dem „Freizeit- und Kulturverein“ in Kontakt. Im mit SS-Runen verzierten Keller des Gebäudes wurde gemeinsam gefeiert und Neonazibarden wie dem „Reichstrunkenbold“ gelauscht, der dort Textzeilen grölte wie: „In Buchenwald, in Buchenwald, da wird kein Jude richtig alt. Fiederallala, fiederallala, fiederallalalala.“

Hintergrund zu "Objekt 21"

Neonaziverein "Objekt 21"

Der „Reichstrunkenbold“ alias Philip T. stammt übrigens aus Deutschland, genauer aus Hessen, und er ist nicht der einzige deutsche Neonazi, der regelmäßig in Oberösterreich zu Gast war. Einige wohnten dort sogar, wurden als verurteilte Straftäter nach ihrer Haftentlassung regelrecht gecastet und eingeladen. Einer der Angeklagten, die sich vor dem Landgericht Wels verantworten mussten, hatte auf seinem Handy mehrere Telefonnummern bayerische Neonazis gespeichert. Und auch sonst hatten bayerische Neonazis offenbar engen Kontakt mit dem Verein „Objekt 21“. Wie aus der Antwort des bayerischen Innenministeriums auf eine Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Katharina Schulze hervorgeht, gab es in Bayern zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen „Personen, die nach polizeilicher Erkenntnis mit der Organisation ,Objekt 21' in Verbindung stehen bzw. in Verbindung gebracht werden“. Die Palette der Straftaten reicht von Fahren ohne Führerschein über Drogenbesitz, bis zum Verbreiten von Neonazipropaganda, Waffenbesitz und schwerer Körperverletzung.

Fragwürdige Solidaritätsaufrufe

Auch thematisch haben extrem Rechte aus Bayern sich immer wieder mit Österreich beschäftigt, so gibt es auf den einschlägigen Neonaziseiten regelmäßig Aufrufe zur Solidarität mit dem notorischen Neonazi Gottfried Küssel, der in Österreich derzeit ein Haftstrafe absitzt. Die Zusammenarbeit reicht freilich weit über die Alpen hinaus. Mehrfach reisten bayerische Aktivisten nach Italien, um Konzerte im Veneto oder das faschistische Hausprojekt Casa Pound in Rom zu besuchen. Auch mit der griechischen Neonazipartei „Goldene Morgenröte“ gibt es einen regen Austausch.

Besonders gut versteht man sich zudem mit braunen Gesinnungsgenossen in Ungarn. Fast jedes Jahr fahren bayerische Neonazis im Februar zum sogenannten „Tag der Ehre“ nach Budapest, um dort vor Transparenten der verbotenen Neonaziorganisation „Blood and Honour“ zu posieren und anschließend bei Rechtsrock-Konzerten so richtig die Sau rauszulassen, Hitler-Gruß und Sieg Heil-Gegröle inklusive. Mit dabei: Kader wie der Fürther Matthias Fischer und Norman Bordin aus Ottobrunn und der Liedermacher Manfred Edelmann alias Edei aus Piding im Berchtesgadener Land, der Lieder wie „Bomben auf Israel“ anstimmte.

Die europäischen Nationalisten verstehen sich erstaunlich gut, so lange sie sich auf einen gemeinsamen Feind einigen können: Migranten, Flüchtlinge, Juden. Umso wichtiger ist es, dass Sicherheitsbehörden, aber auch Medien und Öffentlichkeit die braune Internationale wahr- und ernstnehmen.