Ruhmeshalle Stieber Twins - Fenster zum Hof
Verhaspelter Wortwitz und rumpelige Beats: Mitte der Neunziger steckt deutscher HipHop produktionstechnisch in den Kinderschuhen. Auf ein höheres Level hebt ihn erst ein Album zweier Brüder aus Heidelberg: "Fenster zum Hof".
Ende der Neunziger ist deutscher HipHop mit Acts wie den Beginnern oder Dynamite Deluxe längst in den Charts angekommen. Davor gab es natürlich auch schon deutschen Rap, allerdings klang der damals bei weitem nicht so High-Class. Meist wurde mit viel Wortwitz über die noch rumpeligen Produktionen hinweggetäuscht. Erst als die Stieber Twins mit ihren ersten Instrumentals und Rap-Songs produktionstechnisch neue Akzente in Deutschland setzen, hebt sich der deutsche HipHop auf ein neues Level.
New York statt Kinderzimmer
1997 erscheint "Fenster zum Hof", das erste Album der beiden Zwillingsbrüder Marshall Mar und Luxus Chris. Plötzlich sind da Beats, die nicht mehr nach Kinderzimmer-Studio klingen. Hypnotisierende Streicherarrangements treffen auf Jazz-samples und kontinuierlich pulsierende Beats. Das Ganze kombiniert mit Raps, die genau im Takt flowen – ohne verhaspelte Worte oder Geschwindigkeitswechsel. So wie man es bisher eben von den großen Ami-Produktionen kennt - nur dass die Texte jetzt eben im feinsten kurpfälzerisch daherkommen.
Mit unglaublich scharfen und klaren Raps schreiben die beiden immer wieder ein Wort an die Wände deutscher Jugendzentren: Authentizität! Gerade in Zeiten, wo sich jedes Plattenlabel einen Quotenrapper zulegt und ihn auf R&B-getränkten DanceBeats rappen lässt, legen Martin und Chris die Ethik des Underground-Rap fest: "Gegen den Verkauf von HipHop hab ich garnichts, aber was ich hass, ist der Verkauf von falschen Images." HipHop ist nicht nur Rapmusik, HipHop ist auch Graffiti, ist auch Breakdance. Aber HipHop ist vor allem eines: REAL. Ein Lifestyle, den man sich weder kaufen, noch verkaufen kann.
Ein Klassiker der deutschen Rap-Geschichte
Auch wenn vielen der orthodoxe Realness-Zeigefinger nach einiger Zeit auf die Nerven ging: Kein Album hat es je mehr geschafft, der Essenz von HipHop in Deutschland so Nahe zu kommen, wie "Fenster zum Hof". Wegen ihrer Produktion musste sich der deutsche Rap nach 1997 vor ausländischen Produktionen eh nicht mehr verstecken.
Heute hat Martin einen Platten und Sneaker-Laden in Heidelberg, Chris arbeitet als Architekt. Die beiden produzieren immer noch, legen in Clubs auf, geben hier und da ein Konzert – aber alles nebenberuflich. Mehr müssen sie auch nicht mehr machen, denn "Fenster zum Hof" gilt auch heute noch als zeitloser Klassiker der deutschen Rap-Geschichte.