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Polizeiruf 110: Der Ort, von dem die Wolken kommen (1) Interviews mit BR-Redakteurin Cornelia Ackers

Stand: 19.07.2019

Dr. Cornelia Ackers (PB Spiel - Film - Serie, Redaktion Kino und Debüt, Polizeiruf 110, Kinderfilm), Juli 2018. | Bild: BR/Markus Konvalin

Das Konzept des neuen Münchner Polizeirufs auf den Punkt gebracht?

Jünger, offener, weiblicher! Weniger hierarchisch, nicht so sehr: Der Kommissar/die Kommissarin wird es schon richten. Elisabeth ist eben mehr Ermittlerin als Kommissarin. Sie will die Wahrheit und nicht nur die Gerechtigkeit.

Wie haben Sie die Figur von Elisabeth Eyckhoff entwickelt? Wer ist sie?

Ich habe mich an meinen Freundinnen, meiner eigenen Vergangenheit und an Frauenfiguren bzw. Schauspielerinnen orientiert, die ich persönlich sehr attraktiv finde und deren grundsätzliche Lebenshaltung ich mutig, wegweisend und spannend finde.
Das sind zum Beispiel Amy Winehouse, Charlotte Gainsbourg, Sophie Rois usw. Das sind Frauen, die nicht ehrgeizig sind, sondern leidenschaftlich, die edge-ig sind ohne durchgeknallt zu sein, die sich gerne verlieben, aber auch zu eigen sind, um sich in Beziehungen festbunkern zu lassen, die ihre Gefühle eher ungebremst leben, die wild werden bei Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit. Die Humor haben, ohne sarkastisch oder zynisch zu werden, die anthropozentrisch leben. Die lieber mit dem Pförtner Karten spielen, als ihrer eigenen  Karriere hinterherzuhecheln, die gerne feiern, auch durchfeiern, aber am nächsten Tag dennoch komplett präsent ihre Arbeit machen können. Der Kommissar "Schimanski" war im Konzept ein Kommissar, der seine Seele eher auf der Seite der Täter hatte. Elisabeth ist eine Ermittlerin, die auf der Seite des Lebens und der Freiheit ist und daher Empathie für alles Menschliche hat. Wichtig ist mir aber zu sagen, dass jeder neue Fall immer wieder auch neue Facetten dieser Figur, Elisabeth, hervorbringen oder verschwinden lassen wird.

In welcher Verwandtschaftsbeziehung stehen Elisabeth Eyckhoff und Cem genau?

Cem ist ihr Halbbruder, der die gleiche Mutter, aber einen anderen Vater hat. Er lebt bei ihr, da sie findet, dass er sozial "eingefangen" werden muss.

Gibt es in den nächsten Fällen ein Wiedersehen mit Cem und Maurer?

Alle Polizeirufe sind mehr oder weniger einzeln für sich stehende Filme, da jede Geschichte ihre eigenen Bedingungsfaktoren hat und braucht, denen sich auch der Charakter der Hauptfigur Elisabeth unterwerfen muss. Daher werden auch nur die Figuren aufgegriffen, die in den speziellen Kosmos eines Films passen – oder eben möglicherweise ausgesetzt. Das Team wird also nicht immer und nicht immer in derselben Konstellation auftreten.

Gibt es Parallelen zwischen Hanns von Meuffels und Elisabeth Eyckhoff?

Nein, ich hoffe nicht…Ein Grund, weswegen ich mich dieses Mal für eine jüngere Frau entschieden habe, ist, dass ich mit der Fantasie zu der Hauptfigur nicht wieder in ähnliche Spuren geraten wollte wie bei Edgar Selge oder Matthias Brandt. Ich brauche eine Herausforderung, nun etwas ganz Neues und damit auch eine ganz neue Färbung der Geschichten zu finden.

 Wie kamen Sie auf die Darstellerin Verena Altenberger?

Ich habe Verena Altenberger in dem Film „Die beste aller Welten“ gesehen und war sehr begeistert von diesem Film und von ihr…. Im Gespräch mit meinem Lieblingsautor, Günter Schütter, fiel sie mir dann wieder ein. Ich habe nach einer Besetzung geschaut, für die auch er ein besonders gutes Gefühl hat. Deswegen haben wir uns dann schnell für Verena eingesetzt.

 Wie wird es mit Elisabeth Eyckhoff weitergehen?

Das wird, wie gesagt, nicht linear geplant. Ich möchte auch jedem anderen Autoren die Möglichkeit geben, seinen besonderen und authentischen Zugang zu dieser Figur zu finden. Nur dann bleibt so ein Format auch lebendig und die Schauspielerin bekommt eine breite Palette an Spielmöglichkeiten. Jeder Fall soll diese Figur in einem anderen Segment ihrer selbst berühren. Am Ende eines Falles soll sie auch in ihrem Wesen davon verändert sein. Deswegen hängt es von der Ausformung der nächsten Geschichten ab, wie sie sich entwickeln wird, was sie uns an Überraschungen und Geheimnissen von sich zeigt.

 Was ist das Besondere an "Der Ort, von dem die Wolken kommen"?

Wir verlassen hier weitergehend den Boden üblicher Ermittlungsarbeit… Da der aufgefundene, völlig verwahrloste und geschundene Junge, Polou, sich nicht  auf die Ermittlungsfragen einlassen kann, da er zu wenig Mitteilungsmöglichkeiten hat, muss Elisabeth auf andere Weise an Informationen kommen. Dies ist wichtig, da die Hinweise dafür sprechen, dass noch andere Kinder in Gefahr sind. So versuchen sie es zunächst mit Trance und Hypnose. Da das nicht wirklich schnell genug zum Ziel führt, kommt die Therapeutin auf die Idee, in der Hypnose das Gehirn des Jungen mit dem von Elisabeth zu synchronisieren, damit sie auch die Bilder des Jungen sieht. Das habe ich so noch nie in einem Sonntagskrimi gesehen. Kinofilme, wie die von David Lynch, arbeiten mit diesen inneren assoziativen Bildern des Geistes bzw. der Seele. Daraus ergibt sich eine ungeahnte, neuartige Spannung.

 Was zeichnet Ihre Polizeirufe aus? Wie haben sie sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt?

Seit Beginn meiner Polizeirufe im Jahr 1996 hat sich die Färbung sehr geändert. Damals waren meine Kinder klein. Die meisten Polizeirufideen habe ich durch den harten Aufprall des Alltags als berufstätige Mutter mit kleinen Kindern in einer Großstadt bekommen. Dadurch waren die Filme häufig sehr "themenorientiert" und stark durch die Färbung des Mutterseins bzw. Frau-Seins mit Kindern geprägt. Wie zum Beispiel der Polizeiruf 110: "Jenseits" usw.
Seit ich nun diesen Gegenwindkanal mit Kindern verlassen habe, hat sich automatisch der Erzählradius erweitert. Im Moment sind mir in Gesprächen mit Autoren und Regisseuren vielmehr Haltungen zum Leben wichtig, das Abenteuer unterschiedlicher Charaktere, Einschläge des Lebens in die DNA einzelner Menschen…
Viele Geschichten in dieser Reihe waren früher so eine Art Schwarzölbohrungen in die Gefühle der Figuren. Heute interessiert mich vielmehr auch der Humor, aber nicht als Schenkelklopfveranstaltung, sondern als homerisches Gelächter. Fischt man tief genug, befinden sich meistens sehr skurrile abenteuerliche Dinge mit im Netz, die es lohnt zu erzählen…


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