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Interview mit Rita Falk und Florian Wagner "Heimatrauschen": Gut gegen Schubladendenken

Das BR-Magazin "Heimatrauschen" feiert 5. Geburtstag! Ein Gast, den Moderator Florian Wagner in der Jubiläumssendung am 3. November begrüßt, ist Bestsellerautorin Rita Falk ("Grießnockerlaffäre", "Schweinskopf al dente"). Er moderiert regelmäßig beim Krimifestival München ihre Lesungen im Circus Krone. Beide sind seit Jahren auch privat befreundet. Im Interview sprechen sie über ihr Heimatverständnis, ihre Freundschaft und eine Fernsehsendung der besonderen Art.

Stand: 26.10.2017

Moderator Florian Wagner und Krimiautorin Rita Falk | Bild: South & Browse

Könnt Ihr drei Dinge nennen, die für euch Heimat am meisten ausmachen?

RF: Bayern, Familie, Dialekt.

FW: Tradition, Humor und mein Garten.

Welcher Ort ist für euch Heimat, und woran merkt ihr das?

RF: Ich merke das ganz speziell, wenn ich von meinen Reisen heimkomme – sobald ich das erste Schild "Biergarten" oder ähnliches sehe, geht mein Herz auf. Wir waren jetzt grad zehn Tage in Spanien, und die ersten drei Tage habe ich mir gedacht, oh super, da könnte ich leben. Und wenn ich dann wieder am Flughafen in München ankomme, denke ich mir – nein, könnte ich doch nicht.

FW: Heimat kann ich jetzt gar nicht unbedingt am Ort festmachen. Ich hab mal nach einem langen Urlaub in Thailand am Strand ein bayerisches Pärchen getroffen und hatte plötzlich heimatliche Gefühle. Das ist der Klang des Dialekts, aber auch die Art zu denken. Heimat ist für mich da, wo drei Bayern aufeinandertreffen.

"Der eigentliche Begriff ,Heimat', der definiert sich immer neu, das ist nix Starres, sondern etwas sehr Lebendiges."

Florian Wagner

Also lässt sich Heimat auch an Personen oder Dingen festmachen?

RF: Ja, vor allem am Essen! Da steht für mich das Brot schon mal ganz oben auf der Liste. Mir fehlt aber woanders auch ein bayerisches Bier, mir fehlt eine Weißwurst, eine Leberkässemmel.

FW: Der Ort ist aber schon zentral. Hab jetzt grad ein neues Format für BR Fernsehen gedreht, für das ich in Franken war, im Allgäu – an ganz verschiedenen Orten in Bayern. Da hab ich gemerkt, ich fühle mich eigentlich inzwischen in ganz Bayern daheim. Jetzt mache ich seit fünf Jahren eine Sendung, die heißt "Heimatrauschen", und der eigentliche Begriff "Heimat", der definiert sich immer neu, das ist nix Starres, sondern etwas sehr Lebendiges.

Der Begriff "Heimat" war lange Zeit eher negativ besetzt - in den letzten Jahren hat sich das geändert. Woran liegt das?

FW: Die Welt wird immer kleiner durch die ganze Digitalisierung und Vernetzung. Wir haben die Möglichkeit, uns innerhalb von 48 Stunden Dinge vom anderen Ende der Erde schicken zu lassen. Den Menschen ist das zu groß, denen ist des zu viel, und die finden wieder mehr zu dem zurück, was wirklich wichtig ist – und das ist die Heimat. Der Trend war lange: Bloß weg von daheim, möglichst auf eigenen Beinen stehen, man ist überall zuhause. Die sozialen Kontakte sind dabei immer mehr ausgedünnt worden. Du hast deine Facebook-Freunde, aber wenn du daheim liegst und so krank bist, dass du nix mehr einkaufen kannst, wird’s schwierig. Und wir Menschen merken, dass das so nicht gesund ist.

RF: Den Leuten ist es heute auch wichtiger, wo ihre Wurzeln liegen, als noch vor 20-30 Jahren. Früher war’s für 15- bis 20-Jährige relativ uncool, etwas mit den Großeltern zu unternehmen. Und heute ist es eigentlich so, je größer die Familie ist, desto lieber kommt man zusammen. Wir waren jetzt grad ein paar Tage am Gardasee und haben meinen Sohn und seine Freundin eingeladen. Seine sofortige Reaktion war: Kann da net die Oma mitkommen?

Die Sendung "Heimatrauschen" transportiert ein "modernes bayerisches Lebensgefühl". Was ist das denn genau?

Happy Birthday "Heimatrauschen"!

FW: Modernes bayerisches Lebensgefühl heißt, dass man Fertigkeiten, die hier traditionell verwurzelt sind, in die heutige Zeit transportiert. Das man etwas, was der Urgroßvater, der Großvater und der Vater schon gemacht haben, genauso lernt, aber halt nicht auf genau die gleiche Weise umsetzt wie die anderen Generationen, sondern dass man’s neu interpretiert. Und dass man, zwar mit beiden Beinen in der Heimat verwurzelt, den weiten Blick in die Welt riskiert und sich Ideen dazuholt und sich dadurch weiterentwickelt. Man kann ein heimatverbundener Mensch und trotzdem sehr international sein.

RF: Es sind ja nicht nur Familienunternehmen, die schon seit Generationen diese Dinge machen. Ihr habt ja auch ganz viele Protagonisten in der Sendung, die ganz neu etwas starten, aber trotzdem sehr verbunden sind mit Bayern.

FW: Genau. Nimm zum Beispiel den Mathias Leidgschwendner, der die Zeitschrift "Fasson" herausgibt. Der kommt aus Hausham, der wohnt in Hausham und macht da ein erfolgreiches Modemagazin – und du fragst dich, wieso sitzt der noch in Hausham und nicht schon längst in Paris oder New York? Und wenn ich mir diesen Gedanken dann zu Ende denke, komme ich zu dem Schluss, der sitzt in Hausham, weil da ist er dahoam. Daraus kann der Kraft schöpfen. Wenn du in der Heimat sitzt, hast Du halt wahnsinnig viel Energie zu Verfügung, die Du in Deine Arbeit stecken kannst.

RF: Kann ich nur bestätigen!

Florian, du hast gerade "Fasson" genannt. Gibt es denn weitere Highlights aus fünf Jahren "Heimatrauschen"?

FW: Mich beeindruckt generell diese Innovationskraft, die wir bei "Heimatrauschen" vorstellen. Wenn ich am Ende vor der fertigen Sendung sitze und denke: Wahnsinn, woher nehmen die Leute diese Ideen? Ich bin da teilweise selbst überrascht. Die Themensuche war ja in der Anfangszeit der Sendung eher mühsam. Aber inzwischen hat sich da so eine Familie von innovierenden Bayern aufgetan, die sich rege über die sozialen Netzwerke austauschen. "Heimatrauschen" hat ja eine sehr aktive Facebook-Community! Mir macht das einen Riesenspaß, das Gesicht dieses Projekts zu sein.

Wie bist du zu dem Job gekommen?

Konventionell? Bloß nicht! "Heimatrauschen"-Moderator Florian Wagner

FW: Es gab da einen Probedreh – die Sendung sollte ja ursprünglich mal von einer Frau moderiert werden. Zum Casting waren ein paar Moderatorinnen eingeladen – und ich. Wir sollten uns dann alle für eine Moderation neben den Teich stellen. Und ich hab halt gesagt "ich stell mich doch da jetzt net hin, ich stell mich in den Teich, ist doch viel lustiger". Und so haben wir uns gefunden, die Sendung und ich, weil wir, glaube ich, beide ähnlich unkonventionell sind und uns ungern festlegen lassen.

RF: Ich mag, dass einen die Sendung immer wieder überrascht.

FW: Ich auch! So ein ein typischer "Heimatrauschen"-Beitrag war für mich der über den Drechsler Franz Keilhofer. Im Lauf des Beitrags erfährst du, dass der ganz besondere Sachen macht, dass er sogar schon Preise gewonnen hat, dass er am ganzen Körper tätowiert ist, Tattoo-Model ist und dass er noch in einer Hardrock-Band spielt. Ich neige wie viele andere auch dazu, Leute sehr schnell in eine Schublade zu stecken – aber ich genieße den Moment, wenn ich merke, dass das die völlig falsche Schublade war.

"Heimatrauschen" ist also nix für Schubladen-Denker?

FW: …oder genau das richtige Heilmittel gegen Schubladen-Denken!

RF: Ich bin ein echter Fan deiner Sendung. Ich hab immer gleich das Gefühl, ich kenne die Leute, fühle mich denen gleich verbunden. Und ich muss mich auch outen, dass ich ständig irgendwas bestelle, was Du vorstellst.

Was denn zum Beispiel?

RF: Das letzte Teil ist die "Hutschn", also diese großartige Schaukel aus dem Berchtesgadener Land. Die hängt bei mir am Apfelbaum, und wenn ich ein bisschen depri bin oder grantig, dann reichen fünf Minuten schaukeln, und man ist gleich besser drauf. Jetzt grad liebäugele ich mit den Dirndln von Christina Kronawitter (zu Gast in der Jubiläumssendung), allerdings konnte ich mich da noch für keins entscheiden.

Frau Falk, Sie vermitteln in Ihren Krimis ja ein ganz besonderes Heimatbild, das bei den Leuten gut ankommt. Woran liegt das?

Schöpferin des Eberhofer-Universums: Bestsellerautorin Rita Falk

RF: Mir sagen die Leser immer, sie lesen das Buch nicht einfach nur, sondern sie hocken mit beim Wolfi im Wirtshaus, bei der Oma am Frühstückstisch, sie fahren mit dem Franz Streife. Sie haben das Gefühl, Teil dieses Universums zu sein. Und es ist Niederbayern, da san halt net so viel Geranien vorm Fenster, es ist alles a bissl karger, ehrlicher, direkter – kein Alpenkrimi, der so vor sich hinjodelt, sondern es ist so, wie es wirklich sein könnte.

Ihre Krimititel haben ja immer mit Essen zu tun. Wenn Sie ein Drei-Gänge-Menü unter dem Motto "Heimat" kreieren dürften, wie würde das aussehen?

RF: Erst mal eine Grießnockerlsuppe. Die ist leicht und würzig.

FW: Und erinnert so an die Kindheit. Als Hauptgericht hätte ich gern a Stückl Fleisch, aber eins, von dem ich weiß, wo es herkommt.

RF: Das ist mir auch sehr wichtig. Ich würde auf alle Fälle Knödel dazu machen.

FW: Aber keinen Schweinsbraten.

RF: Das muss nicht sein, nein.

FW: Irgendwie so ein schöner Sauerbraten. Meine Oma und meine Mama haben mir beigebracht, wie man Sauerbraten macht. Und da muss ich jetzt auch wieder sagen, da ist es mir vollkommen wurscht, wo der ursprünglich herkommt. Für mich gehört der zu einem Heimatmenü.

RF: Das würde ich jetzt auch unterschreiben. Und wenn wir jetzt schon beim Kalorien-Verschleudern san, gibt’s dann als Nachspeise ein kleines Dampfnuderl.

FW: Oder Apfelkiacherl.

RF: Weißt was, wir machen so eine kleine Platte mit Dreierlei: zwoa Apfelkiacherl, ein winziges Dampfnuderl und ein kleines Stück Apfelstrudel – ach nein, Apfel ham mer schon.

FW: Vielleicht ein Zwetschgenparfait?

RF: Aber alles klein.

FW: Ja, aber dafür zwei Teller.

Was gäbe es zum Trinken dazu?

FW: Ein Bier.

RF: Ein Bier, ja. Wobei so ein guter Rotwein wäre dazu auch gut.

"Den Leuten ist es heute auch wichtiger, wo ihre Wurzeln liegen, als noch vor 20-30 Jahren."

Rita Falk

Frau Falk, Sie waren ja mit Ihren Büchern schon Thema in der allerersten Sendung. Was hat Sie bewogen, für die Geburtstagssendung nochmal zuzusagen?

RF: Also wenn mich der Flori fragen würde, ob ich mit ihm zum Mond fliege, würde ich auch Ja sagen.

FW: Ooooaaaah!

RF: Des ist kein Schmäh. Bei uns beiden war das so ein bisschen Liebe auf den ersten Blick, aber das ist auch umgekehrt so. Wenn ich frag, Du Flori, ich hab eine Lesung, machst die Moderation? Da überlegt der keine Sekunde, der schaut in seinen Kalender und sagt: Ja, passt.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Rita Falk mit Christian Tramitz (l.) und Florian Wagner bei einer Lesung im Circus Krone im Rahmen des Krimifestivals München

FW: Da waren wir beide ganz am Anfang unserer Karrieren. Ich hab damals auf der Frankfurter Buchmesse für so eine Online-Plattform Autoren interviewt, und die Rita hat ihr erstes Buch vorgestellt. Später haben wir festgestellt, dass es für uns beide das erste Interview war. Seitdem haben wir eine vollkommen intakte Beziehung, wir zwei. Und inzwischen haben wir wievielmal den Circus Krone vollgemacht? Also du, ich bin ja da nur Beiwerk…

RF: Beim Krimifestival München im kommenden März ist es dann das fünfte Mal.

Seht ihr euch regelmäßig?

FW: Regelmäßig nicht, aber wenn sich’s ergibt, dann immer gern.

RF: Wir nutzen jede Gelegenheit. Wir sind beide beruflich ziemlich eingespannt, aber wir freuen uns immer sehr auf diese Treffen.


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