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Tanze Tango mit mir Interview Michael A. Grimm

Stand: 25.01.2021

Frank (Michael A. Grimm) nimmt sich einen Zettel von der Stirn, der seine aktuelle Situation beschreiben soll. | Bild: BR/die film gmbh/Hendrik Heiden


Was haben Sie gedacht, als Sie das Drehbuch erhalten haben und was hat Sie daran fasziniert?

Ich habe gedacht: So rund läuft es selten! Das fast immer übertrieben eingesetzte Wort "perfekt" rückte scheinbar in benützbare Nähe. Es fing mit dem ersten Gespräch mit Uli Aselmann, einem der beiden Produzenten (neben Sophia Aldenhoven) an. Wir kannten uns schon von ein paar sehr schönen gemeinsamen Filmen. Ebenso war es bei Regisseur Filippos Tsitos und BR-Redakteurin Claudia Simionescu, und auch mit dem Autor, Peter Güde, hatte ich schon gearbeitet (für die Serie "Falk"). Alle direkt Verantwortlichen kannten mich also bereits, sie sahen mich in der Rolle und mir gefiel sie auch. Ich bekam mit diesem Film quasi einen roten Teppich ausgerollt – das Besetzen lief für mich sozusagen "perfekt" ab.

Das Buch mochte ich, weil die Geschichte so einfach und ehrlich war. Weil Tango einmal im deutschen Fernsehen nicht als erotisches Gewürz eingesetzt wurde, sondern als ein starkes, lebendiges Motiv für eine Figur.

Frank ist ein wirklicher Anfänger, was das Tango-Tanzen anbelangt. Wie war es für Sie, der Sie ebenfalls kaum Erfahrung hatten, die Entwicklung von Frank zum leidenschaftlichen Tango-Tänzer "Franco" mit zu gestalten?

Auch hier wieder: Es lief einfach sehr gut. Ich konnte und durfte Franks Schritte sehr nah mit- und nach- bzw. auch vor-leben. Voraussetzung dafür war es zunächst, dass ich mich vollkommen darauf einlasse und dass mich jemand speziell Qualifiziertes in die Welt des Tangos wieder einführt und weiterführt. Ich hatte in der Schauspielschule Tango, war aber wirklich entfernt davon, ein leidenschaftlicher Tangero zu sein. Der musste ich erst werden.

Wie lange hatten Sie Unterricht und wie lief das ab?

Ich hatte als Lehrer den für diese Aufgabe wie geschaffenen Sven Elze, einen Mann, der Tango lebt, leidenschaftlichst, und der offen ist für alles, was im Leben interessant ist. Jemand, der nicht einfach nur Tango lehrt, sondern jemand, der mich schnell erfasst hat, immer gemerkt hat, was ich gerade brauche, was ich zu leisten imstande bin und der einfach für mich da war. Wir fingen etwa vier Wochen vor Drehbeginn mit dem Unterricht an und tanzten, wann immer es ging, bis zum letzten Drehtag. Ich bekam eine Einführung zur Geschichte des Tangos, den verschiedenen Schulen, Stilen und Genres, zu den Musikergrößen, den Startänzern, zu Stimmungen und Abläufen von Milongas in Buenos Aires. Wenn das einen nicht mitreißt, was dann?

Was fehlt in Franks Leben, trotz Familie? Welche Lücke tut sich auf, die der Tango scheinbar so gut füllen kann?

Frank fühlt sein Leben als einen Ablauf von vorgegebenen Ereignissen, auf die er kaum Einfluss hat, die er eher pflichtmäßig durchlebt, aber nicht gestalten kann, nicht genießen kann. Alles ist zwar eingerichtet, läuft irgendwie, aber nicht wirklich gut. Er kann da nicht raus, ist unerfüllt, fühlt sich herabgewürdigt, nicht ernst genommen, hintangestellt – Midlifecrisis eben. Und natürlich ist nicht speziell der Tango der goldene Weg da raus, da gibt es viele andere Wege, aber ihm begegnet eben der Tango und der hat so wenig mit seinem bisherigen Leben zu tun, ist für ihn so erfrischend anders – ein Weg der sich ihm bietet. Die Lust, seinen Körper zu benutzen, anders als sonst, sich auf neue Kreise einzulassen, schräger und unkonventioneller als normal, sich anderer Musik zu widmen, neu zu hören, sich neu zu bewegen. Das alles heißt für ihn ein neues Leben, eins, in dem er und das er gestaltet. Das zu begreifen und mit seinem alten Leben zu kombinieren, seinen Freunden, seiner Arbeit, seiner Familie, seiner ihn liebenden Frau ist dann die Aufgabe, an der er erstmal scheitert.

Frank kauft sich als erstes ein Paar tolle Tango-Schuhe. Was bedeuten die Schuhe für ihn?

Er hat das Gefühl, dass er das erste Mal seit langem mit dem Tango etwas für sich – und eben nur für sich tut. Und das tut ihm gut. Die Tanzschuhe stehen dafür, für diesen Akt.

Spielen die zwei Kumpels für Frank in seiner Midlifecrisis eine Rolle? Sie sind ihm keine große Hilfe, als er von seiner Frau vor die Tür gesetzt wird und verstehen auch seine Leidenschaft für den Tango nicht...

Natürlich, sie sind der alte Teil seines Lebens, das Eingerichtete, Unflexible, Beharrende.

Sie irritiert sein Anders-Leben-Wollen, sie kommen damit nicht zurecht. Und auch wenn es im echten Leben in ähnlichen Krisen auch verständnisvollere Freunde geben mag, hier ist der wichtige Schritt für Frank, dass er sich, ohne Unterstützung – auch gegen den Widerstand der Freunde – für ein Leben entscheidet, das er aktiv gestaltet und das nicht gelebt wird. Das ist keine Entscheidung gegen seine Freunde, sondern für sein Leben. Die Tragfähigkeit dieser Freundschaften stellt sich ja auch als nicht allzu belastbar heraus, bedürfte also auch einer Revision.

Den Kollegen Zinner und Baumann und ihren Figuren ein herzliches Dankeschön für diesen so wichtigen Schritt Franks und für herrliche Drehstunden bzw. Lebenszeit. Solche Freunde bitte ja nicht, solche Kollegen gerne wieder!

Wie ist das Verhältnis von Frank zu seiner Frau Katrin, die Erwartungen an ihren Mann hat: dass er endlich mehr Geld verdient, sich nicht so gehen lässt. Können Sie ihre Kritik verstehen?

Ich natürlich, Frank ja irgendwie auch, aber an ihm ist es nun, aus dem für ihn so ungesund-unerträglichen Leben auszubrechen. Er hat ja immer irgendwie alle verstanden, warum sie was tun. Aber so wurde sein Leben für ihn schwer. Er erkennt, dass seine Frau (an der Stelle meine tiefste Verbeugung für die wunderbare Eva Meckbach, mit der zu streiten und sich zu lieben eine wahre Freude ist) ihn liebt, auch viel von sich aufgibt, um den Laden am Laufen zu halten, und dass er sie gerade wenig, zu wenig unterstützt, unterstützen kann. Aber er findet eben in all dem alten Agieren (den Laden, die Familie am Laufen zu halten) keine Befriedigung, nicht genug Grund zu leben, wenig Sinn, viel Pflicht.

Aber aus Katrins Sicht ist Frank ein sich – auf ungesunde Weise – nicht achtender, mit sich unzufriedener, unerfüllter, unverständlicher Mann, der das Spinnen anfängt, zu wenig zur Familie beiträgt, und statt Unterstützung erfährt sie von ihm Verunsicherung.

Wie war die Zusammenarbeit mit Gaby Dohm? Sie spielt ja Franks Schwiegermutter, die ihn für einen Loser hält und Ihre beiden Figuren haben im Film doch eine sehr spezielle, kontroverse Beziehung...

Oh ja. Ich bin selten so wunderbar despektierlich behandelt worden, so innig entwürdigend. Großartig. Ich liebe Gaby.                   

Wie war die Zusammenarbeit mit Regisseur Filippos Tsitos?

Einfach herrlich. Habe selten so eine unkomplizierte Kommunikation, einen so unproblematischen und trotzdem produktiven Austausch und ein so schönes gemeinsames Arbeiten erlebt. Filippos ist bestimmt kein – wie man so unschön sagt – einfacher Mensch – Gott sei Dank! – aber ein sehr feiner.

Wie empfanden Sie den Dreh mit den Tango-Tänzer*innen, die nicht in erster Linie Schauspieler*innen sind?

Eine ganz, ganz schöne Erfahrung. Ohne diese Menschen (Kara Wenham, Aneta Orlik, Esequiel Maiolo und eben besagtem Sven Elze, aber natürlich auch den vielen Tanzkomparsen aus der Münchner Tangoszene) wäre es mir sowas von schwer gefallen, mich auf die Faszination Tango einzulassen. Herrlich, das vorgelebt zu bekommen. Diese Kollegen waren darüber hinaus extrem motiviert und einsatzbereit, genauso übrigens wie die wunderbaren Musiker unserer Truppe, die Bandonegro aus Posen und meine reizende Kollegin Amanda da Gloria. Zudem ist es immer gut, von "Betriebsfremden" ein bisschen aus der Blase der eigenen Arbeit ferngehalten zu werden oder zumindest eine andere Draufsicht zu bekommen.

Wie war es für Sie, einen Tanzfilm in Corona-Zeiten zu drehen, einerseits also mit Einschränkungen leben zu müssen, andererseits über das Tanzen eine in diesen Zeiten ungewohnt intensive Begegnung am Set zu erfahren?

Einfach schwierig zu vereinbaren – also eine enorme Herausforderung – also perfekt für so einen Film.

Hat das Tanzen auch Hoffnung gemacht, auf andere Zeiten und was verbinden Sie persönlich mit dem Tango-Tanzen?

Tanzen ist Leben – Leben ist Hoffnung – also ja! ... wenn ich das so höchst einfach runterbrechen darf.

Tango heißt für mich in erster Linie Kommunikation. Sich auf ein körperliches Zwiegespräch einzulassen, das seinesgleichen sucht. Mit bestens bekannten oder völlig unbekannten Partnern ein gemeinsames Agieren auszuhandeln, sich zu verstehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist natürlich bei jedem Tanz, bei jeder Form gemeinsamen Bewegens der Fall, aber meiner Erfahrung nach nirgends so komplex wie beim Tango. Eine sehr schöne Erfahrung.


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