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Lage in der Türkei Gewaltenteilung in Gefahr

War das Tempo der Säuberungs- und Verhaftungsaktionen, das Staatspräsident Erdogan seit dem Putschversuch an den Tag gelegt hat, schon beängstigend genug, so markiert die Ausrufung des Ausnahmezustands einen vorläufigen Höhepunkt. Eine Einordnung der Lage.

Von: Clemens Verenkotte

Stand: 21.07.2016 |Bildnachweis

Recep Tayyip Erdogan spricht während einer Pressekonferenz | Bild: picture-alliance/dpa

Die Vollmachten, über die der Präsident jetzt drei Monate verfügen wird (mit der Option einer Verlängerung um weitere drei Monate), entsprechen denjenigen, die sich Erdogan seit seinem Wechsel vom Stuhl des Regierungschefs auf den des Staatspräsidenten erhofft hat: Die Kontrolle über das innen- und gesellschaftspolitische Leben in der Türkei ausüben zu können. 

Erdogan verbittet sich Kritik

Recep Tayyip Erdogan betonte gestern Nacht, dass er sich Kritik an seiner Vorgehensweise durch die EU und die US-Regierung verbitte. Schließlich hätte Frankreich nach den Terroranschlägen von Paris am 13. November 2015 ebenfalls den Ausnahmezustand ausgerufen, und im Vergleich zu einem Anschlag sei der Umsturzversuch von Teilen der türkischen Streitkräfte doch wesentlich schwerwiegender. Das stimmt - doch Erdogans Vergleich mit Frankreich hinkt. Denn in Frankreich funktioniert die Gewaltenteilung, in der Türkei kaum mehr.

Regieren per Dekret

In der Türkei ist mittlerweile die verfassungsmäßige Gewaltenteilung in Gefahr. Die Exekutive wie die Legislative, also Regierung und Parlament, folgen aufgrund der AKP-Mehrheit den Vorgaben des Staatspräsidenten. Die Judikative, die rechtsprechende Gewalt, wird derzeit im Auftrag Erdogans "gesäubert", Richter abgesetzt, selbst Verfassungsgerichtsmitglieder sind von der faktischen Entlassungswelle betroffen. Ähnliches gilt für die Staatsanwaltschaften. Und die sogenannte "vierte" Gewalt, die Medien? Die Medien waren bereits schon zuvor fest in Griff der staatlichen Kontrolle. Jetzt, unter den Regeln des Ausnahmezustands, dürften die letzten Nischen der Pressefreiheit ins Visier genommen werden.

Erdogan räumt mit verbliebenen Gegnern auf

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Erdogan die kommenden Wochen und Monate dazu nutzen wird, mit den verbliebenen Gegnern seiner autokratischen Herrschaft aufzuräumen. Dass knapp die Hälfte der türkischen Wähler ihm nicht die Stimme gegeben hat, ignoriert Erdogan. Diese Bevölkerungsgruppe lehnte zwar die gewaltsame Rückkehr zu einer Militärdiktatur ebenso entschieden ab wie die Anhänger des Staatspräsidenten. Doch einen mit den Instrumenten des Ausnahmezustands noch rigider herrschenden Erdogan? Das wollten all diejenigen Türken nicht, die den Oppositionsparteien ihre Stimme gegeben haben.







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Cosi, Sonntag, 24.Juli 2016, 16:02 Uhr

10. AKP- Demo in Köln am 31.07.2016

Gestern habe ich die Kölner Nachrichten angeschaut; Dort findet eine Anti-Putschdemo mit 150000 AKP-Anhängern statt.
Mit welchem Recht wird hier in Deutschland so etwas zugelassen?
Wenn ein Türke in seinem Land demonstrieren will soll er es in der Türkei tun.
Ich bin damit nicht einverstanden.
Österreich hat dies untersagt in Österreich.
Sehr gute Entscheidung! Ein Modell für Deutschland.

marie, Donnerstag, 21.Juli 2016, 15:17 Uhr

9. die zeichen an der wand

die türkei ist bereits eine erdogan-diktatur. wer aus der geschichte nicht lernt, ist gezwungen sie zu wiederholen, siehe deutschland 1933.

Markus, Donnerstag, 21.Juli 2016, 14:07 Uhr

8. Testosteron-Alarm

Lieber Herr Erdogan, ich glaube Sie befinden sich gerade in einer Parallelgesellschaft zu sich selbst. Bin heute früh in Wien eingetroffen (zwei Tage ab Passau!); bin stolz und grundrelaxt. Ich sehe die Dinge (zumindest heute noch) sehr objektiv.

Ich lade sich herzlich dazu ein, mit mir den Donauradweg zu bestreiten. Sie werden sehen, dann kommen Sie runter von Ihrer "Testosteron-Spirale", und werden wieder etwas geerdet. Der Donauradweg holt Sie runter, versprochen.

Freundliche Grüße eines Danubia-Absolventen ;)

bayer, Donnerstag, 21.Juli 2016, 13:53 Uhr

7. Türkei

wir sollten uns nicht in der Türkei einmischen sondern vor der eigenen Türe kehren. Im Orient wollen die Menschen keine Demokratie.
Außerdem frage ich mich, wo gibt es bei uns eine Mitbestimmung. Weder beim Euro noch bei der Flüchtlingspolitik. Wir werden mit
allen möglichen Schwachsinn stumm gemacht und bei Laune gehalten. Jeder Schritt und der ganze Zahlungsverkehr wird kontrolliert.
Unser Bürokraten- und Beamtenapparat ist bestimmt kein Vorbild für Andere.

  • Antwort von Alter Simpel, Donnerstag, 21.Juli, 15:38 Uhr anzeigen

  • Antwort von Udo Pablitschko, Donnerstag, 21.Juli, 16:59 Uhr anzeigen

  • Antwort von Quo vadis, Freitag, 22.Juli, 07:34 Uhr anzeigen

dildoldi, Donnerstag, 21.Juli 2016, 13:12 Uhr

6. Gewaltenteilung...

Was kümmert es einen hierzulande, was in der Türkei passiert ? Das Land ist ein souveräner Staat und soll machen was es will. Ausserdem scheint ein gewichtiger Anteil der Türken nachgeradezu begeistert zu sein von dem was Erdogan macht. Und wenn die Mehrheit voll damit einverstanden ist, die "Demokratie" in dem Land abzuschaffen, so hat man das als echter Demokrat hierzulande gefälligst zu akzeptieren ! Wie man weiterhin mit dem Land umgehen soll ? Natürlich demokratisch, wie denn sonst ? Was das heisst soll sich jeder Demokrat selbst zurechtlegen, aber man lasse bitte dieses Besserwissen ! Danke !

MfG

  • Antwort von Demos Kratia, Donnerstag, 21.Juli, 13:50 Uhr anzeigen

  • Antwort von Truderinger, Donnerstag, 21.Juli, 14:50 Uhr anzeigen

  • Antwort von Manfred, Donnerstag, 21.Juli, 15:28 Uhr anzeigen

  • Antwort von Wanda, Donnerstag, 21.Juli, 16:20 Uhr anzeigen