Bayerischer Rundfunk Bayerischer Kabarettpreis 2023
Auch 2023 verleiht der Bayerische Rundfunk gemeinsam mit dem Münchner Lustspielhaus den "Bayerischen Kabarettpreis" in vier Kategorien. Die Preise gehen in diesem Jahr an den Berliner Kabarettisten und Fernsehmoderator Till Reiners (Hauptpreis), die Musik-Kabarettistin und Liedermacherin Anna Piechotta aus Rheinland-Pfalz (Musikpreis), Kabarettistin und Autorin Teresa Reichl aus Regensburg (Senkrechtstarter-Preis) sowie in der neu geschaffenen Kategorie Creator-Preis an Sebastian Hotz alias El Hotzo, Satiriker und Social Media-Star, gebürtig aus Forchheim (Oberfranken).
Die Preisverleihung findet am Montag, 6. November 2023, im Münchner Lustspielhaus statt und wird am Donnerstag, 9. November, um 21.00 Uhr im BR Fernsehen ausgestrahlt (für zwei Jahre in der ARD Mediathek). Moderator und Musiker Hannes Ringlstetter führt als Gastgeber durch den Abend und sorgt mit seiner Band auch musikalisch für Unterhaltung. Zudem wird Kabarettist Ottfried Fischer in der Sendung gefeiert, der kurz nach der Verleihung seinen 70. Geburtstag begeht. Ihn ehrt Regisseur Franz Xaver Bogner.
Die Preisträger und Laudatoren | ||
---|---|---|
Creator-Preis: Sebastian Hotz | Laudatorin: Salwa Houmsi | |
Hauptpreis: Till Reiners | Laudator: Moritz Neumeier | |
Musikpreis: Anna Piechotta | Laudator: Michael Krebs | |
Senkrechtstarterpreis: Teresa Reichl | Laudator: Christian Springer |
"Das Kabarett lebt – und wie! Das beweisen die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger des Bayerischen Kabarettpreises in besonderer Weise. Sie alle eint ihr junges Alter und das hohe Maß an Kunstfertigkeit, mit der sie ihre Profession ausüben. Dabei setzen sie neue Impulse, sei es durch eine erfrischend andere Ansprache des Publikums, die gekonnte Nutzung verschiedener Plattformen oder die große Themenvielfalt, aus der sie schöpfen. Herzlichen Glückwunsch an Till Reiners, Anna Piechotta, Teresa Reichl und Sebastian Hotz. Und vor allem: Herzliche Glückwünsche an Ottfried Fischer zum 70. Geburtstag und vielen Dank für unvergessliche Fernsehmomente mit dem Bayerischen Rundfunk."
BR-Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm
Neue Kategorie: Creator-Preis
2023 gibt es mit dem Creator-Preis eine neue Kategorie beim Bayerischen Kabarettpreis – denn Satire findet nicht nur auf Kabarettbühnen und in Comedy-Clubs statt, sondern beispielsweise auch im Internet. Satirische Kunstformen sind dort vielfältig zu finden: auf YouTube oder in Mediatheken, Podcasts, Tweets, Cartoons, Instagram-Storys, Facebook-Live-Streams oder TikTok-Reels.
Mit der Kategorie Creator-Preis würdigt der Bayerische Kabarettpreis Künstlerinnen und Künstler, die Satireformen jenseits der Kleinkunstbühnen präsentieren: von der klassischen Stand-up-Performance, auch auf Social Media Plattformen, über Filme, Videoclips, Fotos, Grafiken, Comics und Texte bis hin zu satirischen Audios.
Erster Preisträger des Creator-Preises ist der Satiriker, Podcast-Produzent und Schriftsteller Sebastian Hotz, der auf Instagram 1,3 Millionen Follower hat.
Creator-Preis: Sebastian Hotz
El Hotzo nutzt für seine Kunst die bekanntesten Bühnen des Internets. Auf X (vormals Twitter) und Instagram ist Sebastian Hotz als El Hotzo berühmt. 1,3 Millionen Menschen folgen ihm auf Instagram, über eine halbe Million bei X. Hier scheint ein junger Mann, der in einem 160-Seelen-Dorf in der Fränkischen Schweiz aufwuchs, am Werk zu sein, der die Interessen, Befindlichkeiten und vor allem das Humorverständnis seiner Generation perfekt erfasst hat. Seine Tweets und Storys, Podcasts und Posts sind gesellschaftskritisch, analytisch, satirisch bis sarkastisch – und immer treffend. Und trotz der Schärfe und Unerbittlichkeit, mit der er Fehlentwicklungen in der Gesellschaft auf den Punkt bringt, spürt man doch, dass hier ein netter, gar verletzlicher Kerl agiert, der sich wünscht, die Welt wäre ein besserer Platz für alle Menschen. Prägend für seinen Stil sind die 280 Zeichen, die man auf X für einen Tweet verwenden kann. Denn diese Vorgabe verlangt die größtmögliche Konzentration auf das Wesentliche eines Gedankens. Das erfordert viel Kopfarbeit, noch dazu, wenn es lustig und überraschend sein soll. Und so sind El Hotzos Sprüche oft grammatikalisch verknappt, in ungewohnter Syntax verfasst oder gleich comicartig und anhand von Fotos oder Collagen illustriert. Über 25.000 Tweets hat der 27-Jährige seit 2017 verfasst – zehn bis zwanzig Stück am Tag – und damit eine neue Satiregattung geschaffen.
"Neu geschaffene Preise in Internet-Kategorien fühlen sich immer ein bisschen wie der hilflose Versuch an, irgendwelche jungen Leute noch für so etwas wie den sperrigen Begriff 'Kabarett' zu begeistern. Das kann hier aber unmöglich der Fall sein, denn schließlich gewinne ICH den Preis und was holt junge Leute aus Bayern mehr ab, als ein Berliner Zugezogener, der textbasierte Witzchen schreibt. Klasse!"
Sebastian Hotz
Laudatorin: Salwa Houmsi
Als Moderatorin und Journalistin beherrscht Salwa Houmsi die unterschiedlichsten Formate: Mit investigativen Reportagen über interaktive Newskanäle auf Snapchat und Instagram bis zur Moderation des ZDF-Kult- und Kulturformats "Aspekte" hat die 27-jährige Berlinerin die deutsche Medienlandschaft bereichert. Für das Debatten-Format "13 Fragen" im Rahmen von "Aspekte" wurde sie 2022 sowohl mit einem Förderpreis beim Deutschen Fernsehpreis als auch dem "Blauen Panther" ausgezeichnet. Besonders am Herzen liegen ihr derzeit Podcasts – vor allem den, den sie mit Creator-Preisträger Sebastian Hotz betreibt. "Hotz & Houmsi" zeigt ohne Format- oder Zeichengrenzen Alltagsbeobachtungen, Gefühle von enorm gestresst bis highly impressed und das gegenseitige Kennenlernen live on tape.
Hauptpreis: Till Reiners
Eigentlich ist dieser Mann eine Zumutung. Stellt sich mit diesem harmlos bubenhaften Grinsen auf die Bühne und dann beleidigt er sein Publikum. Sagt den Zuschauerinnen und Zuschauern ganz klar, an welchen Stellen ihr Lachen falsch ist, überführt sie der Doppelmoral und deckt eiskalt ihre Denkfehler auf. Und wie reagieren die Anwesenden? Mit Begeisterung, Schenkelklopfen, brandendem Applaus und ausverkauften Hallen. Diese "Methode Reiners" funktioniert so gut, weil der diesjährige Hauptpreisträger des Bayerischen Kabarettpreises von Anfang an klar macht, dass er genauso tickt wie seine Zuschauerinnen und Zuschauer. Weil er selbstironisch offenbart, dass auch er an falschen Stellen lacht, zur Doppelmoral neigt und immer wieder Denkfehlern unterliegt. Er stellt klar: Wir sind alle nur Menschen, unsere Verfehlungen verbinden uns und bedingen unser Menschsein geradezu. Keiner ist besser als der andere. Seine Texte sind geprägt von scharfsinnigen Analysen, die auch vor entlarvender Selbsterkenntnis nicht Halt machen.Triebfeder und Kern seines Kabaretts ist die politische Auseinandersetzung, die er trotz sperriger Themen immer mit großer Leichtigkeit und auf Augenhöhe mit seinem Publikum umsetzt. Neben seinem ungeheuren Gespür für Timing, gepaart mit seiner leicht nuscheligen, verschliffenen Sprache, die stets Aufmerksamkeit fordert, ist es vor allem seine Lust, Geschichten zu erzählen, die die Bühnenprogramme von Till Reiners prägen.
"Meine ersten Emotionen, als ich erfahren habe, dass ich den Bayerischen Kabarettpreis bekomme: Unglaube, Freude, Erleichterung. Für jemanden, der bei den Bundesjugendspielen immer nur eine Teilnahmeurkunde bekommen hat, ist das eine späte Genugtuung. Bayern, ich umarme Dich!"
Till Reiners
Laudator: Moritz Neumeier
Wie bei vielen seiner Generation liegen Moritz Neumeiers Wurzeln im Poetry-Slam. Mittlerweile tourt er als Stand-Up-Comedian durchs ganze Land und begeistert sein Publikum mit abstrusesten Fantasien zur harten Realität, verpackt seinen Alltag in unverfälschte und derbe Sprache. Seit 2015 hat er seine Pointen in acht Programmen auf die Bühne gebracht. Zudem ist er Host von diversen Videoblogs und Podcasts und regelmäßiger Gast in Sendungen wie "Die Carolin Kebekus Show", "Die Anstalt" oder "Extra 3". Mit Till Reiners veröffentlicht er seit 2017 den überaus erfolgreichen Satire-Podcast "Talk ohne Gast". Keine Frage, dass Neumeier auf seinen Homie die Laudatio hält.
Musikpreis: Anna Piechotta
Singen und Klavier spielen können viele Menschen – aber so mitreißend und furios, so lustig und bitterböse, so anarchisch und auch mal berührend ernst können es die Wenigsten. Anna Piechotta, die diesjährige Preisträgerin in der Sparte Musikkabarett, sitzt ganz allein auf der Bühne, vor ihr nichts als ein Klavier, dazu ihre grandiose, facettenreiche Stimme – das genügt schon. Mit diesen wenigen, dafür umso effektiveren Mitteln fesselt sie umstandslos ihre Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie fängt sie ein mit ihrem Charme und der scheinbaren Leichtigkeit ihrer Musikstücke, die sich immer deutlich komplexer herausstellen, als man bei den ersten Tönen vermutet. Ihre Themen sind das Menschliche, Zwischenmenschliche und Allzumenschliche – in all seinen Facetten. Sie verbindet das Leichte und das Abgründige, das Heitere und das Morbide auf moderne, erfrischende Art und Weise, die nie die Leichtigkeit und den Optimismus drangibt. Bestens unterhalten, überrascht und beeindruckt – so verlässt das Publikum einen Bühnenabend mit Anna Piechotta.
"Als ich erfahren habe, dass ich den Bayerischen Kabarettpreis erhalten soll, habe ich vor Freude drei Luftsprünge, einen Salto und zwei Purzelbäume gemacht! Daraufhin folgte ein Jubelschrei, ein glückliches Fiepen, das ich so noch nicht von mir kannte, und ein bis heute anhaltendes Dauergrinsen. Danke, Bayern, für diese Glückshormone, die du mir bescherst. Du warst mir immer schon ein wunderbarer Ort für meine Kunst. Ich freue mich wahnsinnig, dass meine Lieder, mein Gesang und mein Klavierspiel mit dieser Auszeichnung geehrt werden!"
Anna Piechotta
Laudator: Michael Krebs
Die Bandbreite seiner Auftritte reicht vom Heavy-Metal-Festival in Wacken bis zur Münchner Kammerphilharmonie, seine Band heißt "Pommesgabeln des Teufels" und eigentlich wäre er gerne Lehrer geworden, doch die Sucht, Musik zu machen, war einfach stärker. Michael Krebs ist studierter Jazzpianist, gefeierter Singer-Songschreiber sowie ausgezeichneter Kabarettist und lebt in Berlin. Mit dem aktuellen Programm "Die größte Liebe aller Zeiten" ist er genau mit der Frau auf Tour, der zu Ehren er seine Laudatio hält – mit Anna Piechotta.
Senkrechtstarterpreis: Teresa Reichl
Auch wenn Teresa Reichl die diesjährige Preisträgerin in der Kategorie Senkrechtstarter ist – man könnte meinen, sie steht schon seit langer, langer Zeit auf der Bühne. Mit ihren gerade mal 25 Jahren kommt Teresa Reichl als unverwechselbares Original daher und bringt rasend schnell und blitzgescheit die Dinge auf den Punkt. Will man verstehen, was das Publikum an Teresa Reichl so begeistert, kann man entweder ihr erstes Soloprogramm mit dem wegweisenden Titel "Obacht, i kann wos" anschauen, ihr auf Instagram folgen oder ihren YouTube-Kanal abonnieren. Egal, welchen Mediums sie sich bedient – die Leidenschaft, das Engagement, die Freude, mit der Reichl ihre Beobachtungen, Erkenntnisse und Anmerkungen zum Leben von sich gibt, springen auf die Zuschauenden über. So viel Offenheit, Unverstelltes und Authentisches findet man selten auf Kabarettbühnen. Und so liefert die Senkrechtstarterin 2023 gerade für junge Frauen das Rüstzeug zur Selbstermächtigung, indem sie ihre Zweifel und ihr Hadern mit sich öffentlich thematisiert und dadurch Autonomie und die Deutungshoheit darüber erlangt.
"Ich bekam den Anruf, als ich grad einen Workshop in einer 6. Klasse gab, die -3 Bock auf mich hatte. Damit war zumindest dafür gesorgt, dass mein Ego nicht auf senkrecht startet."
Teresa Reichl
Laudator: Christian Springer
Seit zehn Jahren ist Christian Springer gemeinsam mit Michael Altinger Gastgeber der BR-Kabarett-Sendung "schlachthof". Aber auch mit der Kultfigur des mürrischen Kassierers "Fonsi" und zehn Soloprogrammen auf allen Bühnen der Republik hat er seit 1995 eine große Fangemeinde hinter sich gebracht. Christian Springer ist politischer Kabarettist im besten Sinne – sein Bühnenmotto lautet: Satire für das Oberstübchen! Und er redet nicht nur über die Missstände in Gesellschaft und Politik – er handelt auch. Mit seinem Verein "Orienthelfer" hilft er vor Ort in Syrien, Jordanien und im Libanon. Und weil Senkrechtstarterin Teresa Reichl seit einiger Zeit regelmäßig mit ihrem ganz persönlichen "Zwischenruf" beim "schlachthof" mitmischt, freut er sich ganz besonders darüber, eine Laudatio auf die Kollegin halten zu dürfen.
Ehrung für Ottfried Fischer
Am 7. November feiert Ottfried Fischer seinen 70. Geburtstag. Ein schöner Anlass, den gefeierten Kabarettisten und Schauspieler im Rahmen des Bayerischen Kabarettpreises zu ehren. Und so wird es nicht nur Glückwünsche von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen geben, sondern der bayerische Kult-Regisseur Franz Xaver Bogner erinnert an die wichtigsten Stationen im bunten Leben des berühmten Bayern, der dem Fernsehpublikum 173 Folgen lang "Ottis Schlachthof" präsentierte. Bogner war es, der Ottfried Fischer 1982 in "Zeit genug" seine erste Fernsehrolle gab und ihn mit den Erfolgsserien "Irgendwie und sowieso" und "Zur Freiheit" berühmt machte.
Der Bayerische Kabarettpreis
Der Bayerische Rundfunk fördert Kabarett und bietet mit der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises namhaften Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne und jungen Talenten ein Sprungbrett. Der Bayerische Kabarettpreis ist eine Gemeinschaftsinitiative des Bayerischen Rundfunks und des Münchner Lustspielhauses. Seit 1999 wird der Preis jährlich in vier Kategorien an Künstlerinnen und Künstler aus dem deutschsprachigen Raum verliehen. Er würdigt scharfsinniges Kabarett, das auf unverzichtbare Weise die Gesellschaft und das Zeitgeschehen künstlerisch ergründet.