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Polizeiruf 110: "Bis Mitternacht" / Filmmusik Die Komponisten im Interview

Interview mit Florian van Volxem und Sven Rossenbach, die die Musik zum Polizeiruf 110: "Bis Mitternacht" komponierten

Stand: 12.08.2021 11:04 Uhr


Die Ankunft des ehemaligen Kriminaloberrats Josef Murnauer (Michael Roll) auf der Theresenwiese. Er wurde aus seinem vorzeitigen Ruhestand direkt nach München rückbeordert. | Bild: BR/Provobis Gesellschaft für Film und Fernsehen/Hendrik Heiden

Mit dem Regisseur Dominik Graf verbinden Sie schon eine sehr lange Zusammenarbeit. Inwieweit ist man hier als Team schon eingespielt oder begegnet man sich immer wieder neu?

Sowohl als auch wahrscheinlich – nach mehr als 25 gemeinsamen Filmen kennt man sich natürlich sehr gut und versteht einander. Dennoch ist jeder Film von Dominik Graf ein ganz anderer Kosmos und den wollen wir natürlich auch musikalisch gemeinsam herausarbeiten. Eigentlich ist jeder Soundtrack mit Dominik Graf wie eine spezielle LP in unserer musikalischen Biographie.
Dadurch, dass wir ohnehin immer neue musikalische Wege gehen und unabhängig von der Filmmusik permanent Musik komponieren und produzieren, ergeben sich immer wieder Synergien mit der Filmmusik. Hinzu kommt, dass Dominik Graf selbst Musiker ist, selbst Filmmusiken komponiert und sich extrem gut auskennt in Musik- und Filmmusikgeschichte. Dadurch hat er zusätzlich weit gefächerte Assoziation, wenn er Musik beurteilt, referenziert oder szenisch in Bezug setzt.
Parallel zur der konkreten Arbeit läuft zwischen uns Dreien seit der ersten Zusammenarbeit ein kontinuierlicherer, genereller Austausch über Musik.

Sie verwenden ganz unterschiedliche Klangmotive in BIS MITTERNACHT. Wie war die Herangehensweise?

Wir haben – wie üblich bei unser Arbeitsweise – ca. drei Monate vor Drehbeginn angefangen Themen zu entwickeln und Dominik Graf erste Fragmente vorgespielt. Bereits da zeichneten sich Motive und Stimmungen ab, die sich auch im späteren Film finden. Die haben wir dann weiterentwickelt und uns dazu wieder neue Motive und Klangwelten überlegt. Man kreist dann wie in Jahresringen um einen Punkt und entwickelt immer neue Ansätze um den eigentlichen Kern.
Eine solche Arbeitsweise bringt einen längeren kreativen Entwicklungsprozess mit sich, der vielseitige und komplexe musikalische Ansätze hervorbringt. Dominik ordnet dieses musikalische Portfolio dann seiner Inszenierung zu, was natürlich immer wieder ganz überraschende Effekte erzeugt, die ihrerseits wiederum neue Überlegungen in Gang setzen – vor, während und/oder nach dem Schnitt.

Was war die größte Herausforderung bei BIS MITTERNACHT für Sie?

In "Bis Mitternacht" war in der Geschichte die herunterlaufende Zeit entscheidend, das musste im Film fortlaufend erzählt werden und sich gleichzeitig musikalisch entwickeln, parallel orientiert an der sich emotional auf allen Ebenen zuspitzenden Handlung.

Mit dem Song "Out of my mind" von Matti Rouse betonen Sie eine sehr zentrale Stelle in BIS MITTERNACHT. Ohne zu viel von dieser Stelle zu verraten. Wie treffen hier Song und Szene aufeinander, was war Ihre Intention? Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Komponisten/Songwriter/Sänger Matti Rouse zustande?

"Out of my mind" erzählt unserer Ansicht nach das "Herumirren und Suchen" des Täters, möglicherweise sogar aus seiner Perspektive – "out of my mind" eben.
Den Song gab es in einer kleinen akustischen Gitarrenskizze, die haben wir Dominik geschickt, als er die Überlegung äußerte, die Szene mit einem Song zu unterlegen. Diese Urfassung hört man auch im Film zu Beginn der Szene, dann springt die Musik in die opulentere, für den Film produzierte Fassung.
Mit Matti Rouse verbindet uns eine Zusammenarbeit von über 20 Jahren. Er wirkt bereits seit Beginn der Zusammenarbeit mit Dominik Graf als Sänger, Texter und Instrumentalist in unseren Projekten mit – eigentlich immer, wenn Songs in Filmen eingesetzt werden. Beispielsweise im letzten BR Polizeiruf 110, "Die Lüge, die wir Zukunft nennen", im BR Tatort "Aus der Tiefe der Zeit“, im SWR Tatort "Der rote Schatten", "Im Angesicht des Verbrechens" oder bei "Hotte im Paradies", um nur einige zu nennen.

Was ist für Sie als Komponisten das Besondere an Filmmusik?

Im konkreten Arbeiten:
Zum einen kann man antizipieren, wie eine Musik zu einer Szene wirken könnte, aber man weiß es erst wirklich, wenn die Musik tatsächlich zum Bild liegt, und erlebt immer wieder absolute Überraschungen in der Wechselwirkung von Bild und Musik – als audiovisuelles Gesamtwerk.

Grundsätzlich:
Für uns war es von Anfang an die gemeinsame Begeisterung dafür, wie faszinierend Musik eine Geschichte färben, "Türen öffnen" kann, die vorher vielleicht noch niemand gesehen hat oder gar intendiert. Musik kann wie ein zusätzlicher Erzähler fungieren, eine wissende Instanz, die vielschichtige Ebenen erzählt, die man eben nicht sehen kann.


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