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Radikalisierung minderjähriger Flüchtlinge Das ist über den Attentäter von Würzburg bekannt

Er war ein junger Mann, der intensiv betreut wurde und ein Praktikum mit der Aussicht auf eine Lehrstelle absolvierte - der Angreifer von Würzburg schien auf dem Weg einer guten Integration zu sein. Trotzdem erlag er offenbar dem IS-Ruf nach Terror- warum? Für Bayerns Sozialministerin Emilia Müller ist die Tat "derzeit noch völlig unerklärlich".

Stand: 19.07.2016

Schatten eines Mannes | Bild: picture-alliance/dpa

Das IS-Sprachrohr Amak hat im Internet inzwischen ein Video verbreitet, das den Angreifer aus dem Regionalzug bei Würzburg vor dem Attentat zeigen soll. "Ich bin ein Soldat des Islamischen Staates und beginne eine heilige Operation", sagte der Mann in dem Video, das am Dienstag von Amak veröffentlicht wurde, und sprach Drohungen gegen "ungläubige" Länder aus.

Wie kann man die Radikalisierung gerade unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verhindern? Das beschäftigt auch Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU). Als "derzeit noch völlig unerklärlich" bezeichnete sie die Axt-Attacke des 17-jährigen Afghanen in einem fränkischen Regionalzug. Denn: Mit dem jungen Mann schien alles in Ordnung zu sein - intensive Betreuung, Praktikum, Aussicht auf eine Lehrstelle.

Durchwegs unauffällig

Der Afghane sei vor einem Jahr bei der Einreise nach Deutschland in Passau registriert worden und habe seit März im Landkreis Würzburg gelebt, so Innenminister Herrmann. In Ochsenfurt habe er in einer "an sich sehr guten Einrichtung" gewohnt. Vor zwei Wochen sei er dann in eine Pflegefamilie gekommen. Die aus seinem Umfeld vernommenen Zeugen hätten ihn als "ruhigen, ausgeglichenen Menschen" geschildert. Zu hohen islamischen Feiertagen sei er in die Moschee gegangen, sonst aber nicht. Den Behörden sei er nicht aufgefallen. Möglicherweise habe sich der junge Mann in den vergangenen Wochen selbst radikalisiert, so Herrmann weiter.

Die Frage nach dem Warum

Die Ursachen der Gewalttat bei einem Jugendlichen, der einen durchaus gut eingegliederten Eindruck machte, müssten jetzt durchleuchtet werden, um einer Radikalisierung gerade junger Leute besser entgegenwirken zu können, so Müller.

Der unbegleitete minderjährige Flüchtling aus Afghanistan hatte am Montagabend mit einer Axt und einem Messer Reisende in einem Zug angegriffen und teils schwer verletzt. Drei Patienten im Würzburger Universitätsklinikum schweben derzeit noch in Lebensgefahr. Nach einer Notbremsung floh der junge Mann, verletzte weitere Passanten und wurde schließlich von der Polizei erschossen. Im Zimmer des Jugendlichen wurde eine handgemalte IS-Flagge gefunden.

Schwesig will Extremismusprävention fördern

Es sei noch zu früh, um Schlußfolgerungen aus dem Angriff bei Würzburg zu ziehen, so Bundesfamilien- und Jugendministerin Manuela Schwesig. Die Ermittler müssten erst alle Informationen zusammen tragen. Es sei aber dennoch absolut richtig, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch die Kinder- und Jugendhilfe betreut und begleitet werden.

"Ich bin heilfroh, dass ich dem politischen  Druck standgehalten habe, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus der Kinder- und Jugendhilfe rauszunehmen. Es gab immer wieder Stimmen, die sagten, die minderjährigen Flüchtlinge kosten zu viel. Aber wir dürfen Minderjährige in Deutschland nicht sich selbst überlassen."

Manuela Schwesig, Bundesfamilien- und Jugendministerin

Eigentlich hatte die Ministerin heute zu einem Bund-Länder-Treffen zum Thema Extremismusprävention eingeladen. Den Fachpolitikern aus den Ländern stellte sie ihre Pläne für ein Bundesgesetz vor: Extremismusprogramme sollen künftig langfristiger finanziert werden, so dass sich die Organisationen nicht mehr von Projekt zu Projekt hangeln müssen. Schwesig bekam dafür aus allen Bundesländern Zustimmung.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bayern

Jugendliche auf der Flucht

Für die Unterbringung und Versorgung jugendlicher Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern nach Deutschland kommen, sind die Jugendämter der Landkreise zuständig. Knapp die Hälfte dieser unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge stammt laut Landkreistag aus Afghanistan. Ende März waren mehr als 15.000 minderjährige Flüchtlinge in Bayern untergebracht. Bundesweit hätten Landkreise und kreisfreie Städte im vergangenen Jahr etwa 60.000 unbegleitete Minderjährige aufgenommen. Die Landkreise bieten den Jugendlichen viel Unterstützung wie Trauma-Therapien an.

Wie werden die jugendlichen Flüchtlinge betreut?

Unbegleitete minderjährige werden in Gruppen bis im Idealfall maximal 30 Personen untergebracht, Mädchen und unter 14-jährige getrennt. Der Betreuungsschlüssel liegt meist bei 1:5, das heißt: Eine Betreuerin bzw. ein Betreuer kümmert sich um fünf Jugendliche. Von 8 bis 23 Uhr täglich ist dieses Fachpersonal normalerweise vor Ort, Sicherheitspersonal ist rund um die Uhr da.


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