Würzburg, München, Ansbach Bayern in Angst
Axt-Attacke, Amoklauf, Selbstmordattentat: Es ist eine beispiellose Woche des Grauens im Freistaat. Ein Psychologe sagt, die enge Abfolge der Gewalttaten ist kein Zufall. Wie sollen die Bürger jetzt mit der Angst umgehen? Ein Experte gibt Antworten.
Immer wieder diese Bilder: Menschen in Panik, Blaulicht, Tote, Verletzte. "Bayern erlebt Tage des Schreckens", so fasst Ministerpräsident Horst Seehofer die Ereignisse zusammen. Inzwischen werden nicht nur Paris, Brüssel und Nizza in einem Atemzug genannt, sondern drei bayerische Städte.
Würzburg, 18. Juli: Ein afghanischer Flüchtling greift in einer Regionalbahn Menschen mit Axt und Messer an. Fünf Menschen werden schwer verletzt, der Täter erschossen.
München, 22. Juli: Ein 18-jähriger Deutsch-Iraner erschießt am Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen und dann sich selbst.
Ansbach, 24. Juli: Ein 27-jähriger Syrer zündet am Eingang zu einem Festivalgelände eine Nagelbombe, 15 Menschen werden teils schwer verletzt. Der Täter stirbt.
Was der Angstforscher jetzt empfiehlt
Der Schock sitzt jetzt tief - auch bei vielen Unbeteiligten. Ereignisse in dieser Dimension lösen nahezu bei jedem Menschen Schrecken und Sorge aus, sagt der Angstexperte Peter Zwanzger, Chefarzt für Allgemeinpsychiatrie Wasserburg am Inn, im Gespräch mit B5 aktuell.
"Gerade diese Unvorhersehbarkeit und Unkalkulierbarkeit führen dazu, dass uns ein Unsicherheitsgefühl beschleicht (...) Das verstärkt die Angst."
Peter Zwanzger, Angstexperte. Das ganze Interview am Dienstag im Thema des Tages auf B5 aktuell.
Was dagegen hilft? Erstens: ein sinnvoller Medienkonsum. "Es macht keinen Sinn, wenn wir 24 Stunden am Tag am Smartphone hängen und jede Facebook- und jede Twitter-Meldung, die von irgend jemandem abgesetzt wird, in unser Informationsbild integrieren", sagt Zwanzger. Und er rät zur rationalen Einordnung:
"Autounfall und Rauchen - da ist die Wahrscheinlichkeit zu Tode zu kommen, viel viel höher als Opfer eines Anschlags zu werden (...) Über die Zeit können die meisten Menschen das dann auch wieder so sehen."
Peter Zwanzger, Angstexperte
"Einfach ein komisches Gefühl"
Vielen Menschen in Bayern dürfte das nach dieser Woche ersteinmal schwer fallen. Thomas aus Ansbach war 100 Meter vom Festivalgelände entfernt, als er die Explosion hörte. Er war die ganze Nacht unterwegs, konnte nicht schlafen: "Es ist einfach ein komisches Gefühl. Und man kann es nicht richtig realisieren, dass das wirklich in unserem Ansbach passiert ist."
Und auch in München ist nach dem Amoklauf nicht an Normalität zu denken. Am Hauptbahnhof betont etwa ein Passant: "Das kann jetzt überall passieren, ob Einkaufszentrum, ob U-Bahn, ob mitten auf der Straße." Generell sei die Stimmung gedämpft und ihn treibe die Frage um:
"Bin ich überhaupt noch sicher, wenn ich mit so einer Masse unterwegs bin?"
Passant am Münchner Hauptbahnhof
Ein nachdenklicher Polizeireporter
Angesichts der drei Gewalttaten zeigt sich auch der langjährige BR-Polizeireporter Oliver Bendixen fassungslos: "Was in dieser Woche jetzt hier geschehen ist (...), das ist schon sehr niederschmetternd, sehr bedrückend. In einer solchen Dichte habe ich das persönlich in all den Jahren noch nicht erlebt."
Bendixen empfiehlt, jetzt einfach auch mal innezuhalten. Die Politik indes zögert keine Sekunde, um über die Konsequenzen zu diskutieren: Von der Flüchtlingsdebatte über Killerspiel-Verbot, Bundeswehreinsatz im Inneren, Verschärfung des Waffenrechts bis zum verstärkten Schutz von Großveranstaltungen. Doch mantraartig wird auch immer wieder betont: Hundertprozentigen Schutz für die Bürger werde es nicht geben.
Motivation durch vorherige Gewalttaten?
Psychologen treibt derweil die enge Abfolge der Taten um: Die zeitliche Nähe ist nach Einschätzung von Jens Hoffmann kein Zufall. Auch wenn der Amoklauf in München im Unterschied zu Ansbach nicht politisch motiviert war, gebe es Parallelen. "In beiden Fällen waren es psychisch labile Täter, die sich in einer persönlichen Krise befanden", sagt Hoffmann, der am Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt lehrt.
"Leute in einer psychischen Krise, die schon länger über eine solche Tat nachdenken, sehen den großen Effekt und sagen sich: jetzt mache ich das auch."
Jens Hoffmann, Psychologe
Würzburg, München, Ansbach: Die Aufklärung aller drei Blutatten dürfte noch lange dauern. Bis dahin haben die Menschen in Bayern nun vor allem diesen Wunsch: dass es mit der Serie von Schreckensnachrichten eine Ende haben möge.
Kommentieren
bettina, Dienstag, 26.Juli 2016, 23:48 Uhr
55. nichts vormachen
Nach allem was ich so lese...egal auf welcher plattform....machen wir uns doch nichts vor: solange es die anderen betrifft, kann man grosse töne spucken. An alle die angeblich keine angst haben....jeder will in freiheit und frieden leben.. eine Grundvoraussetzung ist allerdings Respekt und Toleranz... für mich gibt es einen gewaltigrn unterschied zwischen einem unfall...rauchen....oder einem gewaltsamen tod. Und das sieht auch unser gesetz so. Zurecht. Angst...ja irgendwie...nicht so mächtig dass man sein Verhalten ändert. Nachdenklich. Wo geht die Reise hin?
Antwort von Stefan, Freitag, 29.Juli, 12:56 Uhr
Ich kann Ihnen nur zustimmen.
Zu Ihrer Frage: "Wo geht die Reise hin" - Wir werden nicht reisen, denn Sie kommen zu uns."
LG
Stefan
Dahuawa, Dienstag, 26.Juli 2016, 15:12 Uhr
54. Angstexperte
glaubt b5aktuell wirklich, dass politische Antworten oder Reden gegen die Angst wirksam sein können? Was ist das für ein Psychologe der solche Antworten gibt? Wie steht der innerlich den Geängstigten gegenüber? Politiker die ihre Aufgaben nicht erfüllen haben wir schon im Übermaß. Und dann auch noch...
Stefan, Dienstag, 26.Juli 2016, 14:23 Uhr
53. Die Ursache erkennen und ändern
Ich wünsche mir nur eines, dass die Bevölkerung endlich munter wird, die Situation in der wir uns befinden, erkennt und dementsprechend aktiv wird.
Nur jammern und Gefühlsduselei kann am nicht mehr hören. Wir können nicht die anderen ändern, sondern nur uns selbst. Ist sicherlich jedem bekannt.
Gott schütze uns alle.
Helmut, Dienstag, 26.Juli 2016, 13:34 Uhr
52. Wovor Angst ?
Mich ärgern diese Überschriften, die einem suggerieren, daß es einen Grund gäbe Angst zu haben. Das schlimmste ist doch, daß wir der Angst nachgeben und hysterisch werden , wie die junge Frau die ohne weiteren Anlass aus dem 2. Stock springt. Wenn ich die Anschläge in anderen Ländern ( zuletzt IRAK ) betrachte, dann kommt mir die derzetige Serie bei uns eher arnselig vor. Ein Breivik-Fan , ein Bursche mit der Axt und ein Selbstmörder. Sollen wir jetzt davor alle Angst haben ?? In der selben Zeit kamen in meiner Umgebung etliche junge Menschen durch Auto- und Badeunfälle ums Leben. Aber wer hat deswegen Angst vor Autofahreren oder Seen ?
Antwort von Franz, Dienstag, 26.Juli, 13:55 Uhr
Sie sprechen mir aus der Seele. Sehr guter Kommentar.
klaus s, Dienstag, 26.Juli 2016, 12:51 Uhr
51. Angst.
"Bayern in Angst.", was für eine Überschrift, muss wohl eher heißen die b5-aktuell-Redaktion in Angst.
Ich habe keine vor diesen Sch...Kerlen und die überwältigende Mehrzahl der Bayern ebensowenig.