"report München"-Recherche: Die Südamerika-Spur – Versteckte die katholische Kirche mutmaßliche Missbrauchstäter im Ausland?
Priester, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde, konnten sich nach Südamerika absetzen - und wurden dabei von der katholischen Kirche unterstützt. Das belegen jetzt aktuelle Recherchen des ARD-Politikmagazins "report München" in Zusammenarbeit mit dem ARD-Studio Rio de Janeiro. "report München" berichtet darüber in der Sendung am Dienstag, 7. Januar 2025, 21.45 Uhr im Ersten.
Beispielsweise wurde ein Priester aus dem Bistum Eichstätt 1969 per Haftbefehl gesucht, nachdem fünf Schulmädchen gegen ihn Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs erstattet hatten. Dieser Priester entzog sich der Strafverfolgung durch Flucht und setzte sich über Afrika nach Brasilien ab. Er wurde dort elf Jahre lang als Priester beschäftigt, obwohl hochrangige Kirchenvertreter über die Strafverfolgung im Bilde waren. Erst als sein Fall verjährt wäre, kehrte der Pfarrer zurück.
Wie Dokumente zeigen, die "report München" exklusiv vorliegen, finanzierte das zuständige Bistum Eichstätt ihn verdeckt, indem sein Gehalt als "Missionsspende" getarnt über ein zwischen geschaltetes Kloster ins Ausland floss. Die Juristin Bettina Janssen stieß im Zuge einer Aufarbeitungsstudie für die Deutsche Bischofskonferenz auf weitere vergleichbare Fälle. Ihr Fazit: "Man hat verschiedenste Möglichkeiten gefunden, um einen Priester verdeckt zu halten und die Verbindung zum Bistum zu verschleiern, zu vertuschen und um ihm finanzielle Hilfe zukommen zu lassen." Sie wirft der Katholischen Kirche eine "Form der Strafvereitelung" vor.
Im Interview mit "report München" spricht der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke von einem "No-Go" und von Praktiken mit "kriminellem Anstrich": "Die Opfer haben unsägliches Leid erfahren, ihr Leben ist zerstört worden. Und da mit ansehen zu müssen, dass Täter geschützt wurden, das ist skandalös." Er fordert mögliche Betroffene auf, sich beim Bistum zu melden.
"report München" liegen weitere Fälle von Priestern mit Missbrauchsgeschichte vor, die im Ausland unterkamen. Das Erzbistum Bamberg beispielsweise half dem Priester Dieter Scholz, gegen den zwei Jungen 1963 Missbrauchsvorwürfe erhoben hatten, in Bolivien als Missionar zu arbeiten. Nach fünf Jahren kehrte er aus Bolivien nach Deutschland zurück und wurde in Bayern als Gemeindepfarrer eingesetzt. Auch dort gab es Missbrauchsvorwürfe. Etwa von einem ehemaligen Ministranten, der schwere Vorwürfe erhebt: Er sei in den 1970er-Jahren von diesem Priester mehrfach missbraucht worden. Dass das Erzbistum Bamberg Priester Scholz weiter wirken ließ, obwohl es bereits zu einem früheren Zeitpunkt über Missbrauchsvorwürfe gegen ihn informiert war, empört ihn: "Für mich ist das ein Freibrief und eine Lizenz für den Täter zum Weitermachen."
Das Erzbistum Bamberg schreibt auf Anfrage, warum das Erzbistum damals "Staatsanwaltschaft oder Polizei nicht eingeschaltet hat, ist für uns nicht nachvollziehbar." Inzwischen wurde eine wissenschaftliche Studie zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker der Erzdiözese in Auftrag gegeben.