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"Terror in Frankreich" Die dritte Generation der Dschihadisten

Wie sieht er aus, der "neue Dschihad", der Europa heimsucht und besonders Frankreich? Gilles Kepel ist ein Fachmann, was diese Frage betrifft. Er ist selbst im Visier der Islamisten, seit Jahren beschäftigt sich der Soziologe und Islamwissenschaftler mit dem Thema. Kepel hat darüber mehrere Bücher verfasst. Sein jüngstes, "Terreur dans l'Hexagone", erscheint heute unter dem Titel "Terror in Frankreich" auf deutsch.

Von: Barbara Kostolnik

Stand: 14.09.2016

Gilles Kepel | Bild: picture-alliance/dpa

Für einen Mann, der unter Polizeischutz steht und mit dem Tode bedroht wird, ist Gilles Kepel erstaunlich gelassen:

"Wir sind etwa 30 in Frankreich - Abgeordnete, Journalisten, Intellektuelle, die die Terrormiliz zum Tode verurteilt hat. Wir stehen auf einer Liste unter der Überschrift 'Ziele für einsame Löwen'."

Gilles Kepel, französischer Schriftsteller und Dschihad-Experte

Einsame Löwen, nicht einsame Wölfe. Von der "Einsame-Wolf-Theorie" hält Kepel im übrigen nichts: Immer gebe es ein Netzwerk um die Attentäter, nie handelten sie ganz allein.

Ein Mann, der sich Feinde macht

Wir befinden uns in Kepels Dachgeschoss-Büro in der Elitehochschule "Normale Sup". Kepel serviert Konfekt aus dem Iran. Das Lieblingskonfekt des Ayatollah Khomenei, lacht er. Und man kann sich vorstellen, dass er weiß, wie man sich Feinde macht. Zum Beispiel mit Thesen wie dieser:

"Die Islam-Feindlichkeit ist im Grunde genommen ein Konstrukt: Interessensverbände, islamische Aktivisten, die die Attentate im übrigen nie hinterfragen, benutzen diesen Vorwurf 'Islamfeindlichkeit', um die Muslime in Frankreich vom Rest der Gesellschaft abzutrennen, und politisch-religiöse Zellen zu schaffen."

Gilles Kepel

Die Anfänge: 2005 - die Unruhen in den Vorstädten

In seinem jüngsten Buch "Terror in Frankreich" befasst sich der Islamwissenschaftler und Soziologe intensiv mit den Ursachen und den Hintergründen der Ereignisse, die das Land seit Januar 2015 erschüttern. Kepel führt sie auf das Jahr 2005 zurück:

"Für Frankreich ist das Jahr 2005 entscheidend: aus zwei Gründen: zum einen gab es da die blutigen Unruhen in den Vorstädten, und zum anderen erschien im Internet ein Text eines dschihadistischen Ideologen, Abu Mussab Suri, der zum Dschihad in Europa aufrief."

Gilles Kepel

Suri ist für Kepel der geistige Vater hinter den Anschlägen, die Frankreich und Europa erschüttern, ein Europa, das als Schwachstelle des Westens angesehen wird. Dort gebe es schließlich Millionen von Jugendlichen mit muslimischem Migrationshintergrund, die nicht integriert sind: sozial nicht, wirtschaftlich nicht, anfällig für salafistische Ideologien und den Bruch mit der säkular orientierten westlichen Welt. Suri sei der Meinung: Aus denen werden echte Soldaten für den Dschihad.

Drei Generationen des Terrors

Kepel nennt sie Dschihadisten der dritten Generation: Generation eins war in Afghanistan aktiv und die zweite Generation, die um Osama Bin Laden, hatte der französische Geheimdienst ganz gut im Griff. Die meisten Radikalen wurden in Gefängnisse verfrachtet, mit einem ziemlich vorhersehbaren Ergebnis, sagt Kepel.

"Das französische Strafvollzugsystem war dafür nicht geschaffen, die Gefängnisse sind eine Art Universität des Dschihadismus geworden, wo ältere, erfahrene Krieger die Jungen trainiert haben."

Gilles Kepel

Diese Dschihadisten der dritten Generation gehören keiner festen Organisation an, auch wenn sie von Syrien und der Terrormiliz Islamischer Staat quasi fernsteuert werden, über das Internet, das längst zur Indoktrinierungs-Quelle Nummer 1 geworden ist.

"Wir sprechen hier von einem Nachbarschafts-Dschihadismus: die Terroristen stammen alle aus der Gegend, in der sie zuschlagen: so war das Nizza und auch in St. Etienne du Rouvray, man geht einfach raus, mit einem Messer etwa und tötet - der Effekt ist einfach und spektakulär: die Attentäter zählen darauf, dass alle Muslime danach für die Morde mit verantwortlich gemacht werden."

Gilles Kepel

Das erklärte Ziel: die Gesellschaft zu spalten und die Muslime zu radikalisieren.Ein aggressiver Islam wiederum schürt Islamfeindlichkeit, fördert den Front National, und das bereitet den Nährboden für neue Attentäter. Kepel will nicht voraussehen, wie der Islam in Frankreich aussehen wird, gemäßigt oder radikal, er liefert die Analyse. Und zahlt dafür einen hohen Preis.


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