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Deutscher Indie lebt 5 deutsche Gitarrenbands, die ihr nicht verschlafen solltet

Alle reden über AnnenMayKantereit, Die Nerven oder Trümmer - dabei drängt längst ein neuer Schwung deutscher Gitarren-Bands in die Clubs und Playlisten. Diese fünf Bands solltet ihr euch auf jeden Fall anhören.

Von: Hardy Funk

Stand: 21.03.2016 | Archiv

Die Band Isolation Berlin | Bild: M Zerrahn

Im Windschatten von den Nerven, Sizarr, Trümmer oder AnnenMayKantereit rollt längst die nächste Welle deutscher Gitarrenbands heran. Weitgehend in Ruhe gelassen von der Öffentlichkeit und großen Labels haben diese Bands ihren jeweils ganz eigenen Sound und Look gefunden. Wir stellen euch die fünf spannendsten Bands vor.

Der Ringer - die Soft-Punk-Schluffis

Gitarren schlingen sich verträumt durch vernebelte Songs, dazu singt eine erschöpfte Stimme über Vereinzelung und die Zwänge einer Generation zwischen Selbstverwirklichung und Anpassungsdruck. Der Ringer klingen wie ein Fiebertraum in einem ganz, ganz weichen Bett.

Die fünf Jungs aus Hamburg haben ihre erste EP beim Label ihrer Hamburger Kollegen Trümmer veröffentlicht - einer der aktuellen Hype-Bands. Mittlerweile haben sie aber schon ihr eigenes kleines Label: Hauptsache unabhängig eben. Ihr eigenes Genre haben sie auch erfunden: Soft Punk. Wer hätte gedacht, dass die zwei Sachen so gut zusammenpassen würden? Tatsächlich verbindet derzeit niemand gekonnter gesellschaftskritische Attitüde mit zarten Melodien.

Leoniden - die schwelgerischen Pop-Tüftler

Sich nach dem Sternschnuppenstrom "Leoniden" zu benennen ist ein bisschen kitschig - aber auch sehr romantisch. Und das passt: Leoniden lieben hymnische Refrains und mitreißende Hooks, Sänger Jakob schreit seine sehnsüchtigen Zeilen mit viel Pathos ins Mikro. Dabei klingen die fünf Jungs aus Kiel sehr nach heute: Zur Gitarre gibt's Synthies, Chöre und verschachtelte Drums. Die Texte sind Englisch - obwohl das gerade total out ist, wie Gitarrist Lennart Eicke berichtet: "Es kotzt mich ein bisschen an, dass es mittlerweile ein Muss ist, dass man auf Deutsch singt. Gerade wenn man versucht, die Musik zu verkaufen, wenn man versucht, ein Label zu finden: Alle wollen, dass du's auf Deutsch machst."

Aber die Texte haben auch eine andere Funktion als bei den meisten deutschsprachigen Bands. Statt Meinungen und Positionen zu transportieren, wollen Leoniden lieber ein Gefühl vermitteln: Man soll feiern können zu ihren Songs, sagt Sänger Jakob Amr: "Wir laden eher dazu ein, dass man ausgelassen tanzt - und nicht auf seine Schuhe glotzt, sein Leben reflektiert und so ein bisschen traurig wird. Uns ist dieses Ekstatische wichtiger, weil das auch ein Umgang mit vielen Sachen sein kann." Leoniden sind großer Pop mit ganz viel Herz. Allein deshalb werden sie groß.

Drangsal - die One-Man-Eighties-Show

Max Albin Gruber alias Drangsal klingt und sieht aus, als hätte er alle Warnungen der Eltern in den Wind geschossen und einfach einen Doktor in New Wave gemacht - und mit Summa Cum Laude bestanden: Wenn er singt, meint man einen verschollenen The Cure-Song zu hören. Wenn man ein Pressebild sieht, denkt man, Joy Division hätten ein fünftes Mitglied gehabt. Drangsal liebt die 80er. Logisch, dass er auf Englisch singt. Und auch die für den 80s-Appeal nötige Unterkühltheit bringt er mit.

Das hat auch Messer-Sänger Hendrik Otremba und Fabian Altstötter, Sänger und Gitarrist von Sizarr, angesteckt. So sehr, dass sie beide auf dem Debütalbum von Drangsal ans Mikro wollten. Ein bisschen Support von den coolen Klassenälteren kann ja nie schaden. Die Blogs - und auch wir - haben Drangsal schon etwas länger auf der Liste. Mit dem Release vom Debütalbum "Harieschaim" im April dürfte dann der Durchbruch gelingen. Denn das 80s-Revival ist in den letzten Jahren auch in Deutschland angekommen. Eine so perfekte Kopie hat hierzulande aber noch niemand hingekriegt.

Love A - die Wutbürger-Punks

"Zu poppig für die Punker, zu punkig für die Indiedisco, aber trotzdem ganz gut" - so fasst Bassist Dominik Mercier seine Band Love A zusammen. Und ein bisschen was ist da auch dran: Die fünfköpfige Band aus Trier klebt mit der Lederjacke im JUZ fest und steht mit der Röhrenjeans schon auf den großen Festivalbühnen. Und sie sind wütend: Love A wettern gegen Gentrifizierung, gegen Smartphones, gegen Jutebeutel, gegen alles.

Sänger Jörkk Mechenbier klingt dabei wie der Fehlfarben-Sänger und einer der ersten Punks Deutschlands, Peter Hein. Und auch wenn Love A manchmal so anhören, als würden die eigenen Eltern über die Jugend schimpfen - am Ende ist es nur ihre selten kompromisslose Haltung. Umso besser, dass die Band ihre Wut nicht in drögen Knüppelpunk packt, sondern auch ihr Händchen für melodische Popsongs ausspielt. Denn genau deshalb könnte es mit dem neuen, dritten Album doch noch klappen mit der Indiedisco!

Isolation Berlin - die düsteren Post-Punk-Poeten

Man möchte sich Isolation Berlin einfach in keiner anderen Stadt als Berlin vorstellen: Zu sehr leben ihre Songs vom Grau der noch nicht gentrifizierten Viertel. Zu gern badet die Band im Gefühl des Nebeneinanderher-Lebens von Millionen Menschen. Bei Sänger Tobias Bamborschke hat dieses Gefühl aber auch persönliche Ursachen: "Diese Isolation Berlin hat für mich erst mit der Trennung von meiner Freundin begonnen. Als ich mich von allen und allem getrennt habe und allein durch Berlin gestreunert bin."

Kein Wunder, dass der Bass wummert wie einst bei Joy Division. Dass Tobias textet wie Chef-Melancholiker Sven Regener und singt wie Politrock-Legende Rio Reiser: Für Liebeskummer, Weltekel und Suizidgedanken gibt es einfach keine besseren Vorbilder. Und so ein bisschen Negativität gehört für Isolation Berlin einfach zum Musikmachen dazu: "Das Negative gibt einem eher Grund zu reden," so Tobias, "deshalb haben wir in letzter Zeit eher traurige und wütende Themen behandelt. Denn wenn es einem ganz okay geht, hat man nicht das Bedürfnis, sich groß zu äußern." Isolation Berlin sind schon jetzt der Hype der Stunde (genau wie wir vorhergesagt haben). Und das vollkommen zurecht, denn bei niemandem klingt schlechte Laune besser.


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